Energiekrise Sächsische Unternehmer stellen Wirtschaftsminister Habeck zur Rede

01. November 2022, 18:55 Uhr

Am Dienstag ist Vize-Bundeskanzler Robert Habeck als Gast der sächsischen Regierung nach Dresden gefahren. Neben viel Politik kam es zu Gesprächen mit sächsischen Unternehmern und Unternehmerinnen. Dabei herrschten deren Sorgen um die Zukunft ihrer Firmen angesichts von Inflation und Energiekrise vor.

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Die Sorgen um die Zukunft sind in vielen sächsischen Unternehmen groß. Am Dienstag war Vize-Kanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nach Dresden gekommen. Am Rand der sächsischen Kabinettssitzung, bei der er Gast war, konnten eingeladene Unternehmer und Unternehmerinnen mit Habeck ins Gespräch kommen. Dabei ging es vor allem um Wirtschaftspolitik im Angesicht der Energiekrise. Es wurde ein echtes Krisengespräch, wie MDR SACHSEN von eingeladenen Gästen erfahren hat.

Habeck besucht Chemiestandort

Die Firma Wacker Chemie in Nünchritz (Landkreis Meißen) ist nach eigenen Aussagen der größte Chemiearbeitgeber in Sachsen. Seit dem Jahr 1998 habe sich die Zahl der Beschäftigten von 759 auf 1.500 Mitarbeitende nahezu verdoppelt, heißt es auf der Internetseite des Unternehmens. Nach seinem Gespräch in der Staatskanzlei hat Vize-Kanzler Habeck das Werk in Nünchritz besucht. Dabei erfuhr er von den aktuellen Sorgen in dem Industriebetrieb.

Werkleiterin Dr. Jutta Matreux sagte MDR SACHSEN, dass es in den Gesprächen vor allem um "global wettbewerbsfähige Energiepreise für die energieintensive Industrie geht, um langfristig Arbeitsplätze zu erhalten". Das sei in den vergangenen Wochen nicht der Fall gewesen. Gleichzeitig habe man mit Habeck diskutiert, wie man das mit einer Transformation hin zu fossilfreien Energien verbinden könne. Auf die Frage von MDR SACHSEN, wie sicher die Arbeitsplätze bei Wacker Chemie seien, antwortet die Werkleiterin: "Wir können nicht in die Glaskugel schauen."

Handwerkskammerpräsident drängt auf schnellen Gaspreisdeckel

So hat Jörg Dittrich, Präsident der Handwerkskammer Dresden, Habeck "die drastische Krisensituation im Handwerk" geschildert. Gleichzeitig habe er "umgehende Lösungen für kleine und mittlere Betriebe" angemahnt, sagte Dittrich in einer von der Handwerkskammer verbreiteten Erklärung.

In Bezug auf den vorgeschlagenen Gaspreisdeckel hat der Präsident der Handwerkskammer Dresden den bestehenden Zeitdruck hervorgehoben: "Für das Handwerk muss der Deckel so schnell wie möglich greifen und nicht erst ab März 2023. Andernfalls müssen Unternehmer für den Zeitraum von Januar bis März eine alternative Entschädigung erhalten", forderte Dittrich. Gleichzeitig forderte er mit Blick auf die hohen Strompreise ein "Energiesicherheitskonzept", um strategische Weichen zu stellen, "wie, wann und wo wir in Zukunft Energie erzeugen oder beziehen."

Dr. Jörg Dittrich, Präsident Handwerkskammer Dresden, Dachdecker und Hochbauingenieur.
Dr. Jörg Dittrich sprach als Präsident der Handwerkskammer Dresden mit Vize-Kanzler Habeck über die Sorgen im Handwerk. Die kennt der Dachdeckermeister auch aus der Praxis. Bildrechte: HWK

Wir haben das Gefühl, dass es derzeit vor allem um die Gaspreise für die Industrie geht. Das Handwerk und die kleinen und mittleren Betriebe fallen dabei unten durch.

Heiko Schneider Friseurunternehmer aus Hoyerswerda

Steuern runter, dann klappt's auch mit den kleinen Unternehmern

Der Friseurunternehmer Heiko Schneider aus Hoyerswerda kämpfte bei Habeck gleich für mehrere Anliegen seiner Branche wie eine niedrigere Umsatzsteuer und mehr Unterstützung für ausbildende Betriebe. Rund 70.000 Stimmen hätten er und Mitstreiter bundesweit gesammelt für die Initiative "Friseure brauchen Zukunft".

