Kunstgeschichte im Dom "Auf keinen Fall Kuhmaulschuhe": Klartext zu Luther-Schuhen in Meißen
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Der Dom zu Meißen ist nicht nur architektonisch beeindruckend. Er beherbergt auch viele Kunstwerke - auch mehrere Gemälde aus den Cranach-Werkstätten in Wittenberg. Während einer Reportage in den Sommerferien 2021 habe ich mich verwundert über die Schnabelschuhe auf zwei dieser Gemälde amüsiert. Das wollte Restaurator und Experte Peter Vohland nicht auf den Kunstwerken sitzen lassen und hat nun zum Ortstermin in den Dom eingeladen..

2021 habe ich an dieser Stelle über den Aufstieg auf die Türme des Doms zu Meißen berichtet und mich über zwei Gemälde im Dom gewundert. Speziell ging es um zwei Cranach-Bilder, die die Reformatoren Martin Luther und Philipp Melanchthon überlebensgroß zeigen. "Was um Himmels willen ist mit deren Schuhen passiert? Sind sie nicht fertig gemalt worden", fragte ich mich damals. Eine Gästeführerin erzählte, dass die Schuhe vor rund 450 Jahren in der Cranach-Werkstatt in Wittenberg von Schülern mit Schablonen gemalt wurden.
Feinstes Leder, geschnürt, mit Sohle
Über meine Schmunzelei hatte sich Restaurator Peter Vohland geärgert. Der Experte arbeitet seit mehr als vier Jahrzehnten im und für den Dom und nahm sich 2021 fest vor: "Wenn ich die Cranach-Bilder das nächste Mal warte, zeige ich, wie schön die Schuhe tatsächlich sind."
Bis kurz vor Karfreitag hatte Vohland - wie jedes Jahr einmal vor Saisonbeginn - das Kunstgut im Dom überprüft und vorsichtig gesäubert. Dabei nahm er auch die beiden Cranach-Gemälde unter Lupe und Reinigungspinsel.
Sehen Sie, diese Schuhe sind schmal und auch aus feinstem, hellem Leder mit Sohle.
Wenn man den Bildern vom Baugerüst aus ganz nah kommt, "sieht man, dass Melanchthon feine, weiche Wildlederschuhe trägt, die gebunden sind und eine kleine Sohle haben", erklärt Vohland. Und Luther habe auch auf gar keinen Fall "Kuhmaulschuhe" an, die viele Landsknechte vor 500 Jahren trugen. "Die wären ja vorne breit", argumentiert Vohland und verweist auf Luthers Füße vor sich. "Sehen Sie, diese Schuhe sind schmal und auch aus feinstem, hellem Leder mit Sohle."
Kleider machen Leute
Das Besondere an den beiden Darstellungen seien aber nicht die Schuhe, sondern die Gewänder und Charakterköpfe. "Beide Männer tragen keine kirchlichen Gewänder, sondern die von Gelehrten." Zudem seien die beiden von Cranach überlebensgroß als Ganzkörperporträt dargestellt worden. "So etwas gab es damals für Bürgerliche eigentlich nicht", sagt Peter Vohland.
Massenproduktion vor 500 Jahren
In der Künstlerwerkstatt von Lucas Cranach dem Älteren (um 1472-1553) in Wittenberg wurden in der Reformationszeit mehrere hundert Luther-Bilder hergestellt, sein Sohn, Lucas Cranach der Jüngere, führte die Arbeit weiter. "Jede protestantische Kirche brauchte ein Lutherbild. Das war damals Massenproduktion", sagt Peter Vohland. Insofern stimme es schon, dass mit Schablonen gemalt wurde. Mit Puderbeuteln sei über Lochschablonen getupft und so vorgezeichnet worden.
Wie es den Cranachs gelungen ist, in kurzer Zeit viele tausend Bilder herzustellen und in der Welt zu verbreiten, erklärt ab 4. Juni eine große Ausstellung in Weimar unter dem Titel "Cranachs Bilderfluten".
Wirkungsstätten der Cranachs im Überblick
Viele Cranach-Spuren im Dom
Doch zurück nach Meißen: "Ich glaube nicht, dass die Besucher die Cranachbilder als etwas Besonderes wahrnehmen. Alle schauen auf den Kirchenraum und den Altar", hat Peter Vohland bei den Touristen beobachtet. Der farbenprächtige Kreuzaltar aus dem Hause Cranach steht seit seiner Aufstellung 1526 als Laienaltar im Dom.
Das ist nicht die einzige Spur, die Vater und Sohn Cranach und ihre Mitarbeiter in Meißen hinterlassen haben. "Keine Kirche in Deutschland zeigt öffentlich mehr Cranach-Werke der Künstlerfamilie als der Dom zu Meißen", freut sich Vohland. Im Dommuseum sind weitere Bilder und Infos zu finden.
Extra-Tipp für Karfreitag und Ostersonntag
- Karfreitag um 15 Uhr zeigt und erklärt Dompfarrer Andreas Beuchel im Dom, warum der Kreuzaltar in der Karwoche geschlossen bleibt. Am Sonntag vor Ostern (Palmarum) werden die Holztafeln für die Zeit der Karwoche geschlossen. Am Ostersonntag um 5:30 Uhr wird der Altar wieder aufgeklappt. "Ganz vorsichtig natürlich", sagt Beuchel über den Umgang mit dem 496 Jahre alten Meisterwerk.
- Die Abbildungen auf der Rückseite der Holztafeln, die man nur wenige Tage im Jahr, eben in der Karwoche bis Karfreitag sieht - Jesus mit blutenden Wunden und seine schmerzerfüllte Mutter Maria - soll Lucas Cranach der Ältere selbst gemalt haben.
Quelle: MDR
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Gottesdienst zum Karfreitag aus St. Aegidien in Oschatz | 15. April 2022 | 10:00 Uhr