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Am Bahnhof Nossen sind derzeit vor allem historische Waggons abgestellt. Der letzte Personenzug fuhr im Dezember 2015 ab. Bildrechte: MDR/Lars Müller

ZukunftsmusikWann fahren wieder Regionalzüge zwischen Döbeln und Meißen?

06. Juni 2022, 09:30 Uhr

Wann und ob zwischen Döbeln und Meißen wieder Personenzüge fahren werden, ist auch ein knappes Jahr nach Vorstellung einer Reaktivierungsstudie für Regionalbahnstrecken durch das sächsische Verkehrsministerium unklar. Die Strecke muss für attraktiven Regionalverkehr modernisiert werden. Die Verkehrsverbünde Oberelbe und Mittelsachsen blicken auf die Nossen-Riesaer Eisenbahn-Compagnie. Das Unternehmen hat die Strecke Döbeln – Meißen gepachtet und hält sie in Schuss – derzeit für Güterzüge.

Zwischen Meißen und Nossen fahren an Werktagen meist zwei bis drei Kesselwagenzüge von Coswig aus zum Tanklager Rhäsa. Von dort werden weite Teile des Freistaates mit Kraftstoff versorgt. Der letzte Personenzug Richtung Leipzig ist im Dezember 2015 in Meißen abgefahren. Eine Studie des sächsischen Wirtschaftsministeriums hat Hoffnungen auf eine Rückkehr des Personenverkehrs genährt. Die Verantwortlichen im sächsischen Wirtschaftsministerium, bei den Verkehrsverbünden Oberelbe und Mittelsachsen sowie bei der Nossen-Riesaer Eisenbahn- Compagnie (NRE) bremsen aber die Euphorie. Zuerst müsse die Strecke modernisiert werden, hieß es unisono.

Wirtschaftsministerium verweist auf laufende Gespräche

Das sächsische Wirtschaftsministerium zeigt sich ob dieser Aufgaben aber nicht entmutigt. Man führe mit der NRE "intensive Gespräche und Verhandlungen zu den komplexen Details eines Planungs- und Finanzierungsvertrages für die genannte Strecke", hieß es auf Anfrage. Die NRE hat die Strecke gepachtet. Auch die DB AG als Verpächter, das Bundesministerium für Digitales und Verkehr als mögliche Förderbehörde und das Eisenbahnbundesamt würden einbezogen.

Die Verkehrsverbünde seien "nach Abschluss der baulichen Reaktivierungsmaßnahmen für die Bestellung der Verkehrsleistungen verantwortlich", so das Ministerium. Aktuell ist also unklar, ob und wann wieder Personenzüge im Abschnitt Döbeln - Meißen fahren.

NRE: Bund fordert Bestellgarantie vor Sanierung

Für NRE-Geschäftsführer Eckart Sauter stellt sich die aktuelle Situation anders dar. Ihm habe das Bundesverkehrsministerium im vergangenen Jahr mitgeteilt, Fördergelder für ein elektronisches Stellwerk in Nossen und für die Streckensanierung könnten erst fließen, wenn die Verkehrsverbünde Bestellgarantien abgegeben hätten. Sauter sieht nun das sächsische Verkehrsministerium in der Verantwortung, sich für diese Bestellgarantien stark zu machen. Immerhin habe man dort die Wiederbelebung des Personenverkehrs mit der Studie ins Gespräch gebracht.

Mehrmals im Jahr fährt die NRE mit einem eigenen Güterzug Getreide von Starbach (Strecke Nossen - Riesa) unter anderem nach Barby, zuletzt Anfang Mai. Bildrechte: MDR/Lars Müller

VVO beklagt veraltete Streckentechnik

Der Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) betont: "Der Zugbetrieb kann erst wieder aufgenommen werden, wenn die Infrastruktur in einen modernen Stand der Technik versetzt ist." Andernfalls seien die angestrebten Fahrzeiten nicht zu erreichen. Der VVO hatte stets Busse zwischen Nossen und Meißen sowie Nossen und Dresden der Eisenbahn vorgezogen und verwies auf zu wenige Fahrgäste in den Triebwagen, die zuletzt von Meißen bis Leipzig über Nossen und Döbeln verkehrten.

Auch VMS fordert zuerst Investition in Strecke

Der Verkehrsverbund Mittelsachsen teilte auf Anfrage mit, die NRE müsse "zuerst wissen, was infrastrukturtechnisch an der Strecke gemacht werden muss". Dann könne geprüft werden, was über sogenannte Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz  gefördert werden kann.

Erst muss die Infrastruktur modernisiert sein. Dies unter anderem ist Voraussetzung für Bestellungen, deren Inhalte - wie Fahrtzeiten zum Beispiel - vom Stand der Modernisierung abhängen.

