Geparkte Autos blockieren einen Bürgersteig.
In Leipzig häufen sich die Beschwerden wegen zugeparkter Bürgersteige und Rettungswege. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO / Gottfried Czepluch

Vorwürfe und Beobachtungen Bürgerbeschwerden: Duldet das Ordnungsamt Leipzig Falschparker?

02. Dezember 2022, 17:30 Uhr

Zugeparkte Fußwege und Kreuzungen auf Leipzigs engen Straßen: In der Stadt häufen sich Beschwerden von Anwohnern. Sie richten sich gegen Falschparker, die Fußgängern den Weg verstellen und die Verkehrssicherheit gefährden. Obwohl es zahlreiche Hinweise auf "Duldungen" von Falschparkern durch das Ordnungsamt gibt, weist das Amt die Vorwürfe zurück. Das will sich eine Bürgerinitiative nicht gefallen lassen.

Die Bürgerinitiative "Verkehrswende Leipzig" verlangt den Rücktritt von Leipzigs Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (Linke). Ein Leipziger hat dafür eine Petition gestartet. Hintergrund sei die "rechtswidrige Praxis" des Ordnungsamtes gegen Falschparker vorzugehen, erklärt Daniel Obst von der Bürgerinitiative. Die Vereinigung von Leipziger Bürgerinnen und Bürgern setzt sich für eine stärkere Förderung umweltfreundlicher Mobilität in Leipzig ein.

"Verkehrswende Leipzig" hatte nach eigenen Angaben Stadtgebiete ausgemacht, in denen das Ordnungsamt Falschparker konsequent nicht ahnden, sondern "dulden" würde. Mit Hilfe von Gesprächen mit Bürgern und Außendienstmitarbeitern sowie Social Media, Medienberichten, eigenen Beobachtungen und Satelliten- und Streetview-Fotos wurde eine Karte mit 70 Straßen in Leipzig erstellt, in denen Falschparker nicht um einen Strafzettel fürchten müssen.

Die Bürgerinitiative erklärt, dass Mitarbeitende des Ordnungsamtes seit Jahren erzählen würden, dass Falschparker in bestimmten Straßen nicht geahndet würden. Das werde von den Amtsstellen "von oben" angeordnet. Das Problem von zugeparkten Fußwegen und teilweise auch Kreuzungsbereichen werde öfter beobachtet und bei Einwohneranfragen beanstandet, heißt es weiter. Auf vier solcher Anfragen in diesem Jahr, die die Duldung des verbotenen Parkens thematisierten, beteuerte die Stadtverwaltung, dass es Duldungen nicht gebe.

Höflichkeitszettel sollen Falschparker vorwarnen

Zugeparkte Gehwege und Kreuzungen kennt auch Katja Roßburg. Die Leipzigerin lebt im Stadtteil Gohlis und beobachtete, dass hin und wieder schon mal ein Knöllchen verteilt werde. Andererseits würden Gehwege und auch Kreuzungsbereiche regelmäßig zugeparkt: "Da kann kein Kind mehr über die Motorhaube schauen und ein großer Einsatzwagen der Feuerwehr nicht herum kommen."

Von den Ämtern im Stadtbezirksrat Nord habe Roßburg auf ihre Hinweise nur ausweichende Antworten erhalten. Es gebe keine Probleme, sei eine Antwort gewesen. Zudem sei ihr von der Abteilungsleitung gesagt worden, dass das Ordnungsamt nicht dazu da sei, "die Verkehrsteilnehmer zu erziehen."

Feuerwerhauto kommt wegen zugeparkter Straße nicht weiter
Falschparker versperren immer wieder Wege für Rettungsfahrzeuge. (Symbolbild) Bildrechte: Imago/ Olaf Döring

Nach Bürgerbeschwerden wird Straße "entduldet"

Nach zahlreichen Bürgerbeschwerden sei das Ordnungsamt zumindest in der Bothestraße aktiv geworden und verteilte "Höflichkeitszettel", so Roßburg. Mit diesen würden Falschparker vorgewarnt, dass sie in einem verbotenen Parkbereich stehen. Nach einigen Wochen würden dann falsch parkende Autos richtig geahndet.

