Preissteigerung Essen in Kitas und Schulen in Sachsen wird teils deutlich teurer

29. August 2022, 13:18 Uhr

Überall steigen die Kosten: Strom, Gas, Benzin, Lebensmittel – dass die Preise deutlich angezogen haben, merken viele Sachsen in den Portemonnaies. Für Eltern von Kita- und Schulkindern kommt mit dem Start des neuen Schuljahrs am Montag ein weiterer Posten hinzu: Das Schulessen. Viele Essensversorger haben Preissteigerungen angekündigt. Und es werden womöglich nicht die letzten in diesem Jahr sein.

Viele Eltern in Sachsen haben bereits Post vom Essensanbieter der Schule oder der Kita ihrer Kinder bekommen. All diese Schreiben haben eines gemeinsam: Sie kündigen an, dass das Essen im neuen Schuljahr oder in den kommenden Wochen teurer wird.

Der Caterer Vielfalt Menü beispielsweise schreibt den Eltern einer Schülerin in Dresden: "Der Gesetzgeber sieht in diesem Jahr trotz Inflation und Energiepreisanstieg zwei Erhöhungen beim Mindestlohn vor: Zum 1. Juli 2022 auf 10,45 Euro und zum 1. Oktober 2022 auf 12 Euro pro Arbeitsstunde." Das Unternehmen sei gesetzlich verpflichtet, diese Vorgaben umzusetzen. Deshalb müssten die Preise für die Essensversorgung angepasst werden. Beim Dresdner Fall steigt der Preis ab 1. September für ein Essen von 4,15 Euro auf 4,72 Euro pro Tag. Des entspricht einer Steigerung von knapp 14 Prozent.

5 Euro pro Essen: Bald die günstige Ausnahme?

Der Vorsitzende des Kreiselternrats Chemnitz, Thomas Brewig, hat einen ähnlich lautenden Brief bekommen. "Bei uns kostet das Essen für unsere Tochter jetzt 5 Euro. Wenn ich mir aber angucke, was da im Herbst und Winter noch auf Energiekosten auf alle zukommt, befürchte ich, dass wir uns mit 5 Euro demnächst eher im Billigsegment beim Schulessen befinden", mutmaßt er.

60 Cent mehr pro Essen – das sei nicht ungewöhnlich. Auch von einem Euro mehr am Tag habe Brewig schon gehört. In manchen Kitas müssten Eltern inzwischen mit bis zu 8 Euro am Tag für die Essensversorgung ihres Kindes rechnen. "Ich weiß, dass das viele Kitas betrifft. Man kann schon nachvollziehen, dass es Preissteigerungen geben muss. Trotzdem höre ich, dass nun schon einige Eltern sehr genau überlegen, ob sie das Schulessen weiter bestellen wollen oder können."

Schüler beim Mittagessen in der Mensa einer Grundschule
5 Euro für Eier mit Senfsauce - so sieht das Preisniveau in Zukunft an vielen Schulen in Sachsen aus. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jens Kalaene

Schulessen nur noch für Besserverdiener?

Dabei, so unterstreicht Brewig, seien vor allem Eltern mit kleineren und mittleren Einkommen und vielen Kindern die Leidtragenden der aktuellen Situation. "Das sind Familien, die knapp über der Einkommensgrenze liegen, bis zu der das Essensgeld auf Antrag übernommen wird. Ich spreche von den unteren Lohnniveaus, die eigentlich nicht als Hilfeempfänger bekannt geworden sind." Wer beispielsweise Hartz IV bezieht, kann mit einem Antrag bei der kreisfreien Stadt oder dem zuständigen Landkreis bewirken, dass das Mittagessen in Kita- oder Schule übernommen wird. So entstehen mit Hilfe des sogenannten Bildungspakets zumindest bei der Essensversorgung der Kinder keine Zusatzkosten.

Welche Leistungen umfasst das Bildungspaket?

Das Bildungspaket richtet sich an Familien, die Hart IV oder Sozialhilfe beziehen, Anspruch auf Wohngeld oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haben. Das Paket umfasst neben der Mittagsverpflegung auch Ausflüge und Klassenfahrten sowie Schülertransport und Lernförderung. 

