Wertschöpfungskette Vom Hof zum Handel: Sächsische Agentur für regionale Lebensmittel eröffnet

22. Juni 2022, 15:29 Uhr

Milch aus Nemt, Bier aus Nerchau oder Biogemüse aus Ostrau. In Sachsen werden viele Lebensmittel hergestellt. Um sächsische Ware besser an den Endverbraucher zu bringen und regionale Marken bekannter zu machen, hat das Land eine Agentur gegründet. Die Sächsische Agentur für regionale Lebensmittel - kurz Agil - soll die Wertschöpfungskette vom Hof bis in den Handel unterstützten.

In dem ländlich geprägten Ortsteil von Leipzig, Liebertwolkwitz, werden seit Januar Netzwerke geknüpft. Seitdem hat die Sächsische Agentur für regionale Lebensmittel - kurz AgiL - ihre Arbeit aufgenommen. Der offizielle Startschuss wurde coronabedingt verschoben. Vorige Woche ist die Agentur von Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Bündnis 90/Die Grünen) offiziell eröffnet worden. Er gab den Auftrag mit: Künftig den Absatz sächsischer Agrarerzeugnisse im sächsischen Handel und in der Direktvermarktung zu stärken.

Vom Hof in den Handel

Vor allem Landwirte und Verarbeitungsbetriebe sollen durch AgiL unterstützt und beraten werden. Konkret wolle man mit diesen Akteuren gemeinsam erarbeiten, was es brauche, damit sie effektiver in die Wertschöpfungskette in Sachsen eingreifen können, sagte Agenturleiterin Heike Delling MDR SACHSEN. "Das Zusammenführen, das Vernetzen und Ermöglichen ist unsere Arbeit." Delling sagt aber auch: Die Agentur wolle am Einkaufskorb ansetzen, denn: "Wenn der Verbraucher und die Verbraucherin nicht regional kaufen wollen, dann können wir auch nicht sehr viel machen. Wenn der Regionalladen ignoriert wird und jeder seinen Einkaufskorb im Internet bestellt, egal, wo es herkommt, können wir nicht so sehr viel den Produzenten helfen."

Kontakte zu Händlern in Sachsen knüpfen

Es geht also auch um Marketing und darum, dass Kundschaft im Laden erkennt, ob die Zwiebel aus Sachsen oder aus Bayern kommt. Sächsische Biozwiebeln hätten zum Beispiel das Landgut Nemt in Wurzen im Angebot. Im Moment werden die jedoch größtenteils nach Norddeutschland verkauft, weil ein Händlerkontakt in Sachsen fehlt. Eindeutig ein Fall für die neue Sächsische Agentur für Regionale Lebensmittel.

Auch gehe es darum, dass die Endverbraucher im Land besser sehen, was in Sachsen alles produziert werde, dass sie es leichter kaufen und genießen können, so Dellin weiter.

Kartoffelprodukte - aus unserer Region
Durch eine stärkere Wertschöpfung vor Ort, sollen Landwirtschaft, Handwerk und Mittelstand profitieren. Bildrechte: imago/Steinach

Stärkung des ländlichen Raums

Indem die regionale Wertschöpfung gestärkt werde, werden auch die ländlichen Räume gestärkt, sagte Landwirtschaftsminister Günther. "Landwirtschaft, Handwerk und Mittelstand profitieren von mehr Wertschöpfung vor Ort und damit die Menschen in den Regionen", ist sich der Minister beim Start von AgiL sicher.

Auch könnten Bioprodukte in den Blick genommen werden und damit einen Beitrag zum marktgerechten Wachstum des Ökolandbaus geleistet werden. "Kurze Wege vom Acker auf den Teller und mehr Bio: Das ist praktischer Klima- und Umweltschutz und verbessert die wirtschaftlichen Perspektiven entlang der gesamten Wertschöpfungskette", erklärte Günther.

