Personalentscheidung Sachsens Innenminister Wöller aus dem Amt entlassen
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In der vergangenen Woche gab es viel Kritik an Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) aufgrund von Personalentscheidungen. Außerdem kamen weitere Skandale der Elite-Polizisten des MEK ans Licht. Nun hat Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) die Konsequenzen gezogen und Wöller aus seinem Amt entlassen. Sein Nachfolger wird der bisherige "Krisenschützer" Armin Schuster.

Auf dieser Seite:
- Kretschmer: Reden nur noch über Skandale
- "Krisenschützer" Armin Schuster wird Nachfolger Wöllers
- Wöller auf Facebook: "Schluss mit Krawatte"
- Erste Reaktionen: Erleichterung und Kritik an Nachfolger
- SPD und Grüne: Große Herausforderungen für neuen Innenminister
- Polizeigewerkschaften: Entlassung Wöllers ist nötiger Neuanfang
- Vorfälle bei Polizei überschatten Amtszeit
- Rückblick auf Debatten und Kritik
Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) ist aus dem Amt entlassen worden. Wie Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) am Freitag Mittag erklärte, hat er den Innenminister von seinen Aufgaben entbunden. Wöller hat inzwischen seine Entlassungsurkunde erhalten und soll bis Montag geschäftsführend im Amt bleiben.
Kretschmer: Reden nur noch über Skandale
Kretschmer begründete den Wechsel an der Spitze des Innenministeriums mit der Notwendigkeit eines Neuanfangs. Es seien unter Wöller viele Dinge gut gelaufen, sagte Kretschmer und nannte dabei unter anderem das Polizeigesetz und den Stellenaufwuchs bei der Polizei. Zuletzt habe er aber das Gefühl gehabt, "wir reden nur noch über vermeintliche oder tatsächliche Skandale".
In der jetzigen Situation braucht es Kraft, Vertrauen und neue Ideen.
"Krisenschützer" Armin Schuster wird Nachfolger Wöllers
Nachfolger von Wöller wird nach Angaben Kretschmers Armin Schuster, der bisher Chef des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) war. Er soll am Montag seine Ernennungsurkunde bekommen. Kretschmer sagte, Schuster habe eine klare Haltung und beim Bundesamt auch gezeigt, dass er eine große Verwaltung führen könne. Die Polizeigewerkschaften haben demnach schon Zustimmung zu der Personalie signalisiert.
Schuster wurde in Rheinland-Pfalz geboren, kommt ursprünglich von der Bundespolizei und bringt Erfahrungen als Behördenleiter mit. 2009 zog er für die CDU in den Bundestag ein und wurde im November 2020 zum BBK-Leiter ernannt.
Wöller auf Facebook: "Schluss mit Krawatte"
Der entlassene Innenminister äußerte sich nicht offiziell zu der Entscheidung Kretschmers. Wöller postete stattdessen auf seiner offiziellen Facebook-Seite ein Foto von einem Bild, das offenbar sein Sohn gemalt hatte. Neben drei mit Buntstiften gezeichneten Personen ist darauf in Kinderschrift zu lesen: "Schluss mit der Krawatte".
Erste Reaktionen: Erleichterung und Kritik an Nachfolger
Schon bevor die Personalentscheidung offiziell verkündet wurde, wurde sie in sozialen Netzwerken und in ersten Reaktionen von Landespolitikern der Opposition kommentiert: Der Vorsitzende der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, Rico Gebhardt, erklärte, Wöllers Entlassung sei eine Befreiung Sachsens.
Endlich hat Ministerpräsident Kretschmer dem Druck nachgegeben. Wöller ist für eine lange Liste von Verfehlungen und Skandalen verantwortlich, hat diese Verantwortung aber nie angenommen.
Ähnlich erleichtert äußern sich auch andere Links-Politiker. Sie kritisieren aber sogleich die Entscheidung über den möglichen Nachfolger. "Der als Nachfolger gehandelte Armin Schuster (CDU) lässt nicht viel Gutes erwarten", schreibt die Innenexpertin der Linken im Landtag, Kerstin Köditz, auf Twitter.
Der AfD-Fraktionsvorsitzende Jörg Urban erklärte, es sei ein Armutszeugnis für CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer, dass er keinen geeigneten Verantwortlichen für die innere Sicherheit aus Sachsen gefunden habe. "Armin Schuster hat sein gesamtes politisches Leben im Westen verbracht. Es sind deshalb durchaus Zweifel angebracht, ob er geeignet ist, den Freistaat Sachsen voranzubringen und Rückhalt in der Bevölkerung genießen wird."