Laut Schneider sei es in seiner Branche bundesweit zu einem unfairen Wettbewerb gekommen zwischen großen Salons und umsatzsteuerbefreiten Kleinunternehmen, die fast die Hälfte der 80.000 Friseurbetriebe ausmachten. "Wir haben das Gefühl, dass es derzeit vor allem um die Gaspreise für die Industrie geht. Das Handwerk und die kleinen und mittleren Betriebe fallen dabei unten durch", schilderte der Inhaber eines Friseursalons und einer Digitalagentur mit insgesamt rund 40 Mitarbeitenden gegenüber MDR SACHSEN die Stimmung in der Staatskanzlei.

"Meine Mitarbeiter haben insgesamt mehr als 50 Kinder. Auch denen gegenüber haben wir Verantwortung. Damit der Nachwuchs im Handwerk hier in der Region bleibt, dürfen nicht nur Fördergelder fließen. Wir müssen uns aus eigener Kraft sanieren können, deshalb die Forderung nach einer Reduzierung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent", forderte Schneider.

Lieferkettenprobleme müssen gelöst werden

Beruflich zieht es Lidiya Ulbrich-Wagner, Geschäftsführerin der Dresdner Firma Die Industriekletterer GmbH, in die Höhe. In der Staatskanzlei habe sie auf Augenhöhe mit dem Vize-Kanzler sprechen können. "Ich denke, dass dabei der Frust bei vielen Unternehmern hochgestiegen ist", schildert sie MDR SACHSEN. Man habe sich dort "alle Sorgen von der Seele reden" können.

Ihre größten Sorgen sieht Ulbrich-Wagner aktuell in gestörten Lieferketten für Schutzausrüstungen, über deren Anschaffung sie auch andere Firmen berät. "Derzeit können wir nicht gewähren, dass Firmen pünktlich ihre Ausrüstung bekommen", berichtet sie. Oft fehlten nur Kleinteile aus Metall wie Karabinerhaken. "Wir brauchen alle ein Stück weit mehr an Sicherheit", bekräftigte die Unternehmerin auch bei Habeck.

Übernahmegarantie für Lehrlinge gegen Fachkräftemangel

Auf dem Herzen lag Ulbrich-Wagner auch das Thema Flüchtlingspolitik, die sie jahrelang unterstützt habe. "Statt Waffen an die Ukraine zu liefern, müssen wir jetzt zuerst die eigene Wirtschaft retten, das muss die Bundesregierung verstehen", sagt die gelernte Industriekauffrau. Dazu müsse die Politik auch mehr und schneller in die Ausbildung vor Ort investieren, "bevor man andere Wege sucht, beispielsweise über Zuwanderung und die langwierige Anerkennung ausländischer Diplome."

So bräuchten mehr Auszubildende eine Übernahmegarantie angesichts des Fachkräftemangels. Sorgen bereite ihr auch, dass "viele gut ausgebildete Menschen ins Ausland gingen, weil sie hier keine Perspektive sehen", sagte die auch als IHK-Prüferin tätige Unternehmerin MDR SACHSEN.

Wir sind in einer Situation, in der alles passieren kann.

Robert Habeck Bundesminister für Wirtschaft und Klima

Habeck: Gibt keine absolute Sicherheit in einer "Welt der Turbulenzen"

Vize-Kanzler Habeck betonte nach den Gesprächen, dass er in der Energieversorgung für den Winter Deutschland "erst einmal auf einem guten Weg" sähe. Die Gasspeicher seien inzwischen zu nahezu 100 Prozent gefüllt, obwohl Deutschland kein russisches Gas mehr beziehe. Dem von Firmen und aus der Politik häufig geäußerten Wunsch nach Planungssicherheit konnte Habeck jedoch in Dresden nicht sofort abhelfen.

Es gibt laut Habeck keine Garantie der sicheren Energieversorgung. "Wir sind in einer Situation, in der alles passieren kann“, sagte der Vize-Kanzler mit Blick auf den anhaltenden Krieg in der Ukraine. Es könne in dieser Zeit gar nichts ausgeschlossen werden. In einer "Welt in Turbulenzen" gebe es keine absolute Sicherheit.

MDR (wim)/dpa/epd

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | SACHSENSPIEGEL | 01. November 2022 | 19:00 Uhr

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