Sorge um Versorgungssicherheit der Schulen und Kinder

Brewig befürchtet nach eigenen Angaben eine fatale Kostenspirale an einigen Schulen. Heißt Klartext: Wenn eine größere Anzahl von Eltern an einer Schule kein Essen mehr ordert, können die Caterer weniger Essen zur Verfügung stellen und müssten so ihre Preise wieder erhöhen, damit sich die Lieferung noch lohnt. Doch steigen die Preise weiter, könnten sich immer mehr Eltern das Schulessen nicht leisten. Irgendwann, so die Sorge, lohnt sich die Küche gar nicht mehr. "Diese Schulen würden dann komplett aus der Belieferung herausfallen."

Schulessen
Frisch, bio und regional soll das Essen sein, dazu noch presiwert. Caterer warnen, dass ohne politisches Eingreifen bald viele Unternehmen dicht machen müssen. Bildrechte: colourbox

Caterer warnen bereits seit Monaten

Die Essensversorger schlagen im Verband deutscher Schul- und Kitacaterer schon länger Alarm, denn bereits die Corona-Zeit war nach deren Angaben hart für die Branche. Von bis zu 90 Prozent Umsatzrückgängen war im Januar 2021 die Rede. In einem Brandbrief im April 2022 versuchte der Verband abermals auf die schwierige Lage der Unternehmen aufmerksam zu machen: "Die Folgen der Corona-Pandemie sind noch nicht überstanden, da trifft die Cateringbranche der nächste Hammerschlag. Der Krieg in der Ukraine hat eine Kettenreaktion in Gang gesetzt, an deren Ende die Schul- und Kitacaterer in Deutschland mit massiven Mehrkosten konfrontiert sind, ohne sie ausgleichen zu können."

Branche der Essensanbieter beklagt veraltete Verträge

Das Problem aus Branchensicht ist die teils extreme Preissteigerung in kurzer Zeit beispielsweise bei Lebensmittel und Energie, gleichzeitig seien die Verträge der Caterer für Schul- und Kitaessen mit festen Preisen pro Essen fixiert, "die auf wirtschaftlichen Annahmen beruhen, die in keiner Weise mehr der aktuellen Lage entsprechen." Der Branchenverband fordert deshalb ein Eingreifen der Politik und spricht sich auf lange Sicht für ein kostenfreies Mittagsessen für Kinder in Kitas und Schulen aus.

In Kürze: Grund für höhere Preise aus Branchensicht - Preisanstieg für Lebensmittel
- Preisanstieg für Strom
- hohe Inflation
- neue Zusatzgebühren von Speditionen
- Anstieg beim Mindestlohn

Kostenloses Essen für Kinder: attraktiv aber nicht durchsetzbar

"Kostenloses Essen ist natürlich attraktiv. Aber das ist nicht durchsetzbar", meint Kreiselternrat Brewig. Er will realistisch bleiben – aber auch konstruktiv. Statt nur den Finger in die Wunde zu legen, plant er ein Treffen mit Elternvertretern und örtlichen Essensversorgern in der kommenden Woche. "Man muss darüber nachdenken, was man tun kann, um das Mittagessen für alle Kinder zu ermöglichen", sagt er. Man wolle über mögliche Lösungen sprechen.

Bautzen: Unterstützung von kommunaler Seite

Doch wie könnten die aussehen? Die Stadt Bautzen macht es vor – so berichtet es die Sächsische Zeitung. Demnach werden den Unternehmen Betriebskosten wie Heizenergie, Strom und Wasser sowie Mieten für die Räume zur Essensversorgung nicht in Rechnung stellt. Für eine Stellungnahme und nähere Informationen zum Verfahren war der zuständige Amtsleiter auf Anfrage von MDR SACHSEN vorerst nicht zu erreichen.

Mehrwertsteuer: Ende des Jahres entfällt Ermäßigung

Derzeit scheint es, dass auch ein Handeln der Bundesregierung nötig werden könnte, um die Preise für die Essensversorgung nicht noch weiter steigen zu lassen. Derzeit profitieren die Caterer noch vom ermäßigen Mehrwertsteuersatz auf Gastronomieleistungen. Doch für viele Essensanbieter wird diese Steuererleichterung zum Ende des Jahres auslaufen. Ab 1. Januar 2023 wird für alle Unternehmen, die nicht nur das Essen bereitstellen, sondern beispielsweise auch Geschirr spülen oder die Mahlzeiten ausgeben, wieder eine Mehrwertsteuer von 19 Prozent fällig.

MDR (kp)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 29. August 2022 | 07:00 Uhr

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