Corona-Beschränkungen 48 Straftaten und 600 Ordnungswidrigkeiten bei Corona-Demos in Leipzig
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Gegnerinnen und Gegner der Corona-Beschränkungen haben am Sonnabend in der Leipziger Innenstadt demonstriert. Das Aktionsbündnis "Leipzig nimmt Platz" hatte unter anderem Gegenkundgebungen angemeldet und ebenfalls Proteste organisiert. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort und verhinderte - im Gegensatz zum vergangenen Jahr - dass die Querdenker über den Leipziger Ring laufen konnten. Es kam zu teils gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Bei den Demonstrationen von Corona-Kritikern und -Leugnern in Leipzig ist es am Sonnabend auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen. Ein Polizist musste stationär ins Krankenhaus aufgenommen werden. Ein Unbekannter hatte an einer Polizeisperre einem Polizisten Reizstoff unter das Visier der Einsatzhelmes gesprüht. Der Beamte musste aufgrund der erlittenen Augenverletzungen stationär behandelt werden. Fünf Polizisten wurden verletzt, blieben aber dienstfähig. Das ist die vorläufige Bilanz der Polizei Leipzig:
- Bislang wurden 48 Straftaten von 43 bekannten Personen registriert. Laut Polizei kann sich diese Zahl noch erhöhen, weitere Fälle werden derzeit bearbeitet.
- Darunter sind tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte, Widerstandshandlungen, Beleidigungen, Körperverletzungen, Sachbeschädigungen, Landfriedensbrüche, Anzeigen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz.
- In einem Fall läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt.
- An mehreren Stellen wurden Aufzüge gestoppt zur Identitätsfeststellung der Beteiligten. Dabei wurden mehr als 500 Personen vorübergehend in Gewahrsam genommen und kontrolliert.
- Daraus und wegen weiterer festgestellter Handlungen und Verstößen gegen die Corona-Schutzverordnung wurden mehr als 600 Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet.
- Es wurden 300 Platzverweise erteilt.
24 Rechte vorher in Gewahrsam
Die Polizei hatte bereits am Sonnabend getwittert, dass mehrere Gruppen aus der sogenannten Querdenken-Szene jeweils im dreistelligen Bereich Aufzüge durchgeführt hätten. Mehrere Personen des rechten Spektrums seien dabei gewesen. "Aufgrund des Verhaltens und der mitgeführten Gegenstände wurden die 24 Personen in Gewahrsam genommen." Vereinzelt sei versucht worden, Absperrungen zu durchbrechen, Polizisten seien mit Gegenständen beworfen und mit Reizstoff besprüht worden.
Deutliche Worte von OB Jung
Nun ist die Maske endgültig gefallen! Spätestens seit gestern muss allen klar sein, dass die sogenannte Querdenker-Bewegung nicht nur die Begleitung von rechtsextremistischen Kreisen in Kauf nimmt, sondern sich kalkuliert gewalttätig unterstützen lässt. Sie haben keinerlei Berührungsängste zur radikalen Rechten, verbünden sich sogar offen mit Neonazis. Diese unsäglichen Proteste sind antidemokratisch unterwandert, verletzen bewusst die Regeln und Gesetze und sind Ausdruck einer egoistischen, unsolidarischen Haltung.
Leipzig Oberbürgermeister Burkhard Jung nannte die Corona-Proteste "indiskutabel". Er bedankte sich bei allen, "die sich diesen nur am eigen Wohl Orientierten, letztlich unsere Grundordnung Ablehnenden friedlich entgegenstellen". Er richtete seinen Dank ausdrücklich auch an die rund 1.500 Polizistinnen und Polizisten, die "beherzt, aber besonnen" eingegriffen hätten. "Mein besonderer Dank gilt dem schwer verletzten Beamten, welcher im Krankenhaus behandelt werden muss."
Eine Kundgebung des Aktionsbündnisses "Leipzig nimmt Platz" gegen die sogenannte Querdenken-Szene, zu der rund 500 Teilnehmer angemeldet gewesen waren, sei am frühen Samstagabend ohne Vorkommnisse beendet worden.
