Flutkatastrophe Sachsen schickt Helfer und Technik in westdeutsche Hochwasser-Gebiete

17. Juli 2021, 13:23 Uhr

Die Flutkatastrophe im Westen Deutschlands erschüttert auch die Menschen in Sachsen. Schmerzhafte Erinnerungen an die Fluten 2002 und 2013 werden wach. Weil der Freistaat damals umfangreiche Hilfe aus ganz Deutschland bekam, möchten sowohl die Landesregierung als auch viele Städte nun etwas zurückgeben. Unterdessen hat ein Fluthelfer aus Meißen im Katastrophengebiet bereits etwas Positives bewirkt.

THW Zwickau soll bei Trinkwasserversorgung helfen

In Sachsen sind angesichts der Bilder aus den westdeutschen Hochwassergebieten zahlreiche Hilfsaktionen angelaufen. Das Technische Hilfswerk (THW) hat die Fachgruppe Trinkwasserversorgung des Ortsverbands Zwickau am Samstagmorgen in Richtung Eifel entsandt. Wohin es genau geht, konnte der Sprecher des Ortsverbands noch nicht genau sagen. Insgesamt neun Leute sollen in der Krisenregion mit Hilfe von mobilen Trinkwasser-Aufbereitungsanlagen die Versorgung mit sauberem Trinkwasser sicherstellen.

DRK Sachsen schickt 1.500 Feldbetten in Krisenregion

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) Sachsen hat in einem ersten Schritt 1.500 Feldbetten und Personal in die Flutgebiete im Westen geschickt. Sie sollen in der Nacht ankommen. Auch die Gerätewagenversorgung zur Trinkwasserabgabe sowie die dafür ausgebildeten Katastrophenschutzhelfer stünden bereit.

Die Johanniter Sachsen stehen mit ihren Teams in Dresden, Leipzig und dem Erzgebirge ebenfalls in den Startlöchern. Sollten sie angefordert werden, können sie mit Versorgungs- und psychoszialen Teams unterstützen, wie sie auf Anfrage von MDR SACHSEN mitteilten.

Polizei Sachsen schickt Hundertschaft nach Koblenz

Die Polizei Sachsen wird am Sonntag eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei aus Leipzig in die Krisenregion entsenden. Diese soll in Koblenz stationiert werden, teilte die Polizei Sachsen am Freitagnachmittag mit. Ob und in welcher Form die Polizei noch unterstützen kann, werde derzeit beraten. Bereits am Donnerstag machten sich Einsatzkräfte der sächsischen Polizei mit einer mobilen Digitalfunk-Basisstation auf den Weg in den Kreis Euskirchen.

Marienberger Panzergrenadiere auf dem Weg nach Ahrweiler

Bundeswehrsoldaten aus Sachsen sind ebenfalls in der Krisenregion im Einsatz. Für die Hilfe nach der Unwetterkatastrophe verlegt die Bundeswehr Panzergrenadiere aus Marienberg mit schwerem Gerät in die besonders schwer betroffene Region Ahrweiler. "Verstärkung kommt!", schrieb das Heer am Freitag auf Twitter. Das Panzergrenadierbataillon 371 sei auf dem Weg Richtung Ahrweiler, um die Rettungskräfte dort zu entlasten. Allein im Dorf Schuld an der Ahr mit 700 Einwohnern wurden mehrere Häuser von den Wassermassen mitgerissen, zahlreiche weitere Gebäude teils schwer beschädigt.

Fluthelfer aus Meißen hilft in Velbert

Die Bilder aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz weckten auch beim Leiter des Meißner Seniorenparks "Carpe Diem", Lars Weber, Erinnerungen an das Jahrhunderthochwasser 2002. Und er beschließt zu helfen. "Zu unserem Unternehmen gehört auch ein Heim in Velbert in Nordrhein-Westfalen. Die Flutwelle hat dort dazu geführt, dass der Keller vollgelaufen und alles voller Schlamm ist", sagte Weber.

Als der Einrichtungsleiter davon hört, beschließt er noch am Donnerstagmorgen zu helfen. Bereits gegen Mittag macht er sich auf den Weg in den Ort nahe Wuppertal. "Wir haben ja noch von den Fluten in Meißen ein Notstromaggregat, Verteiler und Lampen. Das habe ich alles eingepackt und mitgenommen", so Weber. Vor Ort in Velbert kann er damit sofort einiges bewirken:

Durch den Wassereinbruch war der Strom ausgefallen. Die 78 Bewohner des Heimes standen eigentlich kurz vor der Evakuierung. Da ich aber nun das Notstromaggregat dabei hatte, war das nicht mehr notwendig.

