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Sie leiten den Verlag Voland & Quist v.l.n.r.: Anna Jung, Ilka Winkler und Leif Greinus. Bildrechte: Nils Kahlefendt

JubiläumMutig und Unangepasst: Verlag Voland & Quist wird 20 Jahre alt

15. Oktober 2024, 15:35 Uhr

Der unabhängige Verlag Voland & Quist feiert seinen 20. Geburtstag. Das Haus steht für mutige Literatur und Lyrik. Gegründet wurde der Verlag in Dresden, Ausgangspunkt war eine Seminararbeit. Trotz der harten Zeiten für Independent-Verlage behauptet sich Voland & Quist in der Branche – auch weil sie keine zu großen Auflagen erzielen müssen, um wirtschaftlich zu bleiben.

Anfang der Nullerjahre brüten Leif Greinus und Sebastian Wolter, Studenten an der Leipziger Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur, über einer Seminararbeit. Es geht um eine Controlling-Fallstudie zur Gründung eines Verlags. Aber wie soll das Kind heißen? Die Studenten entscheiden sich für zwei Buch-Charaktere: Der diabolische Voland aus Michail Bulgakows "Meister und Margarita" leiht seinen Namen sowie der chaotische Onno Quist aus Harry Mulischs "Die Entdeckung des Himmels". Deshalb: Voland & Quist.

In ihrer Arbeit kommen Greinus und Wolter schließlich zum Ergebnis, dass sich eine Verlagsgründung nicht rechnet. Als sie 2004 Voland & Quist schließlich gründen, haben sie den Namen behalten, aber die Studie offensichtlich vergessen. Heute steht der Verlag für mutige Literatur, die in keine Schubladen passt. In einer Zeit, in der den Independents der Wind kräftig entgegenbläst, feiert der Verlag, der neuerdings unter dem Kürzel VQ labelt, seinen 20. Geburtstag.

Bescheidene Anfänge zwischen Dresden und Berlin

Am Anfang waren Voland & Quist nur ein paar Aktenordner in der Dresdner Wohnung von Leif Greinus. Reisen in die Hauptstadt, zu Buchhandlungen, Journalisten und Autoren gehörten von Anfang an dazu. 2018 bezog Voland & Quist das erste Büro in Berlin-Schöneberg. Inzwischen residiert der Verlag ganz um die Ecke nur drei Minuten entfernt.

Das Verlagsteam von Voland & Quist. Bildrechte: Verlag Voland & Quist

Für den Verleger Leif Greinus bedeutet das ein Leben im Transit: "Die ideale Woche ist, dass ich Montag im Home-Office bin. Abends im Dresden Fußball spiele. Und Dienstag früh in den Zug steige – und dann hier mit meinen Kolleginnen im Büro bin." Er pendele immer zwischen Verlag und Familie, zwischen Berlin und Dresden.

Greinus, der auf dem Bolzplatz druchaus mal die Blutgrätsche ziehe, sieht sich im Verlag als Teamplayer. Zur Führungsriege gehört auch Ilka Winkler, die – ganz klassisch – über Praktikum und Volontariat aufstieg und sich heute um Vertrieb und Lizenzen kümmert.

Scharfer Blick auf Südosteuropa

Dazu dockte vor zwei Jahren die Salzburger Verlegertochter Anna Jung als Programm- und Pressechefin an. Dass der Verlags-Blick zunächst in Richtung Ost- und Südosteuropa ging, erklärt Leif Greinus mit der Herkunft der Gründer. Man war so auf die Umbrüche in der DDR fixiert, dass die erdrutschartigen Veränderungen im Osten Europas völlig aus dem Blick gerieten.

Eines der Werke im Programm des Verlags: Das Leben: Es lebe! von Edo Popović. Bildrechte: Verlag Voland & Quist

Ein Autor wie der Kroate Edo Popović sei da auch als Typ interessant gewesen, sagt Leif Greinus: "Der hat in Kneipen gelesen, oder in irgendwelchen Diskotheken, hat ordentlich getrunken." Ein "wilder Hallodri", der für Greinus gut zum Image des Verlags gepasst habe. "Also schon irgendwie doch eher Rock 'n' Roll als die Klassik."

Eher Rock 'n' Roll als die Klassik.

Leif Greinus, Verlagsgründer

2020 kam dann die von Helge Pfannenschmidt gegründete Edition Azur unter das Dach des Verlages – für Verleger Leif Greinus eine "glückliche Fügung", "weil wir wirklich noch mal Bücher machen können, die bisher so nicht bei uns reingepasst haben, die aber unheimlich wichtig sind." Sie werden über die Edition Azur veröffentlicht, die nun jedoch zu Voland & Quist gehört.

Mit mutiger Lyrik Geld verdienen

Auch Lyrik wurde für Voland & Quist zum ökonomischen Erfolg, dank der Beiträge von Autoren wie dem Schweizer Ralph Tharayil oder Carl-Christian Elze. Letzterer brachte den Verlag erstmals auf die Longlist zum Deutschen Buchpreis. "Nachwasser", das Lyrik-Debüt der Open-Mike-Finalistin Frieda Paris, ist das meistrezensierte Buch der Saison.

Dem Leipziger Carl-Christian Elze verdankt der Verlag eine Nominierung für den Deutschen Buchpreis. Bildrechte: Sascha Kokot

"Ich glaube, das hat stark mit der Sprache zu tun. Gerne hart, mit Witz. Mit völlig bisher Ungelesenem." so beschreibt Programmchefin Anna Jung eine Art Markenkern des Verlags. "Aufregung. Gerne an den Rand gehend, gerne Grenzen überschreitend. [...] Einfach so, dass man sich denkt: Das trauen sich andere vielleicht nicht." 

Harte Zeiten für einen Independent-Verlag

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für unabhängige Verlage sind derzeit alles andere als rosig. Verlagsgründer Leif Greinus ist dennoch ins Gelingen verliebt: Die Nominierungen für den Deutschen und den Berliner Verlagspreis geben ihm recht.

Voland & Quist ist dabei so etwas wie ein wendiges Schnellboot zwischen den großen Verlags-Tankern, sagt Leif Greinus: "Also, wenn ich höre, bei Bastei Lübbe müssen es eben mindestens 8.000 Bücher sein, von einem Buch, die verkauft sein müssen, um die Verlags-Gemeinkosten zu decken. Davon sind wir weit entfernt. Also, bei uns ist es ab 2.000 verkauften Exemplaren solide."

Das trauen sich andere vielleicht nicht.

Anna Jung, Programmchefin Voland & Quist

So lange Greinus die Strecke Berlin – Dresden im Speisewagen der Tschechischen Staatsbahn reisen kann, ist die Arbeit fast schon vergnügungssteuerpflichtig. Pawel, der Kellner, sei ein Fan von Jaroslav Rudiš und seiner Schöpfung – dem berühmtesten tschechischen Eisenbahner – Alois Nebel. Dampfende Knödel, ein Budweiser und ein neues Manuskript, schwärmt Leif Greinus: Fast ein bisschen wie Kino. 

Neuauflage eines Jahrhundert-Romans

Zum 20. Geburtstag beschenkt sich Voland & Quist übrigens mit einer Wiederauflage von "Der schwarze Magier". Dabei handelt es sich um die Urfassungen von "Der Meister und Margarita", die Michail Bulgakow und seine Frau Jelena über zwölf Jahre geschrieben haben – und dessen diabolischer Charakter Voland einen Teil des Namens von Voland & Quist lieferte.

Redaktionelle Bearbeitung: tis

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 15. Oktober 2024 | 12:30 Uhr