Kurze Wege vom Acker auf den Teller und mehr Bio: Das ist praktischer Klima- und Umweltschutz und verbessert die wirtschaftlichen Perspektiven entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Wolfram Günther Sächsischer Landwirtschaftsminister

Genau dieses Anliegen werde laut Günther von der Agentur unterstützt. "Die deutlich gestiegene Nachfrage nach Regio- und Bio-Regio-Produkten zeigt, hier liegen unglaublich viele Potenziale."

Bio-Experten fragen sich: Ist staatliche Agentur sinnvoll?

Die Potenziale sieht auch Malte Reupert von der Biomare GmbH in Leipzig. "Wir brauchen mehr Verarbeitungskapazitäten für Bio-Produkte und sollten die vorhandenen Betriebe stärken", sagte er im Gespräch mit MDR SACHSEN. Der Inhaber von vier Bio-Markt-Filialen in Leipzig ist sich aber nicht sicher, ob extra dafür eine eigene Agentur nötig ist. AgiL arbeitet im Auftrag des Landesamtes für Umwelt, Landschaft und Geologie. Das Projekt wird vom Freistaat mit 2,44 Millionen Euro finanziert und ist zunächst auf vier Jahre angelegt.

"Hilfreich wären leicht zugängliche Informationen und ein Marktüberblick sowie Veranstaltungen, auf denen sich die Akteure treffen und austauschen können. Bei staatlichen Strukturen habe ich noch nicht erlebt, dass etwas Nachhaltiges herauskommt, was über Fördermittel hinaus geht. Es kann aber auch sein, dass ich mich irre", fasst Reupert zusammen.

Hilfreich wären leicht zugängliche Informationen und ein Marktüberblick über Veranstaltungen, auf denen sich die Akteure treffen und austauschen können. Bei staatlichen Strukturen habe ich noch nicht erlebt, dass etwas Nachhaltiges herauskommt, was über Fördermittel hinaus geht.

Malte Reupert Biomare GmbH Leipzig

Kontakt hatte Reupert zur Agentur noch nicht. "Ich werde niemanden meine Meinung aufdrängen", sagte er auf die Frage, ob er sein Wissen mit der AgiL teilen wolle. "Ich weiß auch nicht alles und kann eine Menge dazulernen." Miteinander zu sprechen sei immer sinnvoll.

Ein Mann greift nach Bio-Tomaten in einer Gemüsauslage
Regional ist nicht immer die bessere Wahl? Malte Reupert von der Biomare GmbH in Leipzig setzt auf die Klima-Bilanz seiner Produkte. Bildrechte: imago/photothek

Regionalität hinterfragen

Ein Thema, das Reupert wichtig ist, ist die Frage, ob Regionalität tatsächlich immer die bessere Wahl ist. "Dieses Dogma sollten wir hinterfragen", gibt er zu bedenken. Wichtiger sei es, die Klima-Bilanz und damit verbunden die ökologischen und sozialen Faktoren der Produkte. "Wenn ich nur zwei Kisten vom Bauern abhole, habe ich einen viel größeren CO2-Abdruck durch den Transport, als wenn ich größere Strukturen nutze und dafür die zwanzigfache Entfernung habe. Ein Sattelzug ist effizienter, als wenn ich den Kohlrabi selber von Laden zu Laden transportiere", so Reupert. Regionalität sei ein gutes Beispiel dafür, "dass uns ein Gefühl auf den Holzweg führt".

Von Marktkooperationen und Vermarktungsstrukturen

Um alle Akteure an einen Tisch zu bekommen, will AgiL künftig Marktkooperationen und Vermarktungsstrukturen unterstützen, indem sie allgemeine Beratung, Workshops, Schulungen und Exkursionen anbietet und Informationsmaterial zur Verfügung stellt. Wichtige Aufgabe sei auch die Vernetzung von Unternehmen, deren Akteure.

MDR (bb/mar)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | In den Regionalnachrichten aus dem Studio Leipzig | 16. Juni 2022 | 06:30 Uhr

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