Freie Szene Dresdner Musikern fehlt bezahlbarer Proberaum

04. September 2022, 18:00 Uhr

Die gestiegenen Energiepreise wirken sich auch auf die Kunst- und Kreativ-Szene aus. In Dresden etwa fragen sich derzeit viele freischaffende Künstler: wo lässt sich proben, tröten, trommeln, wenn die Miete für den Proberaum nicht mehr bezahlbar ist? Was schon länger ein Problem ist, scheint angesichts der Energiekrise noch prekärer zu werden.

Es ist Anfang August, als Katharina Lattke an der Tür ihres Proberaums einen Zettel findet. Ein Schreiben des Vermieters: Ab September werde die Miete erhöht, von zehn Euro auf zwölf Euro pro Quadratmeter, Grund seien die gestiegenen Betriebskosten. Katharina Lattke ist freiberufliche Schlagzeugerin, sie probt und unterrichtet in einem Mehrparteienhaus in Dresden-Friedrichstadt.

Ab vom Schuss, eine gute Location zum Lautsein – und dennoch nicht die allerbesten Arbeitsbedingungen: "Ich miete seit ein paar Jahren diesen Raum hier, 17 Quadratmeter, unsaniert", erzählt sie. "Und wenn man mal mehr als eine Steckdose nutzt, fliegen gleich die Sicherungen raus."

Kaum Alternativen für bezahlbaren Kreativraum

Doch Katharina ist auf den Raum hier angewiesen, denn sie weiß: einen besseren findet sie nicht. "Es gibt keine Alternativen für bezahlbaren Kreativraum", so die Schlagzeugerin. "Wenn man sich anschaut, dass in den letzten Jahren in Dresden mehrere Proberaum-Komplexe weggentrifiziert wurden, sei es am Flughafen oder auf der Könneritzstraße, dann sind wir freischaffenden KünstlerInnen solchen Mietpreiserhöhungen ziemlich ausgeliefert."

Katharina und hunderte andere Dresdner Künstlerinnen und Künstler brauchen einen solchen Raum zum Arbeiten, Proben, Unterrichten – um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Genau wie Eduardo Mota, ein gebürtiger Brasilianer, der sich ein Stockwerk tiefer ein ganzes Tonstudio eingerichtet hat.

Lange Suche nach Proberäumen

Auch er muss die Mietpreiserhöhung in Kauf nehmen, denn: "Ich lebe von diesem Raum. Für manche Projekte muss ich schon mal zwei, drei Tage am Stück Repertoire einstudieren, das geht nur hier", sagt er. Ein Umzug wäre schwierig, da er bereits viel investiert habe. "Nochmal alles neu zu bauen, wäre zu aufwändig."

Eduardo, ebenfalls professioneller Schlagzeuger, hat nach seinem Studium an der Dresdner Hochschule für Musik lange nach einem Proberaum gesucht. Ähnlich ging es Lucca Miró Heymel-Münzner, der zwei Jahre lang einen bezahlbaren Raum für seine Band suchte, und schließlich in einem Industriegebiet im Dresdner Norden fündig wurde: Fünf Euro pro Quadratmeter, das war machbar für ihn und die Band.

Großbrand zerstört rund 80 Proberäume in Dresden

Doch bald war wieder Schluss: bei einem Großbrand Ende Juni wurden in dem Gebäude gut 80 Proberäume zerstört. Seitdem setzt sich Lucca zusammen mit dem Verein KulturKollektiv e.V. für den Wiederaufbau ein. "Durch den Brand haben wir gemerkt, und zum Glück auch viele andere, dass die Not in Dresden viel größer ist als bloß die Not der Leute, die hier betroffen sind", erzählt er. "Wir schätzen, dass rund 600 Räume für die Dresdner Kreativszene fehlen."

Wir schätzen, dass rund 600 Räume für die Dresdner Kreativszene fehlen.

Lucca Miró Heymel-Münzner KulturKollektiv e.V. Dresden

Stadt Dresden will mehr Räume für Kreative schaffen

Mit diesen Zahlen haben die Musiker die Stadtverwaltung konfrontiert. Dort kennt man das Problem seit langem – und will handeln, so Stadtsprecher Kai Schulz. "Wir haben natürlich auch den Brand zum Anlass genommen, zu schauen: wie können wir der Szene unter die Arme greifen, wo gibt es potentielle Standorte?", sagt er. Es sei gemeinsam mit Musikern eine Liste von möglichen Objekten erstellt worden. "Da hat man geguckt, welche Objekte gehören der Stadt, welche gehören anderen Besitzern", so Schulz. "Und wir sind jetzt dabei, diese Objekte zu prüfen."

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Verwaltungsgebäude der ehemaligen Staatsoperette wird auf Umbau geprüft

Geeignet sei das Verwaltungsgebäude der ehemaligen Staatsoperette in Dresden-Leuben: hier ließen sich an die 40 Räume schaffen. Doch zuerst muss der Stadtrat darüber entscheiden, ob die Umbaumaßnahme noch in diesem Herbst genehmigt wird. Wenn ja, könne man frühestens Anfang nächsten Jahres mit dem Umbau beginnen.

In dem vom Brand zerstörten Gebäude im Dresdner Norden sollen ab Ende dieses Jahres wieder Proben möglich sein, bis dahin würden städtische Fördergelder über existenzielle Nöte hinweghelfen. "Insofern ist die akute Not auch erstmal abgewendet worden", sagt Schulz. "Aber wir müssen tatsächlich für die Freie Szene eine Perspektive entwickeln."

Mit Mietpreiserhöhungen wie im Fall von Katharina und Eduardo sei überall zu rechnen, dagegen könne auch die Stadt nichts tun, so Schulz. Aber immerhin: beide Seiten sind im Gespräch miteinander – und das ist wohl mehr als notwendig, wenn Dresden weiterhin von einer lebendigen und vielfältigen Kulturlandschaft profitieren will.

MDR (ali)

1 Kommentar

O.B. am 05.09.2022

Heile Welt in Dresden! Wenn das hier Dresdner vor Probleme stellt scheint alles in Butter 👍

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