InterviewWeihnachten in Sachsens Jugendknast: Zeit der Reue am Heiligen Abend
Weihnachten ist das Fest der Familie. Vor allem für Kinder und Jugendliche übt es eine ganz spezielle Faszination aus. Doch was ist, wenn der Nachwuchs schon in jungen Jahren auf die schiefe Bahn geraten ist und das Fest hinter Gittern verbringen muss? Wie kommen die Jugendlichen damit klar und zeigen sie Reue für ihre Taten? Darüber haben wir mit Vollzugsabteilungsleiter Jens Kempe aus der sächsischen Jugendstrafvollzugsanstalt in Regis-Breitingen gesprochen.
Herr Kempe, wie sieht die Weihnachtszeit im Jugendgefängnis aus? Bemerkt man sie oder läuft alles so ab wie immer?
Jens Kempe: Grundsätzlich gibt es in den fünf Häusern der Haftanstalt immer einen klaren Tagesablauf - auch zu Weihnachten. Allerdings müssen die jugendlichen Häftlinge in dieser Zeit nicht zur Schule oder arbeiten gehen. Darüber hinaus versuchen wir schon, ihnen Weihnachten näher zu bringen. Jede Wohngruppe bekommt einen eigenen Weihnachtsbaum und die Jugendlichen dürfen unter Einhaltung der Corona-Regeln gemeinsam essen, was sonst nicht möglich ist.
Bekommen die Häftlinge zum Fest auch etwas Besonderes zu essen?
Ja, das ist so. Am ersten Weihnachtsfeiertag gibt es eine halbe Ente mit Klößen und am zweiten Feiertag Wildgulasch.
Dürfen die Insassen ihre Zellen dekorieren?
Da Ordnung und Sicherheit Priorität haben, darf der Haftraum nicht dekoriert werden. Wir bieten aber beispielsweise Bastelrunden an, wo die Jugendlichen etwas für ihre Angehörigen basteln können. Sie haben auch die Gelegenheit, Weihnachtskarten zu verschicken.
Haben Insassen die Möglichkeit, Geschenke von ihren Angehörigen zu erhalten, wenn diese entsprechend kontrolliert werden?
Nein, das ist aus Gründen der Sicherheit, aber auch der Gleichbehandlung nicht zulässig.
Gibt es zu Weihnachten eine Art kulturelles Programm, beispielsweise Lieder singen oder ähnliches?
Fünf bis sechs Gefangene können unter anderem beim Krippenspiel mitmachen. Die Anmeldung läuft über unsere Seelsorger. Aufgeführt wird das Stück dann in der Aula des Gefängnisses. Normalerweise nehmen im Publikum 50 Jugendliche an der Aufführung teil. Aufgrund von Corona ist dies nur für maximal 20 jugendliche erlaubt. Ansonsten finden auch sportliche Turniere wie Tischtennis, Fußball oder Mehrkampf unter Beachtung der Corona-Festlegungen statt.
Sind solche Aktivitäten mit dem regulären Budget möglich?
Nein, das reicht dafür nicht aus. Deshalb gibt es den Gefangenenfürsorgeverein, dessen Vorsitzender ich bin. Mit dem Verein unterstützen wir die Freizeitveranstaltungen finanziell und haben in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass mittellose Jugendliche auch mal einen Beutel mit Süßigkeiten oder Tabak erhalten.
Weihnachten hat einen religiösen Ursprung. Können religiöse Menschen ihren Glauben hinter Gittern leben?
Es existiert dafür ein Seelsorgebereich mit einer evangelischen und katholischen Pfarrerin. Diese bieten regelmäßig Gottesdienste sowie Bibelgruppen an und stehen auch sonst für Gespräche mit den Gefangenen zur Verfügung.
Löst die Weihnachtszeit bei den jugendlichen Insassen etwas aus, wenn sie das Fest ohne Familie verbringen müssen?
Das ist ganz unterschiedlich. Bei manchen merkt man tatsächlich, dass es eine besondere Situation ist. Sie wären gern zu Hause bei der Familie und ziehen sich dann in ihre Zelle zurück. Auch Reue für ihre Taten kommt dann bei einigen auf. Andere wiederum berührt die Weihnachtszeit kaum.
Bei den meisten ist es aber so, dass sie eine Weihnachtszeit mit gemeinsamem Kaffeetrinken und Essen entweder lange nicht erlebt haben oder gar nicht gewohnt sind. Viele kommen aus zerrütteten Familien.
Welche Besuchsregelungen gibt es über die Feiertage für diejenigen, die Kontakt zur Familie haben?
Vom 24. bis 26. Dezember gibt es zu festen Zeiten die Möglichkeit, Besuch zu empfangen. Dabei gilt die 3G-Regelung und Maskenpflicht. Wenn ein Besuch der Angehörigen nicht infrage kommt, können die Jugendlichen auf Antrag auch mit ihnen skypen.
Jugendgefängnis Regis-BreitingenDas Jugendgefängnis in Regis-Breitingen wurde 2007 eröffnet. Der 56 Jahre alte Jens Kempe ist dort seit 2009 als Vollzugsabteilungsleiter tätig. Er leitet ein Haus mit 60 Jugendstrafgefangenen. Derzeit befinden sich 170 Häftlinge in der Anstalt. Die Kapazität reicht für 290. Der Großteil der Jugendlichen ist zwischen 17 und 21 Jahre alt, wenige Jugendliche sind zwischen 14 und 16 Jahre alt.
Quelle: MDR(sth)