Insolvenzverfahren Galeria Karstadt Kaufhof: Standorte in Sachsen von Schließung bedroht

01. November 2022, 17:19 Uhr

Der letzte verbliebene Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof kämpft seit Jahren ums Überleben. Vor weniger als zwei Jahren entging die Kaufhauskette nur durch staatliche Hilfen dem endgültigen Aus. Nun sucht sie wieder Hilfe unter einem staatlichen Schutzschirm. Dutzende Kaufhaus-Filialen sollen nun deutschlandweit geschlossen werden. Dabei gab es schon vor zwei Jahren harte Einschnitte. Außerdem bezweifeln Experten die Zukunftsfähigkeit des Kaufhausriesen.

Die Filialen von Galeria Karstadt Kaufhof in Leipzig, Dresden und Chemnitz stehen wieder vor einer ungewissen Zukunft. Der Warenhauskonzern hatte am Montag angekündigt, deutschlandweit 40 Kaufhäuser schließen zu wollen. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben nach weniger als zwei Jahren wieder staatliche Hilfen wegen drohender Insolvenz beantragen müssen. Doch staatliche Darlehen seien keine dauerhafte Lösung, so Unternehmenschef Miguel Müllenbach.

Ein Drittel der Warenhäuser soll schließen

Müllenbach hatte in einem Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) angekündigt, dass das Filialnetz "um mindestens ein Drittel reduziert werden" müsse, um das Unternehmen zu retten. Betriebsbedingte Kündigungen seien unvermeidbar. Das Unternehmen müsse sich von jenen Filialen trennen, die wegen der Konsumflaute, der Inflation und der Energiekosten "auf absehbare Zeit nicht mehr profitabel zu betreiben sind". Der Handelsriese führt aktuell noch 131 Filialen in 97 deutschen Städten, in denen rund 17.000 Menschen arbeiten.

Passanten gehen über den Marktplatz vorbei an der Filiale von Galeria Karstadt Kaufhof
Galeria Kaufhof in Chemnitz sollte bereits vor zwei Jahren geschlossen werden. Damals nahm das Unternehmen nach massiven Protesten von einer Schließung Abstand. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Hendrik Schmidt

Während des ersten Corona-Lockdowns im April 2020 hatte das Unternehmen schon einmal Rettung in einem Schutzschirmverfahren gesucht und laut Firmenangaben bis heute 680 Millionen Euro staatliche Hilfen erhalten. Damals seien 40 Filialen und 4.000 Stellen gestrichen sowie zwei Milliarden Euro Schulden getilgt worden.

Gläsernes Gebäude mit grünem Firmenlogo, Galeria Kaufhof, und Plakaten: alles muss raus
Vor zwei Jahren waren bereits deutschlandweit 40 Kaufhäuser von Galeria Karstadt Kaufhof geschlossen worden. 4.000 Menschen verloren ihre Arbeit. Bildrechte: IMAGO / Manfred Segerer

Einschnitte bei Galeria-Insolvenz nicht genügend

Dass nun der Kaufhauskonzern wieder um seine Zukunft bangt, liege an Fehlentscheidungen der vergangenen Jahre, sagte Jörg Funder von der Hochschule Worms. Die Einschnitte bei der Galeria-Insolvenz 2020 seien nicht tief genug gewesen, meinte der Handelsexperte. Die Sorge um die Lebensfähigkeit deutscher Innenstädte und die Eigentümerinteressen hätten das verhindert. Die Warenhäuser hätten zwar eine Daseinsberechtigung, aber bräuchten größere Einzugsgebiete, schätzte Funder den künftigen Bedarf ein: "Darum ist nur Platz für 50 bis 60 Filialen in Deutschland, nicht für alle 131 Galeria-Kaufhäuser."

Es ist nur Platz für 50 bis 60 Filialen in Deutschland, nicht für alle 131 Galeria-Kaufhäuser.

Jörg Funder Handelsexperte der Hochschule Worms

Experte spricht vom Ende des Kaufhauskonzerns

Doch wie viele Warenhäuser in Deutschland auf Dauer überleben könnten, sei unter Experten umstritten. Die Spanne reicht dabei von 30 bis weniger als 100 Kaufhäusern. Der Wirtschaftsexperte Martin Fassnacht von der Universität Düsseldorf hatte in einem Interview mit MDR AKTUELL von weiteren staatlichen Hilfen für den kränkelnden Kaufhausriesen abgeraten. Fassnacht sehe im Handelskonzept "Warenhaus" keinen Wettbewerbsvorteil mehr. Die Warenhäuser hätten kein Alleinstellungsmerkmal mehr und seien für Verbraucherinnen und Verbraucher nicht mehr überzeugend, meinte Fassnacht: "Ich gehe davon aus, dass der Galeria-Konzern in fünf bis zehn Jahren nicht mehr vorhanden ist."

Ich gehe davon aus, dass der Galeria-Konzern in fünf bis zehn Jahren nicht mehr vorhanden ist.

Martin Fassnacht Wirtschaftsexperte der Universität Düsseldorf

Zukunft der Kaufhäuser in Sachsen ungewiss

Unternehmenschef Müllenbach hatte sich gegen solche Einschätzungen gewehrt. Das Konzept des Warenhauses sei immer noch zukunftsfähig. Die Ursache an der Krise sehe Müllenbach hingegen in der Zurückhaltung der Kundinnen und Kunden während der Corona-Pandemie sowie den gestiegenen Energiekosten. Auf Anfrage von MDR SACHSEN bei Galeria Karstadt Kaufhof sei die Zukunft der Kaufhäuser in Chemnitz, Leipzig und Dresden noch unklar.

Welche Standorte konkret von einer Schließung betroffen sind, soll laut des Insolvenzverwalters Arndt Geiwitz spätestens in drei Monaten feststehen. Er sagte dem WDR, dass von den 131 Kaufhäusern nur ein harter Kern übrig bleiben werde.

MDR (phb/bbr)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Leipzig | 01. November 2022 | 07:30 Uhr

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