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HerbstumfrageGefahr und Chance: Der sächsische Mittelstand und die Energiekrise

12. Oktober 2022, 17:24 Uhr

Nach der Krise ist vor der Krise: Der sächsische Mittelstand hatte sich gerade von der Corona-Pandemie etwas erholt, da sinkt die Stimmungslage aufgrund der steigenden Energiepreise erneut in den Keller. Eine aktuelle Untersuchung der Creditreform Wirtschaftsforschung in Dresden zeigt die Rezessions-Ängste der Unternehmen auf.

Die stark gestiegenen Energiepreise verschlechtern die Stimmung im sächsischen Mittelstand rapide. Der Geschäftsklimaindex rutschte nach einer Umfrage der Wirtschaftsauskunftei Creditreform von plus 13,3 Punkten im Vorjahr auf aktuell minus 0,6 Punkte. Damit bewerteten die sächsischen Unternehmer die Geschäftslage und die -erwartungen aktuell negativer als der Bundesdurchschnitt, wo der entsprechende Indexwert von 25,2 auf 3,1 Punkte einknickte.

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Der Mittelstand befinde sich seit fast drei Jahren in einer Ausnahmesituation bisher ungekannten Ausmaßes, sagte der Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, Patrik-Ludwig Hantzsch. "Die Eskalationsspirale in Osteuropa verhindert die notwendige Erholung der deutschen Unternehmen nach der Corona-Zeit." Dabei habe der Energienotstand noch nicht voll auf die Geschäftslage der Firmen durchgeschlagen. Befragt wurden gut 1.200 kleinere und mittlere Unternehmen in ganz Deutschland.

Die Eskalationsspirale in Osteuropa verhindert die notwendige Erholung der deutschen Unternehmen nach der Corona-Zeit.

Patrik-Ludwig Hantzsch | Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung

Zeichen des Abschwungs schon sichtbar

In Sachsen verzeichneten aber bereits jetzt viele Unternehmen Anzeichen eines Konjunkturabschwungs. So meldeten 21,4 Prozent der Befragten einen rückläufigen Auftragsbestand, im Vorjahr waren dies noch 17,4 Prozent. Ein Plus bei den Aufträgen konnten der Umfrage zufolge noch 17,5 Prozent der Befragten erzielen (Vorjahr: 26,8 Prozent).

Die Umsatzentwicklung der letzten Monate sei aber noch einmal zufriedenstellend gewesen. 30,1 Prozent der Unternehmen verbuchten danach Umsatzsteigerungen, Umsatzeinbußen verzeichneten 15,5 Prozent der Befragten. Die weitere Entwicklung beurteilten die sächsischen Unternehmen eher pessimistisch.

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Immerhin gut 24 Prozent rechnen laut Umfrage trotz der Krise mit steigenden Umsätzen. Nach Einschätzung der Wirtschaftsforscher sei dies nur deshalb möglich, weil sich die Preise erhöhten. 72,8 Prozent der befragten Unternehmen im Freistaat würden ihre Preise anheben.

Eigenkapitalquoten in Sachsen überdurchschnittlich

Die sächsischen Unternehmen waren vor der Corona-Krise bundesweit Spitzenreiter bei der Versorgung mit eigenem Kapital. Jetzt verfügt der Erhebung von Creditfeform zufolge noch etwa ein Drittel der sächsischen Unternehmen (33,0 Prozent) über eine solide Eigenkapitalquote von über 30 Prozent. 17,5 Prozent der befragten Unternehmen seien allerdings als eigenkapitalschwach anzusehen. Im Vorjahr sei dieser Anteil deutlich höher gewesen.

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Gerade schwache Unternehmen versuchten noch Eigenkapital zuzusetzen, sagte der Geschäftsführer von Creditreform Dresden, Andreas Aumüller. "Aktuell ist die Unternehmensfinanzierung im Mittelstand stark bedroht." Die Finanzierung über eigene Erträge der Unternehmen funktioniere bei den Kostenexplosionen für Energie und Materialien immer weniger. Zudem hätten sich die Konditionen für Fremdfinanzierung durch die Zinswende verschärft.

Aktuell ist die Unternehmensfinanzierung im Mittelstand stark bedroht.

Andreas Aumüller | Geschäftsführer von Creditreform Dresden

Zahlungsmoral der Unternehmen sinkt

Wegen der steigenden Energiekosten sinkt auch die Zahlungsmoral. Die hohen Kosten sorgten dafür, dass Unternehmen ihre Rechnungen verspätet oder gar nicht bezahlen, sagte Creditreform-Wirtschaftsforscher Hantzsch. Demnach waren zuletzt bundesweit mehr als 2,1 Millionen Rechnungen überfällig beglichen worden, rund 280.000 Unternehmen zahlten deutlich verspätet.

Besonders betroffen ist laut Creditreform die Baubranche. Den Zahlen zufolge werden dort derzeit mehr als 350.000 Rechnungen überfällig bezahlt, etwa 70.000 Unternehmen zahlten deutlich verspätet. Neben der Baubranche leiden auch der Einzelhandel, die Chemie- und Kunststoffbranche sowie die Elektroindustrie unter der schlechten Zahlungsmoral von Kunden.

Insolvenzwelle zunächst nicht befürchtet

Die Experten bei der Auskunftei gehen davon aus, dass es im ersten Quartal 2023 einen starken Anstieg der Insolvenzen in Deutschland geben wird. Von einer Pleitewelle zu sprechen, sei aber noch zu früh, sagte Creditreform-Prokurist Thomas Schulz. Die Zahl der Unternehmens-Insolvenzen sei in Sachsen in den vergangenen Jahren sehr niedrig gewesen. Zudem biete eine Insolvenz auch die Chance, das eigene Geschäftsmodell zu überdenken, wenn es nicht mehr funktioniere. "Der Staat kann nicht alle Unternehmen am Leben halten," so Schulz.

MDR (kbe)