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VerdienstunterschiedeSo ungleich ist die Bezahlung zwischen Männern und Frauen in Sachsen

08. Juni 2022, 20:56 Uhr

Frauen sind in Sachsen meist besser ausgebildet im Vergleich zu Männern und stehen seltener ganz ohne Bildungsabschluss da. Trotzdem klafft eine Lücke bei den Verdiensten zwischen den Geschlechtern, die allerdings kleiner wird. Eine neue Studie zum sogenannten Gender Pay Gap zeigt die Unterschiede in Sachsen.

Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern in Sachsen wird kleiner - sie existiert aber weiterhin. Das zeigt eine in Dresden vom Gleichstellungsministerium vorgestellte Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Danach sank der Lohnunterschied im Freistaat von 8,5 Prozent im Jahr 2019 auf 7,6 Prozent im Jahr 2020.

Damit steht Sachsen besser da als der Bundesdurchschnitt, wo der sogenannte Gender Pay Gap zwischen Frauen und Männern 2020 bei 19,3 Prozent lag. Dieser beschreibt den geschlechts­spezifischen Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern. "Jedes Prozent Unterschied ist definitiv eines zu viel, auch in Sachsen", sagte die Staatssekretärin im Gleichstellungsministerium, Gesine Märtens. Ziel müsse es sein, die Lücke in Gänze zu schließen.

Auffällige Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern

In Sachsen sind diese Lohnlücken laut der Studie in einigen Bereichen besonders augenfällig.

  • Verkauf von Lebensmitteln allgemein und Verkauf von Back- und Konditoreiwaren oder Fleischwaren: Hier beträgt die Lohnlücke 36,2 Prozent, fast 90 Prozent der Beschäftigten sind Frauen.
  • In der Pharmazie beträgt die Lücke 34,7 Prozent bei einem Frauenanteil von gut 82 Prozent.
  • Am höchsten ist die Lohnlücke in der Berufsgruppe Rechtsberatung, -sprechung, und -ordnung mit 52,5 Prozent und einem Frauenanteil von fast 72 Prozent. Die großen Unterschiede seien darauf zurückzuführen, dass hier unterschiedliche Berufsgruppen wie etwa Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsgehilfinnen zusammengefasst sind, wie IAB-Forscherin Michaela Fuchs MDR SACHSEN sagte.

Frauen haben ein Recht auf gerechte und gleiche Entlohnung. Jedes Prozent Unterschied ist definitiv eines zu viel – auch in Sachsen.

Gesine Märtens | Staatssekretärin des Sächsischen Ministeriums der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung

Hier verdienen Frauen mehr als Männer:

  • Erziehung, Sozialarbeit und Heilerziehungspflege (Kinderbetreuung, Sozialarbeit, Sonderpädagogik, Haus- und Familienpflege oder Suchtberatung). Die Lohnlücke beträgt hier 3,6 Prozent, mehr als 73 Prozent der Beschäftigten sind Frauen.
  • Lehrtätigkeit für berufsbildende Fächer, betriebliche Ausbildung und Betriebspädagogik: Hier verdienen Frauen im Schnitt knapp 8 Prozent mehr als Männer bei einem Frauenanteil von knapp 50 Prozent.
  • Gewerbe- und Gesundheitsaufsicht: In diesem Bereich beträgt die Lohnlücke zugunsten der Frauen gut 23 Prozent bei einem Frauenanteil von fast 54 Prozent.

Große regionale Unterschiede beim Gender Pay Gap

Zwischen den Regionen gibt es dabei große Unterschiede: Am höchsten fällt der sogenannte unbereinigte Gender Pay Gap im Landkreis Zwickau mit 11,8 Prozent aus, am niedrigsten in Görlitz mit gerade einmal 0,9 Prozent. Auch in der Landeshauptstadt Dresden ist der Unterschied mit 10,1 Prozent größer als im sächsischen Schnitt. Im Durchschnitt verdienten vollzeitbeschäftigte Frauen zum Stichtag am 30. Juni 2020 in Sachsen rund 93 Euro brutto am Tag, Männer kamen auf rund 100 Euro.

