Grünes GewölbeFußkünstler und "Hofzwerge": Dresdner Ausstellung zeigt Menschen mit Behinderung in der Kunst
Kunst von und über Menschen mit Behinderungen aus der Zeit des Barock zeigt jetzt eine Ausstellung im Grünen Gewölbe in Dresden. Unter dem Titel "Bewundert, gesammelt, ausgestellt" vermittelt die kleine Schau einen Eindruck, wie körperlich Beeinträchtigte vom 16. bis 18. Jahrhundert wahrgenommen und dargestellt wurden. Zeitgenössische Perspektiven von vier Kunstschaffenden mit Beeinträchtigung schlagen den Bogen ins Heute und hinterfragen Inklusion in der Gegenwart.
- In Dresden widmet sich eine neue Ausstellung der Darstellung von Menschen mit Behinderung in der Kunst.
- Zu sehen sind Werke aus dem Barock, die etwa den besonderen Status von Kleinwüchsigen am Hof vor Augen führen, aber auch Diskriminierung.
- Auch zeitgenössische Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern mit Beeinträchtigung sind Teil der Ausstellung.
Ausgangspunkt der Schau "Bewundert, gesammelt, ausgestellt" im Grünen Gewölbe in Dresden ist das Gemälde des Fußkünstlers Thomas Schweicker aus dem Jahr 1595. Es zeigt ihn, wie er mit den Füßen schreibt, weil er ohne Arme geboren wurde. Er und sein Werk erlangten überregionale Berühmtheit. Das Bild befand sich lange Zeit in der kurfürstlichen Kunstkammer in Dresden. Es wurde im 19. Jahrhundert verkauft, "weil man es nicht mehr als Kunst-Wert" erachtete, erläutert der Direktor des Grünen Gewölbes, Marius Winzeler. Glücklicherweise blieb es erhalten und ist vor drei Jahren wieder im Kunsthandel aufgetaucht.
Von Beruf "Hofzwerg" – angesehen und verspottet
Nun hängt es als Leihgabe in Dresden. Das Bildnis verdeutlicht das große Interesse europäischer Herrscher an außergewöhnlichen Kunstwerken und welchen Stellenwert Menschen mit Beeinträchtigung damals hatten. An fast allen adligen Höfen umgab man sich mit sogenannten "Hofzwergen", was ein offizielles, gut bezahltes Amt war. Die kleinwüchsigen Männer und auch Frauen arbeiteten als Lehrer, Erzieher oder Kammerdiener.
Diskriminierung von Menschen mit Behinderung
So wie Hante, der als Diener von August dem Starken Berühmtheit erlangte. An ihn erinnert die Ausstellung mit zwei sehr unterschiedlichen kleinen Figuren: eine selbstbewusste Darstellung in Elfenbein und eine fratzenhafte mit Spielkarten und Tabakpfeife. Letztere zeigt die Kehrseite und den Spott, dem Kleinwüchsige ebenfalls ausgesetzt waren. Auch in den Karikaturen des Franzosen Jacques Callot. Derartige Darstellungen trugen maßgeblich zur Diskriminierung kleinwüchsiger und behinderter Menschen bei, wie Kurator Dirk Weber betont. Wer nicht der optischen Norm entsprach, dem sei zugleich ein schlechter Charakter unterstellt worden.
Die Künstlerin Eva Jünger, die selbst kleinwüchsig ist, recherchierte die historischen Hintergründe und fasste sie in einem Hörstück für die Ausstellung zusammen. Bis heute hat sie mit extremer Diskriminierung zu tun. "Dann wird gefrotzelt: 'Na, mein kleiner Zwerg oder mein Gnom.' Und dann muss man eben sehen, wie man damit umgeht!"
Kunst und Behinderung in der Gegenwart
Die Kabinettausstellung ist eine kleine, klassische Inszenierung, die im Sponsel-Raum des Grünen Gewölbes etwa 50 Objekte in Vitrinen und an Wänden präsentiert. Zugleich streckt sie ihre Fühler auch in die andere Räume aus und platziert zeitgenössische Werke von vier Kunstschaffenden mit Behinderung in der Dauerausstellung.
Steven Solbrig fertigte beispielsweise aus Gips den Torso einer körperlich behinderten Frau an. Oft würden Frauen mit Behinderung als geschlechtslos dargestellt, findet der Künstler. Diese Wahrnehmung zu ändern, sieht er als Teil von sexueller Selbstbestimmung, die Frauen mit Behinderung ebenso gebühre. Dazu gehöre auch das Begehren und Begehrtwerdenwollen.
Der Konzeptkünstler Dirk Sorge hinterfragte die Sammlungsauswahl und die Art, wie Museen ausstellen. Er integrierte zur Irritation des Publikums vermeintliche Kunstwerke in die Dauerausstellung, etwa eine Barbiepuppe mit Beinprothese und goldlackierte Figuren aus Pappmaché.
Frauen mit Behinderung werden oft als geschlechtslos dargestellt.
Steven Solbrig, Künstler
Eric Beier gestaltete ein Leitsystem aus Rollstuhlfahrer-Piktogrammen. Der Schriftzug zieht sich auf dem Fußboden durch die ganze Ausstellung und zitiert den Artikel 30 der UN-Behindertenrechtskonvention, Absatz 1 bis 4, wie Beier erläutert. Darin gehe es explizit um die Teilhabe sowohl von Kulturproduzenten als auch -konsumenten mit Behinderung. Festgeschrieben sei darin, dass die Vertragsstaaten geeignete Schritte oder Maßnahmen unternehmen müssten, um dieses Ziel zu erreichen.
Ausstellung in Dresden setzt auf Inklusion
Und dieses Ziel unterstützen die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden mit der Ausstellung "Bewundert, gesammelt, ausgestellt": Niedrige Vitrinen ermöglichen es Rollstuhlfahrern, die Objekte besser sehen zu können. Alle Info-Texte wurden in Leichter Sprache verfasst, was wohl allen Besuchern und Besucherinnen entgegenkommt. Darüber hinaus wurde ein umfangreiches inklusives Begleitprogramm entwickelt, unter anderem mit Führungen für Sehbehinderte, Blinde, Gehörlose und Menschen mit Demenz.
Angaben zur Ausstellung
"Bewundert, gesammelt, ausgestellt. Behinderung in der Kunst des Barock und der Gegenwart"
Vom 31. Oktober 2024 bis 3. März 2025
Residenzschloss
Taschenberg 2
01067 Dresden
Öffnungszeiten:
Montag und Mittwoch: 10 bis 18 Uhr
Donnerstag: 10 bis 20 Uhr (Neues Grünes Gewölbe bis 18 Uhr)
Freitag: 10 bis 20 Uhr (Blaue Stunde 18 bis 20 Uhr)
Samstag: 10 bis 20 Uhr (Neues Grünes Gewölbe bis 18 Uhr)
Sonntag: 10 bis 18 Uhr
Redaktionelle Bearbeitung: lig, ks
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Nachmittag | 31. Oktober 2024 | 15:20 Uhr