Lina E.
Am Ende der Urteilsbegründung kam Lina E. vorerst auf freien Fuß. Sie muss Auflagen erfüllen und die Reststrafe erst absitzen, wenn das Urteil gegen sie rechtskräftig ist. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Oberlandesgericht Dresden Haftbefehl gegen Auflagen ausgesetzt: Lina E. kommt vorerst frei

31. Mai 2023, 20:45 Uhr

Großer Polizei- und Medienauflauf am Mittwochvormittag in Dresden zum Urteil gegen Lina E., die als linke Gewalttäterin fünf Jahre und drei Monate Gefängnisstrafe bekommt. Dann am Ende der zeitaufwändigen Urteilsbegründung am Abend die Nachricht: Der Haftbefehl wird gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.

Die als linke Gewalttäterin zu fünf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilte Lina E. kommt nach zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft vorerst frei. Der Haftbefehl gegen sie werde gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt, sagte der Vorsitzende Richter der Staatsschutzkammer am Oberlandesgericht Dresden, Hans Schlüter-Staats, am Mittwochabend zum Abschluss der Urteilsbegründung. Das Gericht ließ Revision zu.

Reststrafe erst bei rechtskräftigem Urteil verbüßen

Lina E. befand sich seit dem 5. November 2020 in Untersuchungshaft. Die Reststrafe von zwei Jahren und neun Monaten muss sie demnach erst verbüßen, wenn das Urteil rechtskräftig wird. Sie muss sich nun zweimal pro Woche bei der Polizei melden, darf den in der Akte vermerkten Wohnsitz nur mit Zustimmung des Gerichts wechseln und muss nach ihrem Reisepass auch ihren Personalausweis abgeben. Auch eine Rheuma-Erkrankung der Frau wurde beim Aussetzen des Haftbefehls berücksichtigt.

Mit Blick auf die seither verstrichene Zeit und die nunmehr verhängte Freiheitsstrafe, auf die die Untersuchungshaft anzurechnen sein wird, wurde der Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.

Oberlandesgericht Dresden aus dem Urteil vom 31. Mai 2023 – 4 St 2/21

Überraschung, Freude und Gejohle im Gerichtssaal

Das OLG hatte die Linksextremistin Lina E. wegen mehrerer Angriffe auf Rechtsextreme verurteilt. Die Entscheidung zum außer Vollzug gesetzten Haftbefehl löste vor allem bei der Mutter der 28 Jahre alten Studentin freudige Überraschung aus, die in frenetischem Beifall und Gejohle der Unterstützer um sie herum gipfelte. "Fünf Jahre und drei Monate ist für jemanden in ihrem Alter und auch sonst heftig und gravierend", hatte Schlüter-Staats einleitend zu der aus Kassel stammenden Frau gesagt. Die "größte Hypothek des Verfahrens ist der Status, den sie hier erlangt haben", bemerkte er noch persönlich.

Im Laufe des letzten Verhandlungstages der Hauptverhandlung hatte es immer wieder laute Proteste und Unmutsrufe von den rund 100 angereisten Anhängern der Angeklagten gegeben. Teilweise mussten Justizbeamte eingreifen. Wegen der Tumulte gab es zwischenzeitlich auch Unterbrechungen.

Nach dem Urteil befürchten Sicherheitsbehörden eine neue Welle der Gewalt: Die linke Szene hat zu Demos und Reaktionen nach dem Urteil gegen Lina E. und drei weitere Angeklagte aufgerufen. Leipzig rüstet sich für einen Großeinsatz der Polizei von Freitagabend bis Sonntag. Es soll spezielle Kontrollbereiche und den größten Polizeieinsatz seit zwei Jahren geben.

Verfassungsschutz rechnet mit vielen Demonstranten aus In- und Ausland

Der Präsident des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Dirk-Martin Christian, erwartet bei der für Sonnabend angekündigten Demo in Leipzig sehr viele Teilnehmer, die für Solidaritätsaktionen anreisen. Er sagte MDR aktuell: "Wir dürfen nicht vergessen, dass bereits seit zwei Jahren für diesen 'Tag X' mobilisiert wird."

Die Verfassungsschützer beobachten immer mehr gewaltbereite Linksextremisten. Deren Zahl sei 2022 auf 650 gestiegen. "Man muss das an den Linksautonomen bemessen. Das sind etwa 890, die wir in Sachsen haben. Davon sind 650 gewaltbereit. Das ist bisher Rekord", sagte Christian. Die Szene habe sich "deutlich radikalisiert" und sei "gewaltbereiter geworden". Es werde Gewalt gegen Menschen verübt. "Das ist auch ein Novum, dass es nicht mehr um Gebäude geht, sondern um Menschen - und zwar nicht nur um den politischen Gegner, sprich Rechtsextremisten oder auch vermeintliche Rechtsextremisten, sondern Repräsentanten des Staates bis hin zu Privatpersonen", kritisierte der Verfassungsschützer die autonom gewaltbereiten Linksextremisten.

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MDR (kk)/dpa/AFP

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 31. Mai 2023 | 21:00 Uhr

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