Europäische MobilitätswocheAutofreier Ring: Eine surreale Erfahrung
Für 12 Stunden, zwischen 9 und 21 Uhr, gehört der Innenstadtring den Menschen und nicht den Autos. So die Idee des autofreien Rings. Die Aktion ist das Abschlussevent der europäischen Mobilitätswoche in Leipzig und soll zum Nachdenken anregen. Viele nutzen die gewonnene Freiheit, um die Stadt auf eine ungewohnte Weise zu erkunden. Auch wenn Radfahrern und Fußgängern mehr Platz auf den Straßen eingeräumt werden soll, möchte hier kaum jemand die Autos verdrängen.
- Für Oberbürgermeister Burkhard Jung beginnt die Mobilitätswende im Kopf der Menschen.
- Die Menschen auf dem Ring freuen sich über das Event. Als Zukunftsperspektive taugt es aber nicht allen.
- Am Ende geht es um den goldenen Mittelweg, der alle mitnimmt.
"Ich bin gerade erst angekommen, aber von dem Anblick ganz gerührt," beschreibt Anna. Die Leipzigerin ist mit dem Fahrrad und ihrem Kind auf dem Innenstadtring unterwegs. "Es könnte so schön auf dem Ring sein, aber leider ist das nur heute der Fall. Ich fand es am Freitag beim Parking Day auf der Eisenbahnstraße schon gut, da nehmen die Autos ja sonst auch keine Rücksicht auf die Radfahrer."
Wenn man die Menschen auf dem Ring befragt, dann sehen es viele so wie Anna und erleben den autofreien Ring als etwas Entspannendes und Schönes. Die meisten sagen aber auch, dass die Idee eines komplett freien Rings für sie utopisch wirkt. Laut dem Mobilitätsamt plant die Stadt Leipzig, dass es zumindest ab etwa 2027 einen durchgängigen Fahrradstreifen auf dem Ring geben soll.
Mobilitätswende beginnt im Kopf
Um 12 Uhr war es so weit: Das Mobilitätsamt und der Oberbürgermeister eröffneten den autofreien Ring dann auch nochmal offiziell. Burkhard Jung sieht den Tag als die Chance mal anders zu denken: "Die Mobilitätswende beginnt im Kopf. Wir müssen uns von den alten Denkmustern befreien und sehen, was möglich ist. Der Mensch soll in der Stadt im Vordergrund stehen und nicht das Auto."
Der Plan der Stadt ist es bis 2030 den ÖPNV, Fahrradwege, Carsharing und Fußwege auszubauen, so dass diese Alternativen im Vergleich zum privaten PKW deutlich attraktiver sind und die Leipziger freiwillig ihre Autos stehen lassen. Laut Philipp Gleiche vom Mobilitätsamt ist in dieser Mobilitätsstrategie 2030 mit inbegriffen, dass es in rund zwei Jahren eine durchgängige Lösung für den Radverkehr auf dem Ring gibt. Bisher müssen die Fahrradfahrer noch zwischen verschiedenen Radwegen neben und auf der Straße hin und her wechseln. Diese Perspektive sorgt bei den Besuchern auf dem autofreien Ring für verschiedene Gefühle.
Mehr oder weniger Radspuren auf dem Ring?
Charlotte ist mit einer Freundin aus Köln auf dem Ring unterwegs. An der großen Kreuzung beim Augustusplatz erzählt sie von ihren Problem mit den Radwegen: "Der hört plötzlich auf! An sich sind die neuen Fahrradspuren auf dem Ring ja eine super Sache, aber es ist niemandem geholfen, wenn die Wege nur Stück für Stück umgesetzt werden. Ich würde mir wünschen, dass man das einfach mal durchzieht."
Herr Seemann ist ganz anderer Meinung. Er ist ebenfalls mit seinem Fahrrad auf dem Ring unterwegs und mag den autofreien Tag, langfristig hat er aber Bedenken: "Diese auf die Fahrbahn aufgemalten Radspuren halten nur den Verkehr auf und es stauen sich die Autos. Man hätte besser die bestehenden Radwege so ausbauen sollen, dass die Radfahrer dort besser fahren können."
"Hier am Ring staut es sich immer und