Saisonstart Dresdner Fahrradhändler trotz Nachfrageknick optimistisch

02. April 2023, 12:00 Uhr

Zum Start in die neue Fahrradsaison sind die Lager voll wie nie. Die Zeit der Lieferengpässe ist Geschichte und auch die Preise sinken wieder. Gut für kaufwillige Radfans, nicht ganz so optimal für Händlerinnen und Händler in Dresden. Doch der Optimismus in der Branche überwiegt.

Der große Corona-Boom der Branche ist zwar vorbei, doch zum Start der Fahrradsaison blicken Dresdner Fahrradhändlerinnen und -händler optimistisch auf das kommende Jahr. Die Auswahl ist groß und die Zeit der Lieferengpässe ist vorbei, erzählen Dresdner Fahrradhändler bei MDR SACHSEN.

Aus Sorge um steigende Energiepreise: Kunden blieben weg

Sylvia Kührt, Inhaberin des Traditionsfahrradladens Elberad im Dresdner Stadtteil Pieschen, hat beobachtet, dass im Zuge der Energiepreiserhöhungen und der Berichterstattung darüber im vergangenen Herbst die Kundschaft plötzlich weggeblieben ist. "Da gab es dann keine Fahrradbestellungen oder -käufe mehr. Das war plötzlich wie abgeschnitten und ist drastisch zurückgegangen. Sehr schwierig für uns", erinnert sich die 59-Jährige. 

Zwischen Tourenrad und E-Bike

Auch André Hans, einer der beiden Geschäftsführer von Fahrrad XXL in Dresden, hat das zögerliche Kaufverhalten im vergangenen Herbst beobachtet. Inzwischen kommen die Leute wieder in die Fahrradläden, zum Beispiel Ursula Gräfling aus Moritzburg. Die 80-Jährige ist auf der Suche nach einem Tourenbike für ihren Mann, damit er sie wieder begleiten kann. "Nach dem langen Winter wollen mein Mann und ich wieder etwas mehr für unsere Gesundheit tun und daher: Rauf auf's Rad!"

Auch René Gebauer, 46 Jahre alt, schaut sich um: "Wir wollen heute unser erstes E-Bike kaufen. Eigentlich wollten wir erst nur eins für meine Frau, aber wahrscheinlich nehme ich auch eins mit – damit ich hinterherkomme", sagt er und lacht. Sein letzter Fahrradkauf liege schon zehn Jahre zurück. "Wir haben gemerkt, dass wir nicht mehr so weite Touren fahren können und daher kommt jetzt eins mit Antrieb."

Erst Engpässe, nun volle Lager

Während der Corona-Pandemie sei die Nachfrage in der Fahrradbranche auf einem Rekord-Hoch gewesen, erklärt Martin Raeder, Inhaber eines kleinen Ladens für maßgeschneiderte Räder in der Dresdner Neustadt. Daraufhin seien mehr Fahrräder und Zubehörteile als sonst produziert worden, begleitet von Lieferengpässen und längeren Wartezeiten.

In Verbindung mit dem Nachfrageknick vom vergangenen Herbst seien die Lager nun oft voll, so auch beim Fahrrad-Riesen Fahrrad XXL Dresden: "Die vollen Lagerbestände machen der Branche wirklich extrem zu schaffen. Wir hatten im letzten Jahr im Frühjahr etwa 20.000 Räder im Lager. Das war deutlich zu wenig für uns und in diesem Jahr haben wir weit über 40.000 im Lager, was eher zu viel ist. Das ist in der ganzen Branche ähnlich. Und dazu kommt noch, dass sehr viele Auftragsbestände im Rückstand sind, die jetzt noch produziert und geliefert werden."

Gut für die Kundschaft, schlecht für den Handel

Des einen Freud, des anderen Leid: Die überschüssige Ware drücke laut Hans extrem auf die Preise. "Wenn man als Kunde ein Rad kaufen will oder Zubehör, sind die Preise deutlich gesunken. Ich denke, dass wir im Schnitt etwa zehn Prozent günstigere Preise haben als in der Corona-Zeit", so André Hans auf Anfrage von MDR SACHSEN. Wer also ein neues Rad braucht, kann derzeit auf das ein oder andere Schnäppchen hoffen.

Die Preise für Fahrräder oder Zubehör sind deutlich gesunken. Ich denke, dass wir im Schnitt etwa zehn Prozent günstigere Preise haben, als in der Corona-Zeit.

André Hans Co-Geschäftsführer Fahrrad XXL

Die vollen Lager machten vor allem größeren Geschäften zu schaffen, meint Martin Raeder, der sechs Angestellte beschäftigt. "Es wird bestimmt hier und da Hersteller geben, die schon früh im Jahr mit Prozenten locken, um die Ware aus den Lagern zu bekommen. Im kleinen Bereich, wie das bei uns der Fall ist, ist das sehr selten der Fall."

