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Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig wertet die Wiederaufnahme der russischen Gaslieferungen durch die Leitung Nord Stream 1 zwar als "positives Signal", mahnt aber gleichzeitig zur Vorsicht. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Sebastian Kahnert

ReaktionenRussland liefert wieder Gas: Energiebranche, Firmen und Wirtschaftsminister in Sachsen skeptisch

21. Juli 2022, 15:44 Uhr

Russland liefert nach einer routinemäßigen Wartung wieder Gas durch die Leitung Nordstream 1. Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig, der Gasimporteur VNG und die IHK Dresden warnen jedoch davor, sich in falscher Sicherheit zu wiegen. Die Situation könne sich kurzfristig ändern. Der Politikwissenschaftler und Energieexperte Frank Umbach spricht sich im Interview mit MDR SACHSEN für ein Preisultimatum für Gas aus, um zu verhindern, dass sich der Westen von Putin vorführen lässt.

Trotz der Wiederaufnahme der russischen Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 warnt Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) davor, sich in falscher Sicherheit zu wiegen. Egal, wie viel Gas fließe, wichtig sei, jetzt Energie zu sparen und sich mittelfristig unabhängiger von russischem Gas zu machen, sagte Dulig der Deutschen Presse-Agentur. Denn man wisse nicht, welche Strategie der russische Machthabe habe. Zudem betonte Dulig, dass Atomkraft das Energieproblem in Deutschland nicht lösen werde.

Wir wissen nicht, welche Strategie Putin nun hat. Er wird sicherlich ein Interesse daran haben, dass wir weiter in einer Krise bleiben. Deshalb kann man davon ausgehen, dass es schwankende Gaslieferungen geben wird.

Martin Dulig | sächsischer Wirtschaftsminister (SPD)

Gasimporteur VNG: Lage am Markt bleibt angespannt

Zurückhaltend äußerte sich der Gashandelskonzern VNG AG. Zwar werde es wahrscheinlicher, dass Deutschland ohne Gasmangellage durch den Winter kommen könnte, sagte eine Sprecherin in Leipzig. "Die Wahrscheinlichkeit einer Gasmangel-Lage im Winter ist aber neben den russischen Gaslieferungen auch stark vom Temperaturverlauf abhängig." Die Logik dahinter: Je kälter es im Herbst und Winter sei, desto mehr Gas werde für das Heizen verbraucht. Insgesamt bleibe die Lage am Markt angespannt, sagte die Sprecherin.

IHK Dresden: Dürfen jetzt keine Beruhigungspille schlucken

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Dresden bleibt nach den wieder angelaufenen Gaslieferungen aus Russland ebenfalls skeptisch. "Unmittelbar scheint die Gefahr massiver Verwerfungen für unsere Wirtschaft gebannt zu sein. Wir dürfen jetzt aber nicht den Fehler machen, eine Beruhigungspille zu schlucken", sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Lukas Rohleder am Donnerstag. Die Lage könne sich auch schnell wieder ändern: "Wir wissen es einfach nicht. Daher bleibt die Gefahr latent."

Energiekosten belasten Unternehmen

Laut Rohleder kommt es im Dienste der Versorgungssicherheit darauf an, alle verfügbaren Energiequellen zu erschließen. Dabei dürften bereits massiv gestiegene Kosten nicht außer Acht gelassen werden. "Unsere Betriebe werden das dauerhaft nicht schultern können, weshalb wir eine schnelle Bereitstellung von Liquiditätshilfen und Zuschüssen für besonders stark betroffene Unternehmen und eine Abschaffung beziehungsweise Reduzierung von Steuern und Abgaben auf Energie brauchen, um zumindest im innereuropäischen Wettbewerb nicht weiter ins Hintertreffen zu geraten."

IHK befürchtet Störungen bei Produktions- und Logistikketten

Die Unternehmen hätten "viele Hebel in Bewegung gesetzt, ihren Energieverbrauch zu optimieren", so der IHK-Chef. Die aktuelle Empfehlung der Politik zum Fuel Switch, also dem Umstieg auf andere Energieträger, komme ihm "wie ein vergifteter Rat vor". Angesichts langwieriger Bearbeitungszeiten und Genehmigungsverfahren sowie ungeklärter Haftungsfragen müsse man das leider so deutlich sagen. "Wir sehen uns einer möglichen Notsituation mit Auswirkungen gegenüber, die über Produktions- und Logistikketten nicht nur einzelne Betriebe oder Branchen betreffen würde, sondern die gesamte deutsche Wirtschaft mit ihren Beschäftigten."

Wieder Gaslieferungen über Nordstream-1-Leitung

Nach der zehntägigen routinemäßigen Wartung der Gaspipeline Nord Stream 1 ist am Donnerstagmorgen der Hochlauf der Gaslieferung durch die deutsch-russische Gaspipeline gestartet. Es fließe wieder Gas, sagte ein Sprecher der Nord Stream AG.

Der Politikwissenschaftler und Energieexperte Frank Umbach kritisierte im Gespräch mit MDR SACHSEN, dass Russlands Präsident Wladimir Putin die Gaslieferungen als Druckinstrument gegen den Westen nutze. Umbach verwies auf den Vorschlag der EU, Russland ein Preisultimatum anzubieten für eine bestimmte Menge Gas. So könne man das Spiel stärker selbst bestimmen, und müsse nicht jeden Morgen wie das Kaninchen auf die Schlange schauen, wieviel Gas geliefert werde oder auch nicht.

MDR (lam/sth)/Mina/dpa

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Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 21. Juli 2022 | 10:00 Uhr

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