Lars Weber Leiter der Seniorenresidenz "Carpe Diem" in Meißen

Pflegebedürftige Senioren, die teilweise auch unter Demenz leiden, hätten so in ihrem gewohnten Umfeld bleiben können, berichtete Weber.

Grimma schickt Helferteam in die Eifel

Ähnlich wie der Leiter der Meißner Seniorenresidenz bieten inzwischen ganze Städte ihre Hilfe an. Mit dabei ist auch eine sächsische Stadt, die 2002 besonders leiden musste: Grimma. Sie schickte diesen Freitag Helferteams in die Eifel. Zunächst sollen zwei Dreier-Teams in kleineren Orten in der Nähe des Nürburgrings mit anpacken, sagte Oberbürgermeister Matthias Berger (parteilos) MDR SACHSEN.

"Wir haben das schon mehrfach gemacht bei Hochwasserereignissen woanders", sagte Berger. Mitarbeiter des Bauhofes und Feuerwehrleute würden mindestens bis nächsten Dienstag in der Region bleiben. "Die Erfahrung lehrt, dass relativ schnell der Schlamm aus den Häusern muss, wenn die Katastrophe vorbei ist. Da braucht man Kärcher und Pumpen. Alles das haben wir. Außerdem sind unsere Leute geübt", erklärte der Oberbürgermeister.  

Aktion "Deutschland Hilft", Eilenburg, Aue und Wohlfahrtsverbände richten Spendenkonten ein

Wenn Sie für die von der Hochwasserkatastrophe Betroffenen spenden wollen, finden Sie hier Hilfsorganisationen und die Bankverbindung zur Aktion "Deutschland Hilft".

Aktion "Deutschland Hilft" "Aktion Deutschland Hilft" ist ein Zusammenschluss von 23 deutschen Hilfsorganisationen, darunter action medeor, ADRA, Arbeiter-Samariter-Bund, AWO International, CARE Deutschland, Habitat for Humanity, HELP - Hilfe zur Selbsthilfe, Johanniter-Unfall-Hilfe, Malteser Hilfsdienst, World Vision Deutschland, Der Paritätische (darüber aktiv: arche Nova, Bundesverband Rettungshunde, Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners, Hammer Forum, Handicap International, Help Age Deutschland, Kinderverband Global-Care, LandsAid, SODI und Terra Tech).

Unterdessen hat die nordsächsische Stadt Eilenburg, die in der Vergangenheit selbst von der Flut gebeutelt war, ein Spendenkonto eingerichtet. "Dutzende Tote und Vermisste, ganze Orte, die in den Fluten versinken. Es ist eine Katastrophe, wie sie Deutschland lange nicht erlebt hat. (...) Eilenburg kennt diese Zustände aus jüngster Vergangenheit leider nur allzu gut und will helfen. Bitte spendet und unterstützt die Betroffenen, die ihre Liebsten und ihre Existenzgrundlage verloren haben und nun vor dem Nichts stehen", heißt es in dem Aufruf der Stadtverwaltung.

Zu Spenden ruft ebenfalls Aue-Bad Schlema auf. Wie die Stadt mitteilte, beteiligt sie sich an einem Aufruf der Partnerstadt Solingen, die vom Hochwasser betroffen ist. Oberbürgermeister Heinrich Kohl (CDU) hat zudem die Hilfe der Stadt angeboten. 2002 halfen den Angaben zufolge die Solinger mit Sachwerten und Personaleinsatz sowie über 320.000 Euro Spendengeldern der Auer Bevölkerung und den Auer Unternehmen, als ein Großteil der Innenstadt überflutet wurde.

Mit einem Spendenkonto geht auch die Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Sachsen an den Start. Wie das DRK mitteilte, geht der Aufruf an alle Bürgerinnen und Bürger, sich mit den Menschen in den Katastrophengebieten zu solidarisieren und mit einer Geldspende zu unterstützen. Sachspenden sind nicht möglich. Auch der Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge verweist auf dieses Konto. Landrat Michael Geisler (CDU) sagte: "Die Not der Menschen, die alles verloren haben, was sie sich aufgebaut haben, ihr Zuhause und alle persönlichen Erinnerungen, ist für uns zum Greifen nahe. Wir müssen jetzt unseren Beitrag leisten, die Menschen in den betroffenen Gebieten zu unterstützen."

