Trauer und Abschied Memento-Tag in Leipzig: Reden über Leben und Tod

09. August 2022, 14:02 Uhr

Wie soll meine Trauerfeier ablaufen? Haben Sie sich schon einmal dieser Frage gestellt? Wer hält eine Rede? Halte ich sie gar selbst? Soll es mehr Trauer oder mehr Feier sein? Oder haben Sie sich noch gar nicht mit der eigenen Vergänglichkeit und der Ihrer Angehörigen und Freunde befasst? Dann gehören Sie wohl zur Mehrheit der Deutschen. Dies zu ändern gibt es Tage wie den Memento-Tag. Das dritte Jahr in Folge haben sich Trauer- und Sterbebegleiter in Leipzig nicht nur vorgestellt, sondern auch das Gespräch gesucht.

Schon mal Probeliegen

Es ist sonnig und heiß auf dem Leipziger Augustusplatz. Im Sonnenlicht leuchtet ein offener seidig-weiß ausgeschlagener Sarg. Er lädt zum Probeliegen ein. Der Einladung folgt Claudia Chilcott. Es sei bequem. Vielleicht ein bisschen eng. Aber Tote brauchten auch nicht mehr so viel Bewegung, sagte sie.

Eine ältere Dame beäugt die im Sarg Liegende skeptisch und geht weiter. Für sie sei das nichts. Die Szenerie sorgt für Aufmerksamkeit. Anke Wick weiß aus dem vergangenen Jahr zu berichten, dass auf Wunsch sogar noch der Deckel zugeklappt wurde.

Ich fand es eng und sehr duster. Aber es hat mir nicht wirklich Angst gemacht. Es war sehr ruhig da drin und es war eine Erfahrung, die ich jedem nur empfehlen kann.

Anke Wick Mitarbeiterin in einem Hospiz

Die Idee zu dieser ungewöhnlichen Aktion kommt von Maria Förster. Sie ist Trauertherapeutin und sagt, wenn wir es schaffen, miteinander über Sterben, Tod und Trauer ins Gespräch zu kommen, dann sind wir vielleicht alle ein bisschen weniger allein. Am offenen Sarg auf dem Augustusplatz kommt sie ins Gespräch.

Nachhaltigkeit auch im Tod

Ökologie ist das große Thema unserer Zeit und macht auch vor dem Tod nicht halt. Die Bestatterbranche bietet inzwischen auch Nachhaltigkeit für die Ewigkeit. Diana de Bragança hat deshalb einen Vollholzsarg mitgebracht, naturbelassen, unbehandelt, nicht lackiert und ohne metallische Beschläge.

Wer nicht im Sarg bestattet werden möchte, kann seine Asche auch ökologisch in eine Urne aus Kohle füllen lassen. Die kommt anders, als herkömmliche Urnen, ohne Aschekapsel aus.

Eine dritte Möglichkeit, um nach dem Ableben für die Natur nicht zur Belastung zu werden ist, sich in Humus verwandeln zu lassen. Die sogenannte Humusation. Statt 15 Jahre im Erdeich zu verwesen ist die sterbliche Hülle innerhalb weniger Wochen eins mit der Natur.

Möglich macht das ein Verfahren, bei dem der Leichnam auf 196 Grad Minus gefroren wird. Dabei wird er so zerbrechlich, dass eine gezielte Erschütterung ausreicht, um ihn in winzige Teilchen zerfallen zu lassen. Damit haben es die Mikroorganismen leichter und können uns in Jahresfrist verwerten.

Wie möchtest du verabschiedet werden?

Antje Seifert steht vor einem kleinen Tisch mit vielen bunten Zetteln und vielen bunten Stiften. Passanten sind hier aufgefordert, sich Gedanken über ihren Abschied zu machen. Antje Seifert zögert nicht lang und schreibt: Picknick auf der grünen Wiese. Die Vorstellung wecke in ihr ein schönes Bild.

Ich stelle mir da immer so ein weißes Tischtuch vor und alle sitzen bei Essen und Trinken auf einer grünen Wiese. Für mich ein Sinnbild von Leben und genießen.

Antje Seifert Passantin

Der Gedanke an den Tod lässt mich ein besseres Leben führen

Der Beruf der Trauerrednerin hat mich geerdet, macht mich dankbar und lässt mich bewusster leben. Das sagt Trauerrednerin Anje Heinz. Sie hatte selbst ein Sternenkind geboren und ist in der Folge zu diesem Beruf gekommen. Er sei für sie der dankbarste Beruf, den sie sich vorstellen könne.

Die Kunst bestehe darin, mit zu fühlen, aber nicht mit zu leiden. Gelungen sei eine Abschiedsfeier dann, wenn Angehörige und Freunde sagen, wir haben beispielsweise die Oma noch einmal in unserer Mitte gefühlt.

Großartig ist es, wenn es in zerissenen Familien auf Trauerfeiern Momente der Versöhnung und des inneren Friedens gibt.

Anje Heinz Trauerrednerin

Wünsche kosten

Wünsche gibt es viele und grundsätzlich gebe es fast nichts, was nicht erfüllt werden könne, sagt Christian Peschel vom gleichnamigen Bestattungshaus. Das beginne schon bei der Überführung. Deshalb könnten Oldtimerfans sich während der letzten Reise auch in einem Barkas B 1000 transportieren lassen. Ökologischer dagegen geht die Fahrt im hochmodernen Elektroauto.

Am Ende ist am Ende alles nicht nur eine Frage des Möchtens und Wünschens, sondern auch eine des Geldbeutels. Nach oben gebe es kaum Grenzen, sagte Christian Peschel. Auch ein Klavierlack und Swarowski-Kristalle seien bei einem Sarg denkbar. Ökologisch im Trend ist das allerdings dann nicht. Von unten betrachtet, setzt Christian Peschel bei 5.000 Euro für eine eher preiswerte Bestattung an, mit zahlreichen Abstrichen auch zwei- bis dreitausend Euro.

Und so ist am Ende der Verlust eines Menschen in doppeltem Sinn teuer.

MDR (gg)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Leipzig | 08. August 2022 | 06:30 Uhr

1 Kommentar

geradeaus am 09.08.2022

Das stimmt wohl. Ich habe mich noch nie wirklich über den Tod unterhalten. Es wird, wie es im Artikel steht, förmlich totgeschwiegen. Aus Angst.

Ich habe da für mich schon länger ein Szenario kreiert das es mir erlaubt angstfrei darüber nachzudenken bzw darüber zu reden. Wenn ich es denn täte wirklich mal mit Menschen darüber zu sprechen.

Alles Gute

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