Proteste kleiner als vor einem Jahr
Ein Jahr nach den Ausschreitungen bei einer "Querdenken"-Demonstration in Leipzig hatten sich am Sonnabend in der Stadt erneut einige Tausend Menschen zum Protest gegen die Corona-Beschränkungen versammelt. Die Demonstration fiel damit weit kleiner aus als 2020. Die Polizei war mit zahlreichen Kräften sowie drei Wasserwerferstaffeln vor Ort. Unterstützung kam auch aus anderen Bundesländern. Das Ziel, einen nicht genehmigten Aufzug durch die Innenstadt zu verhindern, sei "konsequent umgesetzt" worden, urteilte die Polizei in der Einsatzbilanz.
Aufzug über Leipziger Ring verhindert - Festnahmen von Rechten
Für die Demonstration war überregional mobilisiert worden. Beobachterinnen und Beobachter sprachen von einer angespannten Stimmung. Teilnehmende versuchten wie vor einem Jahr den Gang über den geschichtsträchtigen Ring zu erzwingen. "Laufen, laufen", riefen sie auf dem Weg zwischen Augustusplatz und Hauptbahnhof. Etliche Teilnehmende hatten Kerzen in den Händen. Die Polizei hatte jedoch die Goethestraße im großen Stil abgeriegelt, inklusive bereitstehender Wasserwerfer.
Teilnehmerzahl von 1.000 schnell erreicht
Die "Bewegung Leipzig" - wie die Corona-Kritiker und -Leugner ihre Kundgebung genannt hatten - rief zur Demonstration für Freiheit und gegen die Corona-Beschränkungen auf. Ursprünglich war sie für 3.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer angemeldet samt Zug über den Leipziger Ring. Wegen der verschärften Corona-Lage in Sachsen waren mit Erreichen der Vorwarnstufe im Freistaat aber nur noch stationäre Kundgebungen mit maximal 1.000 Teilnehmenden zulässig.
Schon am frühen Nachmittag wurde der Versammlungsort abgeriegelt, weil 1.000 Teilnehmer Zahl am Ort waren. Allerdings hielten sich außerhalb noch viele weitere Anhänger auf. Die Polizei versuchte daraufhin weitere Demonstrierende auf eine alternative Fläche umzuleiten.
Zudem versammelten sich zeitgleich zahlreiche Menschen zum Gegenprotest in der Stadt. Unter anderem der DGB und das Aktionsbündnis "Leipzig nimmt Platz" hatten Kundgebungen organisiert, um sich den Querdenkern in den Weg zu stellen.
Lage am Abend unübersichtlicher
Als sich die "Bewegung Leipzig"-Demonstration in der Nähe des Augustusplatzes auf Höhe der Grimmaischen Straße am frühen Abend auflöste, wurde die Lage unübersichtlicher. Polizeisprecher Olaf Hoppe sagte im MDR SACHSENSPIEGEL, dass die Einsatzkräfte eine Personenzahl im dreistelligen Bereich in der Grimmaischen Straße gestellt habe und ihre Identitäten aufnehme. Die Teilnehmenden hätten einen verbotenen Aufzug durchgeführt und damit gegen die sächsische Coronaschutzverordnung verstoßen. Die Polizeikontrolle dauerte auch am späten Abend noch an. Zur genauen Anzahl der festgestellten Identitäten konnte die Polizei am Abend noch keine Angaben tätigen.
Keine Wiederholung von Querdenken-Demo 2020
Am 7. November 2020 hatte es eine "Querdenken"-Demonstration mit mindestens 20.000 Teilnehmenden in Leipzig gegeben. Auch damals war ein Zug über den Leipziger Ring nicht gestattet worden. Nachdem die Kundgebung wegen zahlreicher Verstöße gegen Auflagen aufgelöst worden war, hatten jedoch Tausende den Gang über den Ring erzwungen - teilweise gewaltsam. Der Innenstadtring war einer der Orte der Montagsdemonstrationen während der Friedlichen Revolution 1989, die zum Ende der DDR geführt hatte.
Quelle: MDR/sm/kk/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 06. November 2021 | 19:00 Uhr