Daniela Krien
Bildrechte: Gerald von Foris/Graf Verlag

"Mein drittes Leben" Leipziger Autorin erzählt berührend von Eltern, die ihr Kind verlieren

20. August 2024, 09:59 Uhr

Wie weiterleben, wenn das eigene Kind stirbt? Die Leipziger Autorin Daniela Krien erzählt in ihrem neuen Buch "Mein drittes Leben" von einem Eltern-Paar, das die Tochter durch einen Unfall verliert – und sich trennt. Kriens nunmehr vierter Roman erscheint am 21. August und steht auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis. Er handelt von überwältigender Trauer, geschildert aus der Perspektive einer Mutter, die zu ihrer eigenen Überraschung Wege findet, sich aus ihrer Lebenskrise herauszuarbeiten.

Ihre gut bezahlte Stelle in einer Kulturstiftung hat die Frau gekündigt und sich in ein trostloses Dorf zurückgezogen. Den schockierten Ehemann hat sie in Leipzig zurückgelassen.

"Mein drittes Leben": Vierter Roman von Daniela Krien

Auf einem abgewirtschafteten Hof kämpft sie sich durch die Tage, nur die Hühner und den Hund hat sie behalten. Verzweifelt sucht Linda den größtmöglichen Abstand zu ihrem früheren Leben. Es zerbrach, als der LKW-Fahrer ihre Tochter Sonja übersieht, ein 17-jähriges Mädchen mit Pferdeschwanz und Musik in den Ohren.

Am Mittwoch erscheint der neue Roman der Leipziger Autorin Daniela Krien unter dem Titel "Mein drittes Leben".

Zum Aufklappen: Mehr über Daniela Krien

  • Daniela Krien wurde 1975 in Neu-Kaliß in Sachsen-Anhalt geboren und wuchs in Jena und im Vogtland auf.
  • Sie studierte Kulturwissenschaften, Kommunikations- und Medienwissenschaft in Leipzig.
  • Ihren ersten Roman "Irgendwann werden wir uns alles erzählen" veröffentlichte sie im Jahr 2011.
  • Die Verfilmung von Regisseurin Emily Atef lief 2023 im Berlinale-Wettbewerb.
  • "Muldental. Zehn Geschichten" folgte drei Jahre später.
  • 2019 erschien das Buch "Die Liebe im Ernstfall", ein Bestseller, der schon in 25 Sprachen übersetzt wurde.
  • "Der Brand" (2021) handelt von einem älteren Paar aus Dresden, dessen Liebe verschwunden zu sein scheint. Im Sommerurlaub in der Uckermark versuchen Rahel und Peter ihre Beziehung zu retten.
  • Krien lebt in Leipzig.
  • 2020 erhielt sie den mit 10.000 Euro dotierten Sächsischen Literaturpreis. "Sie schreibt über starke Gefühle, ohne sentimental zu werden und genau deshalb sind ihre Geschichten – im besten Sinne – wahrhaftig", so die Juryvorsitzende Undine Materni.

Trauer-Arbeit aus der Perspektive einer Mutter

Anfangs trauern Linda und Richard gemeinsam. Aber weil in Leipzig alles an die Tochter erinnert, ist Linda in die Einöde geflohen. Sie quält sich mit Vorwürfen: Immer fand sie Sonja zu angepasst, zu unsportlich, ohne Ehrgeiz. Beim Holzhacken verausgabt sie sich, müde wird sie trotzdem nicht. Nur starke Schlaftabletten verschaffen ihr einige Stunden Ruhe. Richard bittet sie inständig zurückzukommen, meist weist sie ihn schroff ab.

Geisterrad
Geisterräder wie dieses erinnern auch in Leipzig an Radfahrerinnen, die starben, weil sie vom Lkw überrollt wurden. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Daniela Krien erzählt die Geschichte aus der Perspektive von Linda, sie ist die Ich-Erzählerin, die lieber sterben als leben möchte. Richard dagegen hält das Alleinsein nicht mehr aus. Nach zwei Jahren lernt er eine neue Frau kennen. Linda verstummt. Nur eine Bekannte findet noch Zugang zu ihr: "Sie wollen, dass er sich ebenso aufgibt, wie Sie es tun. Aber er lebt weiter. (…) Auf dem schmalen Grat zwischen Leben und Tod hat er sich für das Leben entschieden, während Sie versucht haben, ihn zu den Toten hinüberzuziehen."


Alte Bekannte aus früheren Krien-Romanen

Richards neue Partnerin ist eine energiegeladene selbstbewusste Schriftstellerin namens Brida. (Fans früherer Romane von Daniela Krien sind ihr schon begegnet.) Die trauernde Linda beobachtet aus dem Abseits. Inzwischen guckt sie kritisch auf Menschen, die besonders sein möchten, wie sie selbst früher, aber in der eigenen Blase ziemlich uniform wirken: "Die Freunde der alten Linda trugen Sneaker zu teuren Leinenkleidern oder lässigen Anzügen, fuhren Rennrad und hängten sich Taschen aus recycelten Tetra Paks über die Schulter."

Cover Daniela Krien: „Mein drittes Leben“
Mit "Mein drittes Leben" legt die Leipziger Schriftstellerin Daniela Krien ihren vierten Roman vor. Hauptfigur ist eine Mutter, die ihre 17-jährige Tochter verliert und über ihr Leben vor deren Geburt, das Leben mit und ohne sie nachdenkt. Bildrechte: Diogenes Verlag

Nach dem Verkauf der alten Familienwohnung steht Linda plötzlich viel Geld zur Verfügung. Einleuchtend, dass sie Menschen unterstützt, die ihr in der Verzweiflung Halt gegeben haben. Aber dass sie an lauter fremde Hilfsorganisationen spendet, passt nicht zu ihrem nüchternen Wesen. Zuviel des Guten. Zum Glück gibt es Richard, die heimliche Hauptfigur in diesem Roman. "Niemand tue Gutes, ohne etwas dafür zu bekommen, sagte Richard, und sei es das Gefühl von Überlegenheit."

Lebenskluge Erzählkunst

Linda zieht zurück nach Leipzig, auch sie sieht Lichtblicke im Leben und lässt es Richard wissen. Als er ihre Hilfe braucht, steht sie ihm bei. Daniela Krien erzählt von einem unerträglichen Verlust. Aber sie erzählt auch von einer großen Liebe. Was sie in einem früheren Roman angerissen hat, wird hier lebendig: "Liebe ist keine Romantik. Liebe ist eine Tat. Man muss die Liebe vom Ernstfall aus betrachten."

Weitere Informationen zu Buch & Hörbuch

Daniela Krien: "Mein drittes Leben"
Diogenes Verlag
Erscheint am 21. August 2024
304 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-257-07305-8
26 Euro

Daniela Krien: "Mein drittes Leben" (Hörbuch)
Ungekürzt gelesen von Nina Kunzendorf
Diogenes Verlag
Hörbuch-Download
6 Std. 55 Min.
Erscheint am 21. August 2024
ISBN: 978-3-257-69582-3
10,95 Euro

Quelle: MDR KULTUR (Claudia Ingenhoven), Redaktionelle Bearbeitung: ks

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 21. August 2024 | 07:40 Uhr

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