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Bildungsfakten und Praxis

Dabei müssten in Sachsen mit Blick auf alle Vollzeitbeschäftigen und deren Ausbildungsstand Frauen stets mehr Geld verdienen als Männer. Die Fakten laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB): Frauen sind vergleichsweise besser qualifiziert und haben häufiger einen akademischen Berufsabschluss, dafür seltener gar keinen Abschluss. Dementsprechend üben Frauen seltener Helfertätigkeiten aus und arbeiten häufiger als Expertinnen. Trotzdem sitzen mehr Männer in Aufsichts- und Führungspositionen.

Laut den Expertinnen der IAB fällt der Verdienstunterschied noch größer aus, wenn man in der Statistik die Merkmale wie Qualifikation, Alter oder Berufserfahrung berücksichtigt: Der sogenannte bereinigte Gender Pay Gap lag in Sachsen demnach 2020 bei 11,7 Prozent.

Corona-Faktor auf Lohnlücke offenbar gering

Für die Studie nahmen Forscherinnen auch einen möglichen Einfluss der Corona-Pandemie auf die Lohnlücke unter die Lupe. Die erste Welle der Pandemie habe sich zunächst noch nicht auf die Lohnunterschiede bei Vollzeitbeschäftigten ausgewirkt, erklärte Michaela Fuchs vom IAB. Das sei überraschend, weil vor allem Mütter während des ersten Lockdowns Kinder zu Hause betreut hätten. Nachwirkungen seien zwar nicht auszuschließen, aber es sei zunächst ein gutes Zeichen, dass sich die Lohnunterschiede zu Beginn der Pandemie nicht verschärft hätten.

Warum ist im Verkauf von Lebensmitteln der Gender Pay Gap besonders hoch?

Die höheren Löhne von Männern lassen sich nicht mit Ausbildungsabschlüssen und Qualifikationen erklären, sagen die IAB-Forschenden. Denn: In Sachsen sind Frauen im Verkauf von Lebensmitteln insgesamt besser qualifiziert. Fast 90 Prozent haben einen anerkannten Berufsabschluss. Der Anteil der Männer ohne Abschluss ist höher. Männer sind deutlich häufiger als Helfer tätig. Es gibt aber mehr Männer im Verkauf, die einen akademischem Abschluss haben.

Die Daten zeigen, dass stärkere Anstrengungen notwendig sind, um Geschlechtergerechtigkeit herzustellen, die Arbeit von Frauen aufzuwerten und Frauen mehr in gut bezahlte Beschäftigung und in Führungsaufgaben zu bringen.

Heidi Becherer | Vorsitzende der DGB-Frauen in Sachsen

Was muss sich in Sachsen ändern?

Als zentrales Ergebnis ist der Gender Pay Gap zwar weiter gesunken, aber die Strukturunterschiede zwischen Frauen und Männern sind unverändert geblieben. Auf Grundlage der Studie will das Gleichstellungsministerium nun mit Gewerkschaften und Kommunen ins Gespräch kommen, sagte Staatssekretärin Gesine Märtens. "Wir brauchen in Sachsen ein besseres Klima für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie." Außerdem:

  • Über EU-Mittel sollen künftig Alleinerziehende und Migrantinnen stärker im Berufsleben unterstützt werden
  • Gründerinnen sollen über den bisherigen Bonus hinaus gefördert werden
  • Sachsen verhandelt derzeit über ein neues Gleichstellungsgesetz im öffentlichen Dienst, das nach dem Sommer zur Anhörung kommen soll

Auch die Vorsitzende der DGB-Frauen in Sachsen, Heidi Becherer, sieht Handlungsbedarf: "Die Daten zeigen, dass stärkere Anstrengungen notwendig sind, um Geschlechtergerechtigkeit herzustellen, die Arbeit von Frauen aufzuwerten und Frauen mehr in gut bezahlte Beschäftigung und in Führungsaufgaben zu bringen."

Mehr Informationen zur Berechnung des Gender Pay Gaps finden Sie hier.

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MDR (kk,kb)/dpa

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | SACHSENSPIEGEL | 08. Juni 2022 | 19:00 Uhr