Wie das Ordnungsamt auf Anfrage mitteilte, sei die Verteilung von "Höflichkeitszetteln" gängige Praxis: "Es hat sich vielerorts bewährt, in solchen Fällen über einen kurzen Zeitraum vorher die Anlieger über die Sach- und Rechtslage aufzuklären und ihnen Gelegenheit zu geben, alternative Abstellmöglichkeiten für ihre Fahrzeuge zu suchen." Der Zustand in der Bothestraße sei jahrelang geduldet worden, entgegnet jedoch Anwohnerin Katja Roßburg: "Es wurde erst reagiert, nachdem sich Bürger beschwert haben."

Ehemaliger Mitarbeiter bestätigt Duldungen

Ein Ex-Mitarbeiter, der nicht namentlich genannt werden will, bestätigt im Interview mit MDR SACHSEN, dass er eine Praxis der "Duldung" von Falschparkern in seiner neunmonatigen Dienstzeit fürs Ordnungsamt erlebt hat. Während seiner Einarbeitungszeit hätten ihn Kolleginnen und Kollegen mündlich darauf hingewiesen, dass manche Straße nicht kontrolliert werden sollen.

"Wir sind in Straßen gekommen, in denen ganz viele Autos auf den Gehwegen standen. Ich hatte entsetzt nachgefragt, warum die Autos alle falsch stehen. Mir wurde gesagt, dass das 'geduldet' wird beziehungsweise dass es 'Duldungsrecht' ist", so der ehemalige Mitarbeiter. Er habe sich damals nach einer Amtsregelung oder Liste mit Straßen erkundigt, die "geduldet" seien. Schriftliche Anweisungen existierten nicht, meinten demnach die Kollegen. Er müsse die betroffenen Straßen auswendig lernen.

Strafzettel im Ausland.
Ein ehemaliger Mitarbeiter des Ordnungsamtes Leipzig berichtet, dass er mündlich darauf verwiesen wurde, Falschparkern in bestimmten Straßen in Leipzig keinen Strafzettel zu geben. (Symbolbild) Bildrechte: Colourbox.de

Ich hatte entsetzt nachgefragt, warum die Autos alle falsch stehen. Mir wurde gesagt, dass das 'geduldet' wird beziehungsweise dass es 'Duldungsrecht' ist.

Ehemaliger Mitarbeiter im Ordnungsamt

Wenn er doch einmal in einer "geduldeten" Straße Strafzettel verteilen würde, gebe es Ärger mit den Amtsleitern, hätten ihm die Kollegen erklärt. Nach seiner Probezeit verwarnte er im Februar 2022 jedoch Falschparker in einem als "Duldungsgebiet" ausgewiesenen Bereich in der Luckaer Straße. Von seinem damaligen Vorgesetzten sei der Mann damals zurückgepfiffen worden.

In einer E-Mail, die MDR SACHSEN vorliegt, mahnte er den Bediensteten an, in einem Bereich Falschparker verwarnt zu haben, in denen sie "bisher geduldet" wurden. Er sollte eine dienstliche Erklärung zu dem Fall abgeben. Folgen habe der Vorfall für ihn keine gehabt, so der ehemalige Mitarbeiter.

Ordnungsamt handelt im eigenen Ermessen

In einer Beschwerde an die Landesdirektion Sachsen wies Daniel Obst von der Bürgerinitiative "Verkehrswende Leipzig" im Juli 2022 darauf hin, dass Autofahrer die Luckaer Straße und die Hartmannsdorfer Straße im Abschnitt zwischen Schwartzestraße und Kulkwitzer Straße regelmäßig die Fußwege auf beiden Seiten zuparken würden, obwohl keine Parkbereiche ausgewiesen sind. Obwohl das Parken damit dort offiziell verboten ist, würde das Ordnungsamt die Falschparker "dulden", sagt Obst.

