Wählerstimmen Was die Dresdner vom neuen OB erwarten: Mehr Mut und Offenheit

11. Juli 2022, 05:00 Uhr

Nach dem Sieg im zweiten Wahlgang feierte Dirk Hilbert mit seinen Unterstützern auf Schloss Eckberg bei Barbecue und Bier den Wahlerfolg. MDR SACHSEN hörte sich derweil unten am Elberadweg und in Dresden-Neustadt um, wie die Menschen den Wahlausgang sehen und was sie jetzt erwarten.

Friedemann Weidner, Rentner: "Ich hatte mir ein anderes Ergebnis vorgestellt und bin enttäuscht. Manche Dinge liegen in Dresden im Argen. Die fallen auch weitgereisten Gästen auf. Nehmen wir den Elberadweg: Nirgendwo gibt es Toilletten am Wegrand. Das hatten andere Parteien im Wahlprogramm drin. Oder das Wohnungsproblem. In der Stadt ist das hausgemacht wegen des Verkaufs der Genossenschaftswohnungen. Wohnen war bei uns mal günstiger als im Westen. Mit dem Immobilienkonzern über bezahlbares Wohnen nur zu sprechen, bringt gar nichts. Da muss man handeln."

Gisa Dittmann, Dresdnerin: "Über das Ergebnis bin ich schon eher froh. Während der Corona-Zeit hat Herr Hilbert Dinge gesagt, die ich als Bürgerin nachvollziehen konnte. Ich wünsche mir, dass Fahrräder künftig mehr Platz in der Stadt bekommen und dass das Sachsenbad renoviert wird."

Ich bin zufrieden, wie es in Dresden läuft. Ich liebe unseren Nahverkehr, aber nicht den Preis dafür. Die Preise müssten billiger sein, wenn es kein 9-Euro-Ticket mehr gibt.

Max Mammitzsch 21 Jahre alter Einzelhandelskaufmann

Anja Rudolph, Sozialpädagogin: Ganz ehrlich: Ich habe Angst vor weiteren sieben Jahren Stillstand in meiner Heimatstadt. Alles geht so langsam und behäbig. Ich hatte Hoffnung, dass sich etwas verbessert, aber jetzt bin ich enttäuscht. Ich bin Sozialarbeiterin und erlebe, dass wir alle zwei Jahre neu um Projekte kämpfen müssen, immer, wenn der nächste Stadthaushalt beschlossen wird. Man wird darüber müde. Wir leben ja nicht mehr in den 1990ern! Progressivität ist keine Spezialität der Dresdner. Man erträgt lieber, dass nichts passiert, als Veränderung zu wagen. Den Wahlkampf fand ich sehr polarisierend und zugespitzt. Das Wohnen und der Brand im Sektor waren große Themen, weil so viele Bands und Kulturschaffende nun kein Zuhause mehr haben. Da wurde auch deutlich, wie beschränkt die Stadt ist und keinerlei Ausweichmöglichkeit anbieten kann."

Progressivität ist keine Spezialität der Dresdner. Man erträgt lieber, dass nichts passiert, als Veränderung zu wagen.

Anja Rudolph 46 Jahre alte Dresdnerin

Can Turgutalp, Student: "Ich bin zufrieden, habe Hilbert gewählt. Ich hatte Angst, dass die AfD viele Stimmen erhält. Mit den Grünen kann ich mich nicht anfreunden, ich liebe mein Auto, finde FDP und CDU gut und hoffe, dass die Straßen besser werden. Ich fahre auch Fahrrad, da sollten auch die Radwege ausgebaut werden. Und ich möchte, dass die Neustadt für kulturellen Austausch und das Nachtleben erhalten bleibt. Ich komme ursprünglich aus München. Da gibt es keine Spätis und nicht so einen guten Nahverkehr. Leider ist Dresden nicht so international. Man hört nie Englisch auf den Straßen. Mehr Internationalität wäre gut."

Mir ist wichtig, dass der Pirnaische Platz wieder so aufgebaut wird, wie er vor dem Zweiten Weltkrieg aussah. Der Nachbau der Altstadt wie früher wäre wichtig.

Can Turgutalp 20 Jahre alter Student in Dresden

Sarah Junghans: "Dresden braucht mehr Mut, damit mehr Leute herziehen wollen. Die Stadt müsste mal irgendwo die erste sein, die, die vorangeht und Zeichen setzt, dass Leute sagen, cool! Seit Jahren reden wir über die autofreie Neustadt. Nicht mal eine Projektwoche klappt dazu. Was ist mit Klimaschutz, mit einem Fahrradhighway, begrünten Häusern? Das kenne ich aus London, warum nicht auch in Dresden?"

Dresden braucht mehr Mut, damit mehr Leute herziehen wollen.

Gisela Baum, Mittfünfzigerin: "Hilbert als OB ist besser als die Grünen. Das Wichtigste für Dresden ist, dass es neue Firmenansiedlungen gibt, Straßenausbau und Diskussionen nicht ausufern. Und Hilfe für Vereine. Sie sind sich selber überlassen, da wäre es gut, wenn sie unterstützt werden."

Johannes Hacker, Dresdner: "Ich bedauere das Wahlergebnis. Als Fahrradfahrer wünsche ich mir eine höhere Priorität des Fahrrades in der Stadt. Die Bevorzugung des Autos in Dresden ist nicht mehr zeitgemäß. Ich wünschte, es gebe in der Stadt etwas, worauf man stolz sein könnte, dass Dresden vorangeht, zum Beispiel beim Klimaschutz oder beim Zusammenhalt."

MDR (kk)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | SACHSENSPIEGEL | 11. Juli 2022 | 19:00 Uhr

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