CDU-Generalsekretär Alexander Dierks widersprach der AfD. Schuster sei ein ausgewiesener Experte für die Innen- und Sicherheitspolitik. In der Zeit vor seinem Bundestagsmandat habe er bei der Bundespolizei in verschiedenen Verwendungen, so auch in Sachsen, große Erfahrung sammeln können. Auch CDU-Fraktionschef Christian Hartmann erklärte, die Fraktion trage die Entscheidung Kretschmers mit. Dem Ministerpräsidenten sei es gelungen, "einen ausgewiesenen Experten für das Amt zu gewinnen."
SPD und Grüne: Große Herausforderungen für neuen Innenminister
Die Landtagsfraktionen von SPD und Grünen nannten die Entlassung Wöllers eine "folgerichtige Entscheidung" und einen "notwendigen Schritt". Der SPD-Innenexperte Albrecht Pallas teilte mit, das Vertrauensverhältnis zwischen Wöller und der Polizei sei zu stark belastet gewesen. Schuster müsse Wöllers Personalentscheidungen prüfen und alle Vorfälle bei den Spezialeinheiten "lückenlos aufklären".
Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Valentin Lippmann, sagte, Sachsens neuer Innenminister stehe vor großen Herausforderungen. "Der Kampf gegen Rechtsextremismus sowohl in der Gesellschaft als auch innerhalb des Staatsdienstes muss oberste Priorität haben."
Polizeigewerkschaften: Entlassung Wöllers ist nötiger Neuanfang
Auch die sächsischen Polizeigewerkschaften bewerten die Entlassung des Innenministers positiv. "Wir begrüßen, dass wir vom Ministerpräsidenten gehört wurden", sagte der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Sachsen, Hagen Husgen. Er hoffe, dass die Polizei mit Wöllers Nachfolger wieder in ein ruhigeres Fahrwasser komme, sagte Husgen.
Ähnlich äußerte sich die Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft in Sachsen, Cathleen Martin. "Der öffentliche Druck auch auf den Ministerpräsidenten war zu groß", sagte sie. Die Entlassung sei ein nötiger Neuanfang, um Vertrauen zwischen der Polizei und dem Innenministerium wiederherzustellen.
Vorfälle bei Polizei überschatten Amtszeit
In den vergangenen Wochen standen viele Vorwürfe gegen den scheidenden Innenminister im Raum. Durch die geplante Neubesetzung des Chefpostens an der sächsischen Polizeihochschule musste sich Wöller mit den Vorwürfen von Vetternwirtschaft auseinandersetzen. Offenbar war eine Studienfreundin seiner Frau für den Posten vorgesehen. Aufgrund dieser und anderer Personalentscheidungen forderten die Polizeigewerkschaften seinen Rücktritt. Auch ein Krisengespräch konnte das Vertrauen nicht wieder herstellen.
Zuletzt wurde ein Ermittlungsverfahren der Generalstaatsanwaltschaft Dresden gegen mehrere Polizisten des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) bekannt. Sie sollen einen Skiurlaub als Fortbildung abgerechnet haben.
Rückblick auf Debatten und Kritik
Immer wieder ist Innenminister Roland Wöller in den vergangenen Jahren unter Druck geraten. Der sogenannte Munitionsskandal beim Mobilen Einsatzkommando (MEK) und auch der aktuelle Fall eines mutmaßlich verbotenen Aufnahmerituals beim MEK werfen kein gutes Licht auf die Polizeibehörden und das Innenministerium in Sachsen.
Bei einer Studie zu politisch motivierter Kriminalität warf die Opposition Wöller Meinungsmache statt Kriminalitätsprävention vor. Auch die Abschiebepraktiken in Sachsen und der Umgang mit den Corona-Protesten verursachten Diskussionen. Nach dem "Fahrradgate" bei der Polizei Leipzig und der Neubesetzung beim Verfassungsschutz stand der Minister heftig in der Kritik.
Lebenslauf Roland Wöller
- 1970 in Duisburg geboren
- 1999 Leiter des Leitungsbüros im Sächsischen Staatsministerium für Kultus
- seit 1999 Mitglied des Sächsischen Landtags
- 2007 bis 2008 Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft
- 2008 bis 2012 Staatsminister für Kultus und Sport
- seit 18. Dezember 2017 Staatsminister des Innern
MDR (al/ms/kb)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | SACHSENSPIEGEL | 22. April 2022 | 19:00 Uhr