Hilfstransporte Menschlichkeit hat mitgepackt: Volle Kisten aus Dresden für die Ukraine
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Zwei junge Frauen aus der Ukraine, die schon länger in Dresden leben, helfen ihrem Heimatland. In jeder freien Minute sammeln sie Spenden für Kinderheime, Kliniken und Städte im Krieg. Sie hoffen, dass die Spendenbereitschaft der Sachsen noch lange anhält.

- Als Privatperson Spenden fürs Heimatland
- Hilfe soll direkt ankommen
- Alle Spenden zählen, auch die kleinen
- Anfragen gezielt erfüllen: Schutzwesten, Medikamente
- Spendenbereitschaft mittlerweile etwas nachgelassen
Yuliya Ivanchenko läuft durch ihren leeren Flur ins Wohnzimmer. Sie blickt auf die freie Fläche vor dem Sofa und lächelt. Bis vor drei Tagen hatten sich in ihrer gesamten Wohnung in Dresden Kisten und Tüten gestapelt. Noch mehr Kartons lagerten in der Garage einer Nachbarin. Am vergangenen Wochenende hat die 34-Jährige mit Freunden einen 2,5-Tonner beladen und mit Freiwilligen und gespendeten Benzin in die Ukraine geschickt. Es war der 20. Lkw, den sie mit organisiert hat. Privatautos voll Spenden von Dresdnerinnen und Dresdnern hat sie nicht mitgezählt. Die Ukrainerin aus Charkiw sammelt als Privatperson Spenden für ihr Heimatland. "In der ersten Woche des Krieges haben so viele Menschen Spenden und Sachen zu mir gebracht, alle wollten helfen", erzählt die Programmiererin.
Viel Herz und Menschlichkeit in Dresden
Ihre "wunderbaren Nachbarn" im Stadtteil Laubegast würden sie toll unterstützen, den Helfern Kaffee oder Essen kochen und Lagerplatz in Garagen und Kellern zur Verfügung stellen. "Ich habe so viel Warmherzigkeit erlebt, so viel Zuspruch beim Spendensammlen von so vielen Nationalitäten. Im Grunde gab es nur eine Nationalität: Menschlichkeit. Dafür möchte ich allen von Herzen danken."
Eigentlich müsste sie sich auf ihre Diplomarbeit vorbereiten, die sie für ihr berufsbegleitendes Informatik-Studium schreiben soll. "Es ist sehr schwer, sich auf die Arbeit im Homeoffice und aufs Studium zu konzentrieren, weil meine Gedanken immer zu Hause sind." Zu Hause ist für Yuliya Charkiw, ist Odessa, wo ihr Vater, die Großeltern und Freunde leben. "Wenn meine Familie auf Mails oder Anrufe nicht gleich antwortet, setzt mein Herz aus", sagt sie und blickt traurig aus dem Fenster. Sie weiß, dass ihr Vater nicht alles erzählt, was am Schwarzen Meer passiert. "Er will mich schonen. Aber ich lese ja Nachrichten. Raketeneinschläge gab es auch schon nahe der Wohnung meiner Familie."
Viel Bürokratie und Papierkram
Von Dresden aus will sie ihrer Familie, Geflüchteten, aber vor allem den Dagebliebenen helfen. "Ich will, dass die Hilfe direkt ankommt." Von der Stadtverwaltung Charkiw hat sich Yuliya amtliche Bescheinigungen geben lassen, dass sie in deren Namen Spenden anfragen kann, vor allem Medikamente für Ältere, Diabetiker und Patienten mit Herzproblemen. Mit diesen Papieren kann sie nun Apotheken und Kliniken in Sachsen ansprechen. Als humanitäre Hilfe seien nach wie vor haltbare Nahrungsmittel, in Konserven oder eingeschweißt, Kleidung für Erwachsene und Hygieneartikel nötig. Unter ihrem Instagram-Account "mistybeasty" postet sie Fotos und Abläufe, um zu zeigen, wie und wo die Spenden hinkommen und dass sie alles weiterleitet.
Ich habe so viel Warmherzigkeit erlebt, so viel Zuspruch beim Spendensammeln von so vielen Nationalitäten. Im Grunde gab es nur eine Nationalität: Menschlichkeit. Dafür möchte ich allen von Herzen danken.
