Drei Menschen mit Punkfrisuren, einer trägt einen Hoodie auf dem eine gezeichnete Ratte abgebildet ist, dazu der Pruch "Igitt Menschen".
Oxiea Villamonte: Self-portrait together with Emmy and Rat in the Spinnerei in Leipzig, 16.03.2024 Bildrechte: Oxiea Villamonte

"Flucht in die Öffentlichkeit" Leipziger Fotografie-Festival "f/stop" startet

31. Mai 2024, 04:00 Uhr

Das Fotografie-Festival "f/stop" in Leipzig feiert ab heute Abend und bis zum 16. Juni seine zehnte Ausgabe unter dem Motto "Flucht in die Öffentlichkeit". Die bewegte Geschichte der 2007 begründeten Foto-Festspiele bewirkte immer wieder längere Pausen zwischen den einzelnen Jahrgängen, scheint jedoch unter der neuen Trägerschaft des "Kunstraum D21" in Leipzig-Lindenau eine Zukunft zu haben. Für seine Jubiläumsausgabe ist "f/stop" in die Leipziger Innenstadt zurückgekehrt.

Fotografischer "Cat-Content" in schwarz-weiß begrüßt einen gleich bei Betreten des "Sächsischen Wartesaales" neben der Bahnhofsbuchhandlung "Ludwig" auf dem Leipziger Hauptbahnhof – in Gestalt einer schönen weißen Katze, umrankt von blühenden weißen Rosen. Doch die leicht konsumierbare Idylle trügt: Die weiße Katze ist in Wahrheit eine "arische" Katze, weil sie dem in Sachsen-Anhalt wohnenden Rechtsextremisten Götz Kubitschek gehört. Dessen Haustier setzte der Erfurter Fotokünstler Erik Niedling ins Bild.

Eine überwiegend weiße Katze sitzt in einem Garten.
Erik Niedling, White Cat, 2020 Bildrechte: Erik Niedling

Nun werden manche fragen: Was kann die Katze dafür? Besitzt sie eine Kontakt-Schuld? Auf einer Online-Auktion jedenfalls wollte niemand das repräsentative Bild kaufen, als man erfuhr, wessen Tier das ist. So verlaufen eben unsere Projektionen auf Lebewesen – von Menschen nicht zu reden. Der Künstler Niedling nutzt das Foto einer global gehypten Tierart um über gesellschaftliche Mechanismen nachzudenken.

Dutzende Ausstellungsorte in Leipzig

"Flucht in die Öffentlichkeit" lautet das Motto der Jubiläumsausgabe des nun mehr zehnten Fotografie-Festivals "f/stop", das manchen schon wie eine Leipziger Institution vorkommt, die mit Unterbrechungen seit 2007 existiert.

Eine Frau hält neben ihren Kopf eine alte Videokamera mit drei Objektiven.
Nilbar Güreş: See/Saw, 2019 Bildrechte: Nilbar Güreş, Galerie Martin Janda, Wien

Das Festival kann auf eine bewegte Geschichte und so manchen Eklat zurückblicken. Die Zuständigkeiten wechselten und dann kam Corona. Seit einigen Jahren ist "f/stop" nun in neuen Händen, in der Trägerschaft des "D21 Kunstraum Leipzig e.V.", der im Jubiläumsjahrgang an sechs größeren und 44 kleineren Ausstellungspunkten im Leipziger Innenstadtgebiet gesellschaftliche Fehlentwicklungen anprangern will.

Per Fotokunst, erklärt Constanze Müller von der Festivalleitung: "'Flucht in die Öffentlichkeit' zeigt Positionen, die sich auch um etwas kümmern. Man kann das sagen über Gesellschaft oder problematische Themen, die dann aber in der Öffentlichkeit verhandelt werden. Die Öffentlichkeit wird genutzt, um Dinge sichtbar zu machen."

Ein Mensch scheint in die Höhe zu springen, hinter ihm ist ein Baugerüst.
Gabriele Stötzer: Spitze (Filmstill), 1986 Bildrechte: Gabriele Stötzer und Galerie Loock, Berlin

Berührende Foto-Positionen

So spürt im "Sächsischen Wartesaal" der Berliner Fotograf Niklas Goldbach in einer bewegenden Recherche einem in Leipzig wenig bekannten, sogenannten "Zwischengewahrsam" für Häftlinge aus DDR-Zeiten nach, der unter dem Bahnhof lag.

Mehrere Menschen stehen nebeneinander und halten sich an den Händen.
Volkmar Jaeger: Montagsdemo am Dittrichring direkt an der "Runden Ecke", Leipzig, 1989 Bildrechte: KUNSTBLATT-Verlag Dresden

Elisabeth Stiebritz und Ronny Aviram zeigen im Timonhaus, dem früheren Sitz von "Elektro Conrad". Es ist eine berührende Videoarbeit, die den Leipziger Brühl als Hemisphäre der jüdischen Leipziger Pelzhändler bis ins 20. Jahrhundert hinein kenntlich macht – heute als Teil der Leipziger Geschichte im Stadtraum ausgeblendet.

Feminismus im SM-Studio

In der Galerie der Hochschule für Grafik und Buchkunst wird es allerdings dank eines Videos der tschechischen Künstlerin Barbora Kleinhamplova bizarr. In inszenierten Bildern zeigt sie ein BDSM-Studio, in dessen Sitzungen die Texte "feministischer und post-kolonialer Theoretiker:innen" gelesenen werden, wie es im Ausstellungstext heißt.

Ein Schwimmbassin in dem ein nackter Mann mit schwarzer Maske schwimmt, am Rand liegt eine schwarze Frau in Latexsachen.
Barbora Kleinhamplová, Irresistible (Filmstill), 2021 Bildrechte: Barbora Kleinhamplová

Leon Hösl, einer der beiden Kuratoren des nunmehr zehnten Fotografie-Festival "f/stop", sagt dazu: "Ein sehr privater, intimer Bereich der aber mit unseren Gesellschaftsstrukturen zusammenhängt, mit realen Machtverhältnissen. Der Protagonistin dieses Films geht es darum, ihre Arbeit als Domina auch zu verwenden, um diese Strukturen reflektieren zu lassen."

Feminismus im SM-Studio? Auch das offeriert das 10. Fotografie-Festival "f/stop" seinem Publikum, das nun nur noch seinen Weg zu den Ausstellungsorten im Leipziger Zentrum finden muss.

Weitere Informationen

"Flucht in die Öffentlichkeit" - 10. f/stop-Festival für Fotografie Leipzig
31. Mai bis 16. Juni 2024 im Leipziger Stadtraum

Stationen des Festivalparcours:

  • Sächsischer Wartesaal im Hauptbahnhof
  • Museum der Bildenden Künste
  • Ladenfläche im Timonhaus
  • HGB-Galerie
  • Galerie für Zeitgenössische Kunst
  • D21 Kunstraum
  • sowie Plakatflächen im Stadtraum


Weitere Informationen zu Adressen, Öffnungszeiten, Programm und Tickets gibt es hier.

Die Prolog-Ausstellung zum Festival ist weiterhin bis zum 16. Juni 2024 im D1 Kunstraum zu sehen (Samstag und Sonntag von 15 bis 19 Uhr geöffnet).

Quelle: MDR KULTUR (Ulrike Thielmann), "f/stop"
Redaktionelle Bearbeitung: op

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Morgen | 31. Mai 2024 | 08:40 Uhr

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