Teuerungen und Lieferengpässe "Russland-Sanktionen stoppen" – Kreishandwerkschaften appellieren an Scholz
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15. Juli 2022, 12:24 Uhr
Die Kreishandwerkschaft Leipzig ist nun schon die zweite, die sich mit einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz wendet. Wegen der Sanktionen gegen Russland und den daraus resultierenden energiepolitischen Folgen sehen sie das Handwerk in Gefahr.
- Viele Produktionszweige im Handwerk klagen über extrem teure Baumaterialien.
- Kreishandwerkschaften sehen sich unmittelbar von den Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland betroffen und unterstützen sich gegenseitig.
- Befürchtung: Wenn die Regierung nicht bald reagiere, drohe vielen Branchen Stillstand.
Wolfgang Herzog ist Dachdeckermeister. Seit 1991 betreibt er in Leipzig einen Dachdecker- und Schornsteinbaubetrieb. Er ist hier in der Messestadt Obermeister der Dachdecker-Innung und Chef der Kreishandwerkerschaft.
Gemeinsam mit 15 Handwerksmeistern und -meisterinnen findet er im Brief an den Kanzler und sächsischen Ministerpräsidenten scharfe Worte. Die Gründe: "Weil unsere Bundesregierung täglich neue, fantastische Ideen auf den Markt bringt, ohne Grundlagen dafür zu schaffen. Man kann nicht als Politiker diese russische Regierung einfach schneiden und sagen: Na das wird schon."
Die Russland-Sanktionen hätten zu unwahrscheinlichen Teuerungen geführt, von denen das Handwerk als Dienstleistungsbranche mit Anfahrtswegen unmittelbar betroffen sei, sagt der Dachdeckermeister.
Man habe überdies eine riesige Teuerungswelle erzeugt, weil an den Gas- und Kraftstoffpreisen ganze Produktionszweige hängen würden. Dadurch hätten sich Baumaterialien enorm verteuert. Herzog nennt Beispiele wie Abdichtungsstoffe, Dämmmaterial oder Bitumenbahnen. Er erklärt weiter: "Das wirkt sich natürlich extrem auf das Handwerk aus, wo wir dann dem Kunden diese hohen Preise aufdiktieren müssen. Und wir sehen es ja in der öffentlichen Hand, da werden viele Vorhaben zurückgestellt, weil das zu teuer ist, weil das die Kommunen nicht mehr stemmen können."
Ausstieg aus fossiler Energie zu früh
Neben den Russland-Sanktionen kritisieren die Leipziger Handwerker unter anderem den schnellen Ausstieg aus der Kohle- und Atomenergie. Durch seine Klimapolitik vernichte Deutschland hochwertige Energietechnologien, ohne verlässliche und bezahlbare Alternativen zu haben.
"Embargo wurde zum Bumerang"
Mit ihrer Meinung finden die Leipziger Handwerker Unterstützung auch andernorts. Zum Beispiel bei der Kreishandwerkerschaft Anhalt Dessau-Rosslau. Hier ist Karl Krökel der Kreishandwerksmeister und sagt: "Wir unterstützen diese Forderung absolut, weil wir als Kreishandwerkerschaft ja bereits am 14. Juni uns mit einem offenen Obermeisterbrief an die Öffentlichkeit gewandt haben und diesen auch an die Regierung geschickt haben. Und darin fordern wir einen Stopp der Wirtschaftssanktionen, da das Embargo zum Bumerang geworden ist. Und wir haben seither aus ganz Deutschland enormen Zuspruch erfahren, aus sehr sehr vielen Kreishandwerkerschaften, die sich uns anschließen wollen." Der Kanzler habe bis heute nicht auf diesen offenen Brief reagiert, sagt Krökel.
Angst vor Perspektivlosigkeit und Stillstand
Dass die Sorgen und Probleme der Handwerker vielerorts vorhanden sind, bestätigt auch Manuel Ballerstedt, der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Elbe-Boerde: "Es ist natürlich schon ein bisschen beängstigend, und natürlich geht es um die Perspektivlosigkeit. Keiner weiß, wie es weitergeht. Das hört man fast tagtäglich. Die Bäcker wissen nicht mit dem Getreide, mit dem Mehl, wie es da weitergeht. Sonnenblumenöl fehlt. Wir haben im Automobilhandel jetzt schon eingeschränkten Verkauf aufgrund der Verfügbarkeit."
Es fehlte unter anderem an Halbleitern und Schaltschränken im Elektrobereich, die haben kaum Schaltschränke. Im Sanitätsbereich seien die Heizanlagen nur noch stark begrenzt verfügbar.
Die Angst sei groß, dass das Handwerk zum Stillstand komme, weil Produkte nicht mehr verfügbar seien. Dies sei ein Teufelskreislauf, in dem sich die Handwerkerschaft aktuell befinde.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 15. Juli 2022 | 06:00 Uhr