Energiepreisbremse stottert Mutter in Dresden entsetzt über Fernwärme-Kosten und Mieterhöhung

09. März 2023, 16:37 Uhr

Während große Wohnungsunternehmen länger für die Nebenkostenabrechnungen 2022 brauchen, haben einzelne Hauseigentümer diese bereits rausgeschickt. Weil der Versorger Sachsen Energie die Preisbremse aber noch nicht eingerechnet hat, werden von Mietern in Dresden vereinzelt hohe Nachzahlungen und neue Abschläge verlangt. Hier gilt es, die Nerven zu behalten. Aber wie?

  • Wenn die Heizkosten plötzlich vier Mal so teuer sind.
  • Rat des Mietervereins Dresden: Abschlagsforderungen dringend prüfen lassen.
  • Höhere Abschläge, höhere Warmmiete: Wer die nicht bezahlen kann, muss sich Hilfen suchen.

Für Anne Lange war es ein Schock, als sie im Februar den Brief mit der Nebenkostenabrechnung las. "Ich habe ja damit gerechnet, dass sie hoch wird. Aber das waren meine ganzen Ersparnisse", betont die alleinstehende Mutter. 1.250 Euro Heizkosten muss sie aus den Monaten September, Oktober und November 2022 für ihre 50 Quadratmeter große Wohnung nachzahlen. Der Dezember ist noch gar nicht dabei, sondern wird erst bei der Rechnung im nächsten Jahr eine Rolle spielen, so die 37-Jährige.

Kosten für Fernwärme vervierfacht

Der Dresdnerin sei bewusst gewesen, dass in der Energiekrise die Heizkosten in die Höhe schnellen. "Aber meine Heizkosten sind jetzt viermal so hoch." Langes Wohnung im Dresdner Stadtteil Pieschen wird seit vergangenem Jahr mit städtischer Fernwärme durch die Marke Drewag vom Unternehmen Sachsen Energie versorgt. Eine ökonomische Alternative zur alten Öl- und Gasheizungsanlage, hieß es damals von den Dresdner Stadtwerken. Doch statt früher sieben Cent pro Kilowattstunde zahlt sie jetzt 32 Cent.

Meine Heizkosten sind jetzt viermal so hoch.

Anne Lange Mieterin in Dresden

Ein derart krasser Fall ist beim Mieterverein Dresden noch nicht angekommen, sagt der dortige Rechtsberater Florian Bau auf Nachfrage von MDR SACHSEN. Bisher lägen dem Verein nur wenige Betriebskostenabrechnungen bis 30. September 2022 vor. Hier gehe es um Kostensteigerungen um rund 60 Prozent auf 19 Cent pro Kilowattstunde. "Besonders problematisch bei dem Abrechnungszeitraum von Oktober 2021 bis September 2022 ist, dass hier keine der Maßnahmen der Gaspreisbremse helfen. Die Einmalzahlung im Dezember 2022 ist für diese Abrechnungsperiode nicht mehr relevant", erklärt der Rechtsexperte des Mietervereins.

Hohe Ausgaben wirken sich auf ein Jahr aus

Das Problem für die betroffenen Mieter: Die hohen Ausgaben im Oktober und November wirken sich auf die Abschlagszahlungen für ein ganzes Jahr aus. Für Anne Lange haben sich dadurch die monatlichen Nebenkosten mehr als verdoppelt. Sie werden ab April nur 61 Euro weniger als die Kaltmiete betragen. Die Mutter war schon zuvor auf Wohngeld angewiesen. "Das Gute ist, dass beim Wohngeld jetzt auch die Nebenkosten mit berücksichtigt werden. Jede andere normalpreisige Wohnung könnte ich mir im Leben nicht mehr leisten", sagt sie.

Mieterverein: Neue Abschläge dringend prüfen lassen

Laut Dresdner Mieterverein sollten Betroffene solche neuen Abschlagsforderungen dringend prüfen lassen. "Gerade gestiegene Vorauszahlungen sind gefährlich. Steigt die Vorauszahlung, steigt die Warmmiete. Wird die Warmmiete nicht vollständig beglichen, laufen Mietrückstände auf. Diese können ab einer bestimmten Höhe die Kündigung rechtfertigen", weiß Rechtsberater Bau. Wer die gestiegenen Mietforderungen nicht bezahlen kann, sollte unverzüglich Vermieter beziehungsweise Verwalter informieren und nach staatlichen Hilfen wie Wohngeld oder Bürgergeld suchen.

Selbst bei nicht leistbaren Nachzahlungen könnten im Notfall staatliche Hilfen beantragt werden, sagt die Vorsitzende des Landesverbands der sächsischen Mietervereine, Anke Matejka. Energieversorger und Vermieter seien außerdem dazu verpflichtet, bei den geforderten Vorauszahlungen für 2023 die Preisbremse mit einzuberechnen und das deutlich zu kommunizieren, betont Matejka.

Versorger und Vermieter müssen bei den Vorauszahlungen die Preisbremse mit einrechnen.

