Dresden Staatsanwaltschaft ermittelt nach Geiselnahme in Altmarktgalerie zu Herkunft der Waffe

12. Dezember 2022, 13:21 Uhr

In der Altmarktgalerie in Dresden nahe des Striezelmarktes war es am Sonnabendvormittag zu einer Geiselnahme gekommen. Mit einem Großeinsatz von 300 Beamten gelang es der Polizei, die Geiseln - eine Frau und ein Kind - unverletzt zu befreien. Eine dritte Geisel war zwischenzeitlich in der Gewalt des mutmaßlichen Täters, konnte jedoch fliehen. Die Mutter des Geiselnehmers war bereits am Morgen in ihrer Wohnung in Dresden-Prohlis tot aufgefunden worden.

Nach einer Geiselnahme am Sonnabend in der Altstadt von Dresden und dem Tod zweier Personen, darunter des mutmaßlichen Täters, hat die Staatsanwaltschaft Dresden mit den Ermittlungen begonnen. Dabei wollen die Beamten auch die Todesumstände des Geiselnehmers untersuchen, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, Jürgen Schmidt, am Sonntag.

Auf Nachfrage von MDR SACHSEN geht Schmidt derzeit davon aus, dass der mutmaßliche Täter eine einzige Waffe bei sich geführt hatte. Es gäbe aber noch keine Kenntnis darüber, ob der Täter sie legal besessen hat. Hierauf konzentrieren sich die Ermittlungen. Zudem werde der tote 40-Jährige "sicher obduziert" werden. Der Mann aus Heidenau bei Dresden war am Sonnabend bei einem Zugriff von Spezialkräften der Polizei in der Altmarktgalerie tödlich verletzt worden, als Schüsse fielen. Auch dieser Hintergrund werde geprüft sagte Oberstaatsanwalt Schmidt.

Gegen den getöteten Geiselnehmer laufe noch ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Totschlags. Dieses sei bereits vor seinem Tod auf den Weg gebracht worden. Als gesichert gilt, dass der 40-Jährige am Sonnabend seine in Dresden-Prohlis wohnende Mutter getötet hatte.

Bekanntes zum Tatgeschehen - Prohlis und der Ammonhof

Zuerst war der bewaffnete Mann am Sonnabend bei seiner Mutter in Prohlis gewesen. Sie wurde laut Polizei durch ihn getötet. Die 62-Jährige war am Morgen kurz vor halb acht leblos in einem Mehrfamilienhaus aufgefunden worden. Der hinzugerufene Notarzt konnte nur noch ihren Tod bestätigen.

Gegen 8:30 Uhr versuchte der 40-Jährige dann, in den Ammonhof unweit der Dresdner Altstadt einzudringen. Das ist ein Bürogebäude, in dem auch die Radiosender Radio Dresden und Hitradio RTL ihren Sitz haben. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Mann nach MDR-Informationen schon einen neunjährigen Jungen als Geisel bei sich. Es war laut Polizeiangaben das Kind einer Bekannten des mutmaßlichen Täters.

Vor Ort nahm der Geiselnehmer nach MDR-Informationen einen Mann in seine Gewalt, auf den er zufällig im Ammonhof traf. Er zielte mit der Waffe auf Unbeteiligte und versuchte vergeblich, die Sicherheitsscheibe der Eingangstür des Radiosenders in einem der oberen Stockwerke zu zerstören. Dabei schoss er auch. Der Täter griff durch das Einschussloch im Glas und wollte die Sicherheitstür zum Radiosender von innen öffnen, verletzte sich aber dabei. Diesen Zeitpunkt nutzte die männliche Geisel zur Flucht. Laut Polizei hatte sich der Geiselnehmer im Radio äußern wollen. Er habe nach Zeugenaussagen verhindern wollen, "dass Satanisten die Weltherrschaft übernehmen".

"Der Täter konnte nicht in den Sender eindringen", betonte Senderchef Tino Utassy. Man habe damals nach dem tödlichen Anschlag auf die französische Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" auf Anraten des Bundeskriminalamtes besondere Sicherheitsvorkehrungen getroffen. "Die haben offensichtlich gewirkt und gereicht, sodass die Mitarbeiter durch einen zweiten Ausgang fliehen konnten", so Utassy.

Alle blieben nach Angaben des Senders unverletzt. Der Täter habe das Gebäude nach den Schüssen verlassen. Betroffen gewesen seien die Teams der Morningshows für Hitradio RTL und Radio Dresden. Es sei schwerlich zu beschreiben, wie es den Mitarbeitern gehe. "Sie sagen, es geht ihnen gut. Aber genau wissen wir es natürlich auch nicht. Wir werden natürlich alles machen, damit sie da die entsprechende Hilfe bekommen", sagte Utassy.