Alle Spenden zählen, auch die kleinen
In den vergangenen Wochen hätten viele Familien Spielzeug bei Yuliya abgegeben. Besonders berührend fand sie, dass Kinder Engel gebastelt und mit guten Wünschen bemalt hatten. "Es kamen auch Studenten, die für 20 oder 50 Euro Essen eingekauft hatten. Sie entschuldigten sich, dass es nur so wenig sei. Dabei ist auch das eine ganz große Hilfe, jede Spende zählt", betont die 34-Jährige.
Sie hofft, dass die Hilfsbereitschaft in Dresden noch lange nicht abebbt. "Die Ukraine wird noch sehr lange Hilfe brauchen", fürchtet Yuliya und fügt hinzu: "Solange es nötig ist, werde ich hier sein und sammeln". Der Platz in ihrer Wohnung wird nicht lange leer bleiben: Die Kita "Entdeckerland" aus Striesen will am Freitag zehn Kisten mit Kinderkleidung, Windeln und Babynahrung abgeben. "Wir wollen helfen und wissen, dass unsere Spenden durch Yuliyas Organisationsarbeit auch wirklich ankommen", sagt Kita-Leiterin Stefanie Pötschke MDR SACHSEN.
Anfragen gezielt erfüllen: Schutzwesten, Medikamente
Kisten gestapelt hat am zurückliegenden Wochenende auch Irina Fingerova in Dresden. Freiwillige haben einen Lkw beladen mit Medizin und 480 Schutzwesten der Kategorie 2 aus Beständen der Polizei in die Ukraine geschickt. Die Schutzwesten sollen Notärzte und Sanitäter des Militärhospitals Winnitsya bekommen. Die Arznei-Spenden werden über den Verein EuroMaidan Sachsen gesammelt, alles bürokratisch genehmigt von der Landesdirektion Sachsen, denn nicht jeder darf hierzulande Medikamente kaufen, lagern oder weiter verteilen.
"Für 60.000 Euro haben wir gezielt Medikamente gekauft, die in der Ukraine gebraucht werden", erzählt die 28 Jahre alte Ärztin und Autorin. Darunter waren auch Rettungsliegen, Notfallrucksäcke, Verbandszeug und Antibiotika. Kurz vor Abfahrt des Lkws mit Medikamenten am Wochenende hätten Dresdner dann noch 200 Snacks und Proteinpulver für Soldaten mitgegeben.
Jeder Kriegstag bedeutet Tod, Trauer von Menschen, die einem souveränen und friedlichen Land leben.
Allergrößter Wunsch: Frieden
Iryna Fingerova engagiert sich für das ukrainische Koordinationszentrum in Dresden, wo auch Spendengelder bei Demos und Veranstaltungen gesammelt wurden. Rund 70.000 Euro seien zudem schon für humanitäre Hilfe zusammengekommen, die an Kinderheime in der Ukraine gegeben wurden. In den ersten Tagen des Spendensammelns sei manches "chaotisch abgelaufen", erinnert sich die Ukrainerin. Mittlerweile kooperiert das Koordinationszentrum mit der Hilfsorganisation "Korporatsiya Monstriv - Monsters Inc." in Odessa, um auf konkrete Hilfsanfragen zu reagieren.
Fingerova hat festgestellt, dass nach der ersten Welle die Spendenbereitschaft mittlerweile etwas nachgelassen hat. "Irgendwie gewöhnen sich die Leute an den Krieg." Aber der Krieg solle möglichst sofort aufhören, ist ihr größter Wunsch. "Jeder Kriegstag bedeutet Tod, Trauer von Menschen, die in einem souveränen und friedlichen Land leben."
Tipp: Am Mittwoch, 5. Mai, um 17 Uhr liest Iryna Fingerova eigene Texte bei einer Spendenveranstaltung des Universitätsklinikums Dresden, Dekanatsgebäude, (Haus 40) | Fiedlerstraße 27 in Dresden.
MDR
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | SACHSENSPIEGEL | 02. Mai 2022 | 19:00 Uhr