Veterinärmedizin Tierkliniken in Sachsen: Notversorgung von Tieren in Gefahr

22. Juli 2022, 15:44 Uhr

In Sachsen sterben die Tierkliniken. Tierärzte schlagen Alarm. Vor allem nachts und am Wochenende könnten Tiere schon jetzt zum Teil nicht mehr rechtzeitig behandelt werden. Die Situation hat sich seit Anfang Juli noch verschärft. Da haben gleich drei Kliniken ihren Klinikstatus abgegeben. Für den gesamten Freistaat gibt es jetzt nur noch drei Tierkliniken, die rund um die Uhr für tiermedizinische Notfälle bereitstehen.

In Sachsen sterben die Tierkliniken, warnen Tierärzte. Vor allem nachts und am Wochenende könnten Tiere schon jetzt zum Teil nicht mehr rechtzeitig behandelt werden. Die Situation hat sich seit Anfang Juli noch verschärft: Da haben gleich drei Kliniken ihren Klinikstatus abgegeben. Im gesamten Freistaat Sachsen stehen jetzt nur noch drei Tierkliniken rund um die Uhr für tiermedizinische Notfälle bereit, hat eine Recherche von MDR SACHSEN ergeben.

Letzte Tierklinik im Großraum Dresden gibt auf

Die Tierärztin Katja Pfeil ist zwischen zwei Operationen in den Empfangsbereich des tierärztlichen Überweisungszentrums Dresdner Heide gekommen, um zu erklären, was ihr Sorgen bereitet. Vor drei Wochen hat die Praxis an der Dresdner Fischhausstraße ihren Klinikstatus abgegeben. Es war die letzte Klinik im Großraum Dresden mit einer Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft. Katja Pfeil erzählt, wie schwer ihr und dem gesamten Team dieser Schritt gefallen sei:

Ich bin Tierärztin geworden, weil ich Tieren helfen will. Ich weiß, dass ich mit diesem Schritt vielen nicht mehr helfen werde und viele dadurch sterben werden.

Katja Pfeil Tierärztin in Dresden

Auch in Stolpen und in Marienberg gibt es jetzt keine Tierklinik mit 24-Stunden-Bereitschaft mehr. Im Fall der Klinik in Stolpen, die jetzt eine Tagesklinik ist, ist wochentags bis 21 Uhr besetzt und samstags bis 18 Uhr.

Fehlender Nachwuchs und handgreifliche Tierbesitzer

Und doch habe sich das Team der Tierklinik Dresdner Heide zu dem Schritt gezwungen gesehen. Aus mehreren Gründen: Es fehle der Nachwuchs, junge Tierärzte wollten seltener Nachtdienste übernehmen, Patienten-Besitzer würden immer öfter handgreiflich und zudem habe durch Corona die Zahl der Haustiere um rund ein Drittel zugenommen. Außerdem wären nachts oder am Wochenende immer mehr Tiere gebracht worden, die keine Notfälle waren. Diese müssten eigentlich durch die niedergelassenen Tierärzte behandelt werden, die verpflichtet sind, Notrufbereitschaften zu übernehmen.

Landestierärztekammer: Tierärzte entziehen sich dem Notdienst

Laut sächsischem Sozialministerium muss die Landestierärztekammer diesen Notfalldienst organisieren. Doch der Präsident der Landestierärztekammer, Uwe Hörügel, räumt ein, dass es keine zentrale Koordination der Notfalldienste gibt:

Wir als Kammer haben gar keinen Überblick. Das obliegt den Kollegen selber. Jetzt ist das erst durch das Kliniksterben aufgekommen, dass sich viele dem Notdienst entziehen.

Uwe Hörügel Präsident der Landestierärztekammer

Die Landestierärztekammer könne nur handeln, wenn sie das zur Anzeige bekomme, in dem Sinne: "von anderen Tierärzten, von Besitzern, dass der Tierarzt, der eigentlich Notdienst hatte, nicht erreichbar war."

Tierärzte kommen als Einzelkämpfer an ihre Grenzen

Rüdiger Mauhs kann da nur den Kopf schütteln. Er hat eine kleine Tierarztpraxis in Coswig, mit einer angestellten Tierärztin und einer Tierarzthelferin. Selbstverständlich mache er Notdienst im Wechsel mit anderen Tierärzten aus dem Elbtal. Als nächtlicher Einzelkämpfer komme er aber schnell an seine medizinischen Grenzen, so Tierarzt Mauhs:

Ich hatte letztens einen Hund im Notdienst, der war völlig apathisch, völlig zittrig. Die Leute brauchen dann erstmal eine Stunde Anfahrt bis zu mir. Dann stelle ich fest, dass ich wirklich nicht weiterkomme. Diese Stunde ist einfach verloren.

Rüdiger Mauhs Tierarzt

Realität kollidiert mit Tierschutzgesetz

Das sind genau solche Fälle, von denen Tierärztin Katja Pfeil aus der ehemaligen Klinik Dresdner Heide fürchtet, dass sie nun öfter vorkommen werden. Dabei steht ihr Team nach wie vor das ganze Jahr rund um die Uhr bereit, auch für nächtliche Not-OPs. Allerdings nun im Normalfall auf Überweisung eines niedergelassenen Tierarztes. Insgesamt sei die Situation so verfahren, dass sie als Tierärzte dem Tierschutzgesetz eigentlich nicht mehr gerecht werden könnten, klagt Katja Pfeil. Das Gesetz sieht vor, dass der Mensch das Leben und Wohlbefinden des Tieres als Mitgeschöpf schützen muss.

Tierärztin Pfeil sieht sich auch noch mit anderen Gesetzen in Konflikt kommen, beispielsweise mit dem Arbeitszeitgesetz. Weil Personal fehle, aber immer mehr Patienten kämen, könne sie sich nicht auch noch an die Arbeitszeitregeln halten. "Da krieg ich keine Notdienstsituation geregelt. Das funktioniert nicht."

Arbeitsgruppe soll Lösung suchen

In der sächsischen Landestierärztekammer beschäftigt sich nun eine Arbeitsgruppe mit dem immer drängenderen Problem tierärztlicher Notdienst. Im Frühjahr nächsten Jahres will diese mögliche Lösungen auf den Tisch legen.

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Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Guten Morgen Sachsen | 22. Juli 2022 | 08:20 Uhr

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