Tatort Altmarktgalerie: Schüsse in Büro vor Notzugriff durch SEK

Der bewaffnete Deutsche fuhr dann in die nahe gelegene Altmarktgalerie. Dort verbarrikadierte er sich im Untergeschoss nach Polizeiangaben in einem Büro eines Drogeriemarktes. Er behielt den neunjährigen Jungen weiter bei sich und nahm eine 38-jährige Ladenmitarbeiterin als zweite Geisel. Aus dem Büro wählte der Täter den Notruf der Polizeidirektion Dresden. Polizeibeamte konnten ständig mit ihm in Kontakt bleiben. Der Mann wurde von der Polizei und Zeugen als psychisch labil eingestuft. Die Polizeidirektion forderte nach eigenen Angaben Spezialkräfte des Landeskriminalamtes Sachsen an und sperrte den Innenstadtbereich weiträumig ab.

Das Einkaufszentrum war geräumt worden. Gegen 12 Uhr bereitete sich das Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei vor der Altmarktgalerie für den finalen Zugriff vor. Nachdem sie Schüsse aus dem Büro hörten, erfolgte der "vorbereitete Notzugriff". Dabei mussten die Beamten eine Tür gewaltsam öffnen. Der Täter sei zu diesem Zeitpunkt mit einer scharfen Pistole bewaffnet gewesen und befand sich mit beiden Geiseln im Raum, teilte die Polizei mit. Daraufhin sei es zum Schusswaffeneinsatz des SEKs gekommen, in dessen Folge der 40-Jährige tödlich verletzt wurde.

Der Junge und die Frau konnten äußerlich unversehrt befreit werden. Sie wurden im Nachgang von einem Kriseninterventionsteam betreut. Insgesamt waren an dem Tag rund 300 Polizisten im Einsatz. Für die Menschen in der Innenstadt wurde am frühen Sonnabendnachmittag Entwarnung gegeben. Außerdem wurden die Straßensperrungen wieder aufgehoben und der öffentliche Nahverkehr rollte wieder. Der Striezelmarkt öffnete nach der beendeten Geiselnahme. Auf das Bühnenprogramm mussten Gäste jedoch verzichten. Vonseiten des Marktes wurde die Entscheidung mit "Pietät" begründet. Die Altmarktgalerie blieb am Sonnabend geschlossen.

Ministerpräsident und Innenminister äußerten Erleichterung und Trauer

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer dankte via Kurznachrichtendienst Twitter allen beteiligten Einsatzkräften der sächsischen Polizei. "Ich bin erleichtert, dass diese bedrohliche Situation beendet werden konnte", schrieb der CDU-Politiker und lobte ein entschlossenes und umsichtiges Handeln der Beamten. "Wir trauern um ein Menschenleben", fügte Kretschmer an.

Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) zollte den Polizeibeamten seinen Respekt. Der Tod zweier Menschen sei nie ein guter Ausgang, dennoch habe die Polizei Sachsen die nicht einfache Lage der Geiseln gelöst, schrieb er auf Twitter.

Dresdens Oberbürgermeister Hilbert mit Anteilnahme

Auch Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) äußerte sich über den Twitter-Account der Stadt Dresden zum Geschehen: "Diese Tat zeigt, wie zerbrechlich die vorweihnachtliche Besinnlichkeit und Unbeschwertheit sein kann. Meine Gedanken sind bei allen, die in Altmarktgalerie und Ammonhof in Gefahr waren", erklärte der OB unter anderem.

Vorsitzende des sächsischen Journalistenverbandes "entsetzt" über Tat

Die Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) in Sachsen, Ine Dippmann, sagte zu den Ereignissen in Dresden: "Ich bin entsetzt darüber, dass Redaktionsräume auf diese brutale Weise Angriffsziel geworden sind." Ihr Mitgefühl gelte den Mitarbeitenden von Radio Dresden, Hitradio RTL, der Getöteten und den Geiseln. "Es stellt sich für uns als DJV die grundsätzliche Frage, ob und wie journalistische Einrichtungen besser geschützt werden können. Auch in Sachsen gibt es immer wieder Angriffe auf Redaktionen und Medienschaffende." Das solle Gegenstand von Gesprächen des DJV mit Polizei und Innenministerium werden, so Dippmann, die selbst als Redakteurin für den Mitteldeutschen Rundfunk arbeitet.

MDR (sho,ama,swi,wim)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 10. Dezember 2022 | 11:00 Uhr

Mehr aus der Region Dresden

SSP - Kletterkirche 2 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Mehr aus Sachsen

SSP - Chirurgie-kongress 2 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat Europawahl 2 min
Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat Europawahl Bildrechte: mdr
2 min 24.04.2024 | 18:00 Uhr

Krah bleibt Spitzenkandidat, Niners Chemnitz, Wolfstötungen - Drei Themen vom 24. April. Das SachsenUpdate kurz und knackig. Präsentiert von Christine Pesch.

MDR SACHSEN Mi 24.04.2024 18:15Uhr 01:51 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/video-krah-afd-spionage-wolf-niners-sachsenupdate-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video