Die Landesdirektion verwies in ihrer Erklärung darauf, dass für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten das Opportunitätsprinzip gelte. Das bedeutet, die zuständige Behörde - in dem Fall das Ordnungsamt Leipzig - entscheidet, ob und in welchem Umfang angezeigte Verstöße geahndet werden. Die Behörde bestimme auch selbst, wie viel Personal sie für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeiten einsetze.

Heiko Rosenthal
Heiko Rosenthal (Linke) ist Ordnungsbürgermeister der Stadt Leipzig. Die Bürgerinitiative "Verkehrswende Leipzig" fordert seinen Rücktritt. Bildrechte: IMAGO / Eibner

In der Antwort der Landesdirektion verwies die Stadtverwaltung Leipzig darauf, dass eine "permanente Verkehrsüberwachung" in diesen Straßen nicht möglich sei. Die Stadt begründetet das mit der Verkehrslage in anderen Stadtteilen, begrenztem Personal im Ordnungsamt und betonte, dass die betroffenen Straßen nur Anliegerstraßen sind.

Ordnungsamt weist Vorwürfe von sich

Von MDR SACHSEN mit der häufig beobachteten und von dem Ex-Mitarbeiter in dessen Arbeitsalltag erlebter Praxis der Duldung von Falschparkern konfrontiert, weist das Ordnungsamt lediglich darauf hin, dass es solche Duldungen nicht gebe: "Das Ordnungsamt bestätigt, dass es keine Festlegungen zum planmäßigen Unterlassen von Ordnungswidrigkeitenanzeigen in bestimmten Gebieten gibt."

Das Ordnungsamt bestätigt, dass es keine Festlegungen zum planmäßigen Unterlassen von Ordnungswidrigkeitenanzeigen in bestimmten Gebieten gibt.

Ordnungsamt der Stadt Leipzig

Unter Verweis auf das Opportunitätsprinzip erklärt das Ordnungsamt gleichzeitig, dass es nicht darum gehe "das Falschparken gut[zu]heißen oder zu Gunsten von Autofahrern untätig [zu] bleiben." Demnach gebe es keine Bereiche, in denen es zu einer "Legalisierung ordnungswidrigen Verhaltens" komme. Falschparker müssten "jederzeit mit einer anderen Kontrollpraxis rechnen", auch wenn sie vorher nicht behelligt wurden.

Falschparker verstellen Fußgängerüberweg an einer Kreuzung
Autofahrer versperren nicht nur Fußwege, sondern auch Kreuzungsbereiche. Sie gefähreden damit die Verkehrssicherheit. (Symbolbild) Bildrechte: imago images/Jürgen Ritter

Es sei nicht möglich, im gesamten Stadtgebiet in gleichmäßig hoher Intensität zu kontrollieren, so das Ordnungsamt. Verstärkt würden Bereiche vor öffentlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Feuerwehren, Polizeistationen, Schulen und Kindergärten kontrolliert. Vor allem vor solchen Gebäuden müssten Flucht- und Rettungswege gewährleistet werden. Zusätzlich hätten die Mitarbeitenden des Ordnungsamtes verstärkt ein Auge auf Be- und Entladungszonen, öffentliche Parkplätze, Radwege und Schwerbehindertenstellflächen.

Antwort auf neue Bürgeranfrage steht noch aus

Anwohnerin Katja Roßburg hat unterdessen eine neue Anfrage gestellt. In dieser fordert sie die Stadtverwaltung Leipzig zu einer Stellungnahme der "bislang geleugneten Duldungen" auf. Eine Antwort steht noch aus.

MDR

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Leipzig | 02. Dezember 2022 | 14:30 Uhr

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