Dresden will sich für Hilfe revanchieren

Erschüttert von den Fluten im Westen Deutschlands zeigt sich auch Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP):

Die aktuellen Bilder aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz rufen bei vielen Dresdnerinnen und Dresdnern und auch bei mir schreckliche Erinnerungen an die Hochwasser in unserer Region von 2002, 2006 und 2013 hervor. (…) Ich bin in Gedanken bei den Opfern und den vielen Menschen, die Angehörige und Freunde verloren haben.

Dirk Hilbert Dresdner Oberbürgermeister

Auch Dresden werde dort unterstützen, wo Hilfe benötigt wird, sagte der Oberbürgermeister.

Man habe während der Elbehochwasser selbst unglaubliche Solidarität aus ganz Deutschland erlebt und stehe nun bereit, einen Beitrag zur Bewältigung dieser Krise zu leisten. "Das Brand- und Katastrophenschutzamt hält engen Kontakt zu den anderen Feuerwehren in Deutschland und wir werden auf den Freistaat Sachsen zugehen, damit schnell und unbürokratische Hilfe koordiniert werden kann."

Energieversorger will mit Technik helfen

Ein konkretes Angebot machte auch der in Dresden ansässige Energieversorger Sachsen Energie. Wie das Unternehmen mitteilte, hat es über den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft ein Hilfsangebot für benötigtes Material, Sandsäcke oder auch Technik unterbreitet, um die Versorgung der Menschen zu sichern. Parallel prüften Experten, welche konkreten Versorgungsanlagen in die betroffenen Gebiete geschickt werden könnten, hieß es.

Chemnitz hilft Partnerstadt Düsseldorf

Helfen will auch Chemnitz - und zwar der Partnerstadt Düsseldorf. "Die Chemnitzer Feuerwehr hat ihre Bereitschaft erklärt, den betroffenen Gemeinden im Westen Deutschlands sowie auch der Partnerstadt Düsseldorf zu helfen", sagte Oberbürgermeister Sven Schulze (SPD). Gleichzeitig ruft er die Chemnitzerinnen und Chemnitzer dazu auf, die betroffenen Menschen vor Ort durch Spenden zu unterstützen.

Landkreise Görlitz und Bautzen stellen Hilfsteams zusammen

Bei den Hilfsaktionen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ist auch die Oberlausitz vertreten. "Wir als Landkreis Görlitz werden drei Züge zur Verfügung stellen: Einen Versorgungszug, der die medizinische Betreung übernehmen kann sowie das Essen und das Trinkwasser verteilt", sagte Kreisbrandmeister Björn Mierisch. Ein weiterer Zug werde sich um die technische Hilfeleistung kümmern. Er verfüge über Notstromaggregate, Pumpen und eine Wasserversorgung. Insgesamt seien 70 Kameraden im Einsatz, so Mierisch. Helfen will außerdem der Landkreis Bautzen. In Absprache mit dem sächsischen Innenministerium sollen 25 Helfer abgestellt werden, hieß es aus dem Landratsamt.

Katastrophenschutz braucht neue Hubschrauber

Die Hilfe bei der Bewältigung des verheerenden Hochwassers in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hat eine Schwachstelle im sächsischen Katastrophenschutz offenbart. Der Freistaat habe den beiden Ländern für den Rettungseinsatz auch seine Hubschrauberstaffel angeboten, sagte Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) am Freitag in Dresden. Die Offerte konnte aber nicht angenommen werden - die Fluggeräte seien zu klein und nicht in der Lage, mit einem Seil Menschen hochzuziehen. "Da haben wir gemerkt, dass wir neue Technik anschaffen müssen", sagte Kretschmer. Die drei Hubschrauber würden ausgetauscht.

Zuvor hatte Kretschmer den Landesregierungen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen Hilfe zur Beseitigung der Unwetterschäden angeboten. "Diese betroffenen Regionen brauchen schnelle und unbürokratische Unterstützung von Seiten des Bundes, so wie sie auch Sachsen beim Jahrhunderthochwasser 2002 erhalten hat", sagte der CDU-Politiker. "Das Hochwasser ist eine Katastrophe von nationaler Tragweite."

Quelle: MDR/sth/dk/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 16. Juli 2021 | 19:00 Uhr

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