Anke Matejka Vorsitzende des Landesverbandes Deutscher Mieterbund

Dresdner Stadtwerke hinken mit Umsetzung der Preisbremse hinterher

In Mieterin Anne Langes Fall ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, heißt es auf Anfrage bei Sachsen Energie: "Derzeit arbeiten wir mit Hochdruck an der Umsetzung der Wärmepreisbremse. Diese entlastet die Kunden rückwirkend ab Januar", so der städtische Energieversorger. "Voraussichtlich im April erhalten die Kunden der Dresdner Stadtwerke deswegen einen neuen Abschlagsplan", kündigt Sprecherin Nora Weinhold an. Die Drewag sichert zu, dass alle Kunden die ihnen zustehende Entlastung in voller Höhe erhalten werden. "Diese wird rückwirkend ab Januar verrechnet", so Weinhold.

Nur wird für die Mieter im Wohnhaus von Anne Lange bereits ab 1. April eine höhere Miete fällig, die aber aufgrund der Fernwärmepreisbremse gar nicht notwendig ist. "Das ist eine ungünstige Überschneidung", urteilt die Sachsen Energie-Sprecherin Weinhold. Viele Versorger hätten es aber aufgrund der Kürze der Zeit noch nicht geschafft, die Preisbremsen umzusetzen.

Die individuelle Benachrichtigungen an die Kunden mit den neuen Abschlagsplänen sollen bei der Drewag in den nächsten Wochen rausgehen. Der Versorger appelliert an die Vermieter, bei Härtefällen den einen Monat zu kompensieren, bis die richtigen Berechnungen vorliegen. Man könne sich auch jederzeit ans Unternehmen wenden.

Sachsen Energie: Energiepreise haben sich stabilisiert

Laut Energieversorger wird es Ausreißer wie im Oktober und November künftig nicht geben: "Derzeit stabilisieren sich die Preise, so dass es so aussieht, dass die enormen Steigerungen – wie wir sie 2022 erlebt haben – im Moment nicht wieder eintreten." Prinzipiell sei Fernwärme eine umweltschonende Versorgung mit Wärme, weil die bei der Stromherstellung entstehende Wärme genutzt wird. Dies spare große Mengen CO2-Emissionen und Feinstaub ein, so Sachsen Energie.

Voraussichtlich im April erhalten die Kunden einen neuen Abschlagsplan.

Nora Weinhold Sprecherin Sachsen Energie

Heizalternativen haben die Mieter mit Fernwärmeanschluss nicht. Denn Fernwärme lässt sich in einem Mehrfamilienhaus nicht durch den Mieter abstellen. Auch wer das Thermostat komplett auf Null dreht, zahlt einen Grundbetrag für die Bereitstellung der Fernwärme. "Überprüft werden sollte in jedem Fall das eigene Heizverhalten und ob Undichtigkeiten an Fenstern oder Türen möglicherweise zu einem höheren Heizenergieverbrauch führen", schlägt Bau vom Dresdner Mieterverein vor.

"Ich habe im vergangenen Jahr 700 Kilowattstunden weniger verbraucht", sagt Anne Lange. Wenn ihr am Abend kalt werde, überlege sie bei jedem Grad, ob sie die Heizung höher drehe oder nicht. "Und trotzdem muss ich so einen Batzen Geld bezahlen." Die Dresdnerin will die Nebenkostenabrechnung auch von einem Anwalt prüfen lassen.

MDR (ama)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Dresden | 10. März 2023 | 12:30 Uhr

34 Kommentare

Anita L. am 11.03.2023

@Anni22, wieso sollte ich von einer Währung, die schon sehr lange Geschichte ist, in Euro umrechnen, was schon allein aus genau diesem Grund, dass es diese Währung nicht mehr gibt, gar nicht so ohne Weiteres möglich ist.
Bekennende Nichtwähler der Grünen warnen natürlich vor steigenden Preisen, verfolgen sie doch in der Regel die Seh ich nicht gibt es nicht-Strategie. Der Energiewandel ist ebenso notwendig wie das Ende der Geiz ist geil-Mentalität. Wohin die uns geführt hat, sehen wir ja. Und ich wiederhole noch einmal: An den übertriebenen Preiserhöhungen aufgrund fehlender staatlicher Steuerungsmittel sind weder Rot noch Grün schuld.

Anita L. am 11.03.2023

Ihr Hinweis auf ALG I beantwortet jetzt die eigentliche Frage noch nicht: Inwieweit ändert die Tatsache, ob Frau Lange gerade in einer versicherungspflichtigen Arbeit ist oder nicht, die Sichtweise auf die teuren Energiepreise?

Peter Pan am 11.03.2023

@Anita L.
Aber Empfänger von Arbeitslosengeld 1 erhalten Wohngeld, Wer Bürgergeld empfängt, reicht seine Heizkostenrechnung beim zuständigen Amt ein, Beim derzeitigen Mindestlohn von 12€ je Std und vollbeschäftigung ist ein Wohngeldanspruch höchst selten, die Energiekosten sind in diesem fall sicher extrem, da sollte man dringend mit dem Vermieter reden in Dresden Pieschen sind auch recht hohe Mietpreise.

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