Bei Sylvia Kührt ist das ähnlich: Zwar hat sie in dem Geschäft, das ihr Großvater vor mehr als 90 Jahren gegründet hat, ein Sortiment zum Sofortkauf. Doch ihr Hauptaugenmerk liegt auf Kundinnen und Kunden, die sich ihre Fahrräder nach Wunsch zusammenstellen lassen. Über zu volle Lager kann die Dresdner Fahrradhändlerin daher nicht klagen.

Fahrradproduktion 2022 auf Allzeithoch In einer aktuellen Mitteilung des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV) und des Deutschen Fahrradhandels wurden die Produktion von Fahrrädern und E-Bikes im Jahr 2022 als "Allzeithoch" bezeichnet. Während die Produktion von Fahrrädern mit 900.000 Stück gleich blieb, stieg die Produktion von E-Bikes um 20 Prozent auf 1,72 Millionen. Durch hochwertige Produkte und den hohen E-Bike-Anteil hat sich laut ZIV der Umsatz der Branche mit Fahrrädern und E-Bikes in den vergangenen zehn Jahren fast vervierfacht: von rund zwei Milliarden Euro 2012 auf 7,36 Milliarden Euro im Jahr 2022.

Kaum noch Lieferengpässe

Lieferengpässe gebe es hingegen inzwischen keine mehr, sagt Elbe-Rad-Inhaberin Sylvia Kührt: "Die Lage der Ersatzteilversorgung hat sich verbessert. Wir haben kaum Sachen, die nicht lieferbar sind, und falls es doch Probleme gibt, gibt es genug Alternativen." Bei kompletten Rädern liege die Lieferzeit, so wie sonst auch, zwischen vier und sechs Wochen. "Wir haben Kinderräder da, die sind lieferbar, wir haben ein paar Modelle da, zum Probefahren und wenn jemand eins in einer anderen Farbe haben möchte, ist das innerhalb von einer Woche da." Auch André Hans von Fahrrad XXL bestätigt das: In der Regel seien Räder und Zubehörteile wieder verfügbar, nur vereinzelt mag es für bestimmte Produkte noch zutreffen, dass es etwas länger dauere.

Laut Zweirad-Industrie-Verband wurden im Jahr 2022 in Deutschland 4,6 Millionen Fahrräder verkauft, 100.000 weniger als im Vorjahr, aber immerhin 300.000 mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019. Zusätzlich seien deutschlandweit im vergangenem Jahr 2,2 Millionen E-Bikes verkauft worden.

Optimismus überwiegt

In die Zukunft blickt Elbe-Rad-Inhaberin Sylvia Kürth optimistisch, trotz aller aktuellen Herausforderungen: "Weil ja mit der Energiewende der Fahrradverkehr mehr anlaufen müsste. Es könnten bestimmt noch ein paar Leute mehr vom Auto aufs Rad umsteigen, grad bei den kurzen Strecken. Und selbst wer nur bei Sonnenschein und gutem Wetter mit dem Rad fährt, tut was Gutes für die Umwelt und für die Gesundheit".

Auch André Hans von Fahrrad XXL Dresden ist optimistisch gestimmt: "Weil einfach das Fahrrad eine gute Zukunft hat. Das liegt im Trend, genauso wie das E-Bike. Wir haben eine Branche, die uns Freude macht und wo die Leute gerne hinkommen. Wir rechnen deshalb mit stabilen Umsatz, auch wenn der Ertrag durch die gestiegenen Preise geringer ist."

Auf das laufende Jahr blicken wir grundlegend positiv, aber wir sind auch nicht blauäugig und denken, dass da im Vergleich zur Corona-Zeit noch irgendwas on Top kommen würde.

Martin Raeder Inhaber Fahrradladen Meißner Raeder

Doch an die hohen Verkaufszahlen und -preise während der Corona-Pandemie anknüpfen zu wollen, scheint aussichtslos, findet Raeder: "Auf das laufende Jahr blicken wir grundlegend positiv, aber wir sind auch nicht blauäugig und denken, dass da im Vergleich zur Corona-Zeit noch irgendwas on Top kommen würde."

Wachsender Wirtschaftszweig Fahrradbranche Rund 50.000 Menschen sind nach Angaben des Zweirad-Industrie-Verbandes in Deutschland in der Fahrradbranche beschäftigt. Die Fahrrad- und Fahrradteilindustrie ist geprägt von mittelständischen, zum Großteil inhabergeführten Unternehmen.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Dresden | 30. März 2023 | 05:30 Uhr

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