Verkehrsverbund Mittelsachsen

Von Montag bis Sonnabend sind mehrere Kesselwagenzüge zwischen den Bahnknoten Coswig und dem Tanklager Rhäsa unterwegs. Bildrechte: MDR/Lars Müller

Stellwerke unbesetzt: Eisenbahner begleiten Güterzüge im Pkw

Die Abwicklung des derzeitigen Güterzugverkehr zwischen Nossen und Meißen ist nicht ganz einfach: Zwei Eisenbahner der NRE begleiten jeden Güterzug im Pkw, um die Ein- und Ausfahrtssignale sowie teilweise die Bahnübergänge von den Stellwerken in Deutschenbora und Miltitz-Roitzschen aus zu bedienen.

Die Stellwerke können unter wirtschaftlichen Erwägungen nicht mehr - wie früher bei der Deutschen Bahn - rund um die Uhr besetzt werden. Deren Technik stamme noch aus der Kaiserzeit, heißt es von der NRE. "Sie ist aber sicher und robust." Sollen wieder Personenzüge fahren, müsse allerdings grundlegend in die Strecke investiert werden, meint auch NRE-Chef Sauter. Geschätzt zehn Millionen Euro würde das Herrichten des zuletzt nach der Jahrhundertflut 2002 sanierten Oberbaus mit den Gleisen verschlingen. Kosten für Signaltechnik und Bahnsteige sind da noch nicht mitgerechnet.

Die vorerst letzte Regionalbahn von Meißen über Nossen und Döbeln nach Leipzig ist Ende 2015 abgefahren, der VVO hat dem Bus den Vorrang gegeben. Bildrechte: MDR/Lars Müller

Döbeln hofft auf umsteigefreien Anschluss nach Dresden

Insbesondere die Stadt Döbeln könnte von der Reaktivierung des Personenverkehrs Richtung Dresden profitieren. Aus dem dortigen Rathaus hieß es, die Stadt biete zwar alles, was ein attraktiver Wohnstandort benötigt. "Die Menschen aus der Region wollen eine attraktive Strecke, auf der die Bahn etwa eine Stunde von Döbeln nach Dresden benötigt", betont die Stadtverwaltung und will sich dafür weiterhin einsetzen.

Die Ansiedlungen von Karls Erlebnishof, dem Batteriehersteller Blackstone Technology, dem Sächsischen Rechnungshof sowie boomende Eigenheimstandorte sind Entwicklungen hinter denen die Bahn zurückbleibt.

Stadtverwaltung Döbeln

Verstopfte Autobahnen könnten zum Umstieg auf Zug animieren

Umsetzbar sei die Wiederbelebung des Personverkehrs "aber nur dann, wenn Bund und Freistaat ihrer Gesamtverantwortung für das Projekt nachkommen", ist man in Döbeln überzeugt. Die Stadt verweist auch auf Umweltaspekte und ständige Staus auf den Autobahnen 14 und 4, unter denen Pendler leiden. Man rechnet mit mehr Verkehr zwischen Dresden und Döbeln: "Die Ansiedlungen von Karls Erlebnishof, dem Batteriehersteller Blackstone Technology, dem Sächsischen Rechnungshof sowie boomende Eigenheimstandorte sind Entwicklungen hinter denen die Bahn zurückbleibt."

Für den Betrieb hält die Stadt Döbeln batteriebetriebene S-Bahnzüge für möglich, wie sie ab 2026 auf der Strecke Leipzig-Döbeln eingesetzt werden. Dort wurde der Personenverkehr nie abbestellt. In Döbeln kreuzt die elektrifizierte Strecke Chemnitz – Riesa, sodass auch Lademöglichkeiten für die Batteriezüge eingerichtet werden könnten. "Die Wunschvorstellung der Stadt Döbeln wäre ein batteriebetriebener Zug von Leipzig über Döbeln nach Dresden im Muldental."

NRE-Chef Sauter vermutet, dass diese Züge dann nicht mehr in jedem Dorfbahnhof halten werden, anders seien attraktive Fahrzeiten nicht zu schaffen. Das werde auch zu Enttäuschungen führen.

Nossen-Riesaer Eisenbahn-CompagnieDie Nossen-Riesaer Eisenbahn-Compagnie war 2008 gegründet worden, um die stillgelegte und von Entwidmung bedrohte Bahnstrecke Nossen – Riesa zu übernehmen, auf der damals schon länger kein Zug mehr fuhr. Das gelang nach jahrelangen und zähen Verhandlungen mit der Deutschen Bahn. Nach der Einstellung des Personenverkehrs zwischen Meißen und Döbeln Ende 2015 wurde die NRE auch Pächter dieser Strecke – dieses Mal unterstützt von der Deutschen Bahn.

Während zwischen Coswig/Meißen und Rhäsa über Nossen Kesselwagenzüge externer Anbieter fahren, fährt die NRE von Starbach mehrmals im Jahr eigene Getreidezüge ab. Die NRE hat sich mit einem Partner 25 Getreidewaggons und eine eigene Diesellok angeschafft, die auch bundesweit eingesetzt werden. In diesem Jahr hat die NRE sich an der Ausschreibung der Strecke Nossen – Freiberg (Zellwaldbahn) beteiligt. Das Ergebnis steht noch aus. Die NRE ist auch Besitzer der Bahnhofsgebäude in Nossen, Lommatzsch und Starbach.

MDR

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