Nach Umzug Warten auf einen Schulplatz in Leipzig: Eine Odyssee für Mutter und Kind

05. Februar 2023, 10:03 Uhr

Wer mit Kindern in eine neue Stadt oder ein anderes Land zieht, muss an allerhand denken: Ganz oben auf der Liste stehen Kita- und Schulplätze für den Nachwuchs. Dass das auch eine richtige Herausforderung sein kann, hat gerade erst eine alleinerziehende Mutter in Leipzig erfahren. Zweieinhalb Monate wartete sie auf einen Schulplatz für ihr Kind. Von einer schwierigen Suche mit Happy End.

Die Rückkehr nach Deutschland hatte sich Elisa Waldenmeyer einfacher vorgestellt. 14 Jahre lang lebte sie in Frankreich. Kurz nach der Trennung von ihrem Partner kehrte die alleinerziehende Mutter mit ihren beiden Kindern im vergangenen November in die Messestadt zurück. Doch der Start in der neuen alten Heimat erwies sich als hürdenreich - vor allem für Sohn Rudi. Der Achtjährige musste sich in Geduld üben, denn in die Schule konnte er anfangs nicht gehen.

Rare Plätze für fremdsprachige Kinder

"Ich wollte den Behörden ja auch nicht auf den Keks gehen", sagt Elisa Waldenmeyer, wenn sie an die langwierige Suche nach einem Schulplatz denkt. Doch die Mutter stand nach eigenen Angaben selbst unter Zeitdruck: Am 1. Januar sollte sie ihre neue Arbeit anfangen. Bis dahin wollte sie für ihre beiden Kinder jeweils einen Kita- und Schulplatz gefunden haben.

Wie kann es sein, dass es so lange dauert? Dass ein Kind so lange der Schule fernbleibt?

Elisa Waldenmeyer Mutter von Rudi

Für die dreijährige Pia sei die Suche nach einem Betreuungsplatz kein Problem gewesen, für Rudi allerdings schon. Das Problem schildert die Mutter so: Der Achtjährige spreche bisher kaum Deutsch. "Ich habe zwar versucht, Rudi Deutsch beizubringen, aber er wollte einfach nicht."

Vom Landesamt für Schule und Bildung (LaSuB) habe sie erfahren, dass Rudi wegen seiner fehlenden Sprachkenntnisse eine sogenannte DaZ-Klasse besuchen muss. Hier wird das Fach Deutsch als Zweitsprache unterrichtet. Doch bevor Kinder einen der raren Plätze bekommen, sei eine Bildungsberatung beim LaSuB erforderlich - und eine Anmeldung in Leipzig.

Mehrere Monate Wartezeit

Doch trotz Anmeldung, mehrerer Anrufe und einem Besuch vor Ort Mitte November lässt ein Beratungstermin auf sich warten: Erst rund zwei Monate später - Mitte Januar - habe es einen freien Termin für die Bildungsberatung gegeben, erinnert sich Elisa Waldenmeyer an das Gespräch. "Es wurde uns auch erklärt, dass es vor Januar mit dem Schulplatz nichts werden würde. Und selbst mit dem Januar könne es knapp werden."

Der Grund: Die zuständige Sachbearbeiterin sei erst im Januar 2023 wieder da. "Das ist doch unglaublich, sie wissen also schon am 22. November, dass bis Mitte Januar keine Grundschulkinder für eine DaZ-Klasse eingeteilt werden können", findet die Mutter. Ihre telefonische Bildungsberatung erkämpfte sie sich dann für den 13. Dezember - doch einen Schulplatz für ihren Sohn hat sie danach noch nicht in Aussicht.

Das Landesamt für Schule und Bildung in Leipzig
Die Leipziger Zweigstelle des Landesamts für Schule und Bildung. Bildrechte: picture-alliance / ZB | Wolfgang_Kluge

Schulamt erinnert an Schulpflicht

Waldenmeyer sagt: "Ich habe mich da gefühlt, als hätte ich zu viel verlangt. Aber ich will ja, dass mein Kind in die Schule geht, es geht ja auch um die Integration in Leipzig." Kurz danach habe sie auch noch Post vom Leipziger Schulamt bekommen, mit der Aufforderung, den Sohn in einer Schule anzumelden.

Durchatmen konnte Elisa Waldenmeyer immerhin in Sachen Arbeit: Ihr Arbeitgeber erwies sich als kulant und erlaubte ihr schon zum Start Home-Office, um alles unter einen Hut zu bekommen. Da sie auf das Geld angewiesen ist, "fiel mir da erst einmal ein großer Stein vom Herzen".

Landesamt für Schule und Bildung: Schulzuweisung kann länger dauern

Der Pressesprecher des Landesamts für Schule und Bildung, Roman Schulz, sagte auf Nachfrage von MDR SACHSEN: "Aufgrund der stetig steigenden Zuwanderung geraten die Vorbereitungsklassen zunehmend an ihre Kapazitätsgrenzen bzw. haben diese bereits erreicht. Das hat zur Folge, dass die Schulzuweisung längere Zeit in Anspruch nehmen kann."

"Nicht selten" gelte es, DaZ-Klassen neu einzurichten. Dafür würden räumliche und pädagogische Kapazitäten gebraucht. Nach seiner Auskunft warten in Leipzig derzeit etwa 30 Schülerinnen und Schüler auf einen DaZ-Platz.

"Verzögerung im Einzelfall nicht ideal"

Zum Fall von Elisa Waldenmeyer sagte er: "Natürlich ist jede Verzögerung im Einzelfall nicht ideal. Bestimmte Prozesse nehmen im Ausnahmefall auch leider einen längeren Verlauf." Außerdem gibt er zu bedenken: "Bei größtem Respekt vor den Eltern, aber wenn ich mitten im Schuljahr in ein anderes Land ziehe, dann kann es im Einzelfall möglich sein, dass im Zielland, in der Zielstadt, eine Verzögerung von zwei Monaten auftritt."

Zuletzt 10.000 ukrainische Kinder auf sächsische Schulen verteilt

In den vergangenen drei Jahren habe sich die Arbeitsbelastung in seinem Amt durch "für uns teilweise unvorhergesehene Themenbereiche wie Corona oder die Ukraine deutlich erweitert." So habe man 2022 in Sachsen rund 10.000 Schulzuweisungen infolge des Ukraine-Kriegs veranlasst, davon etwa 2.600 durch die Zweigstelle des Amtes in Leipzig.

Aufbau der DaZ-Klassen in Sachsen Ingesamt gibt es drei Etappen beim Erlernen von "Deutsch als Zweitsprache" (DaZ).

In den Vorbereitungsklassen der Grund- und weiterführenden Schulen erwerben die Schülerinnen und Schüler in der ersten Etappe mündliche und schriftliche Kompetenzen.

Schätzt eine Lehrerin Deutsch als ausreichend ein, beginnt die zweite Etappe. Dann geht es um den Übergang in die Regelklasse, und es beginnt eine schrittweise Integration in den Fachunterricht.

Wird das Deutsch als ausreichend für die volle Teilnahme am Regelunterricht eingeschätzt, wird der Unterricht in der Vorbereitungsklasse beendet.

Mit der Integration in eine Regelklasse beginnt die dritte Etappe des DaZ-Unterrichtes. Landesamt für Schule und Bildung

Der Zufall und engagierte Direktorin bringen Durchbruch

Elisa Waldenmeyer und Sohn Rudi half am Ende der Zufall: Tochter Pia war zur Eingewöhnung in der Kita Lößnig der Arbeiterwohlfahrt. Dort bekam sie den Tipp, es bei der Kurt-Masur-Grundschule in der Südvorstadt zu probieren. Deren Leiterin Heike Riethmüller lud sie ein - und half unbürokratisch. Sie sagte MDR SACHSEN: "Ich wollte nicht zulassen, dass das Kind weiter zu Hause sitzt. Beim Thema DaZ versteckt man sich gerne hinter den Gegebenheiten der Verwaltung und der Statistik." Ihre DaZ-Klasse war mit 32 von 28 Plätzen allerdings auch schon überbucht.

Als Ausweg gab es einen gerade frei gewordenen Platz in einer 3. Regelklasse. Riethmüller fragte die Klassenlehrerin: "Sie war einverstanden und sagte, die Klasse sei 'sowieso ein buntes Trüppchen.'" Zur Integration bekomme Rudi zwar nicht im DaZ-Umfang, aber zumindest regelmäßig französischsprachige Unterstützung. Mitte Januar stieg der Junge in die Schule ein. Schon am dritten Tag konnte der anfängliche Schnupperkurs beendet werden, berichtet Heike Riethmüller: "Er verbreitet Lust und Laune und ist super angekommen, ein offenes Kind, er ist ein Sonnenschein in der Klasse."

"Zuversichtlich, dass er jetzt Fuß fasst"

Auch Elisa Waldenmeyer ist optimistisch: "Er hat schon ein paar Freunde gefunden und kommt gut zurecht. Mit der Sprache geht es auch voran. Er freut sich schon, dass er ein paar Sachen sagen kann. Ich bin zuversichtlich, dass er jetzt Fuß fassen kann."

Inzwischen hat sich auch das LaSub bei Familie Waldenmeyer gemeldet: Am 1. Februar, drei Monate nach der ersten Anfrage der Mutter, bekam Rudi einen DaZ-Platz zugewiesen. Vorerst bleibt er aber an der Masur-Schule, weil er sich dort bereits integriert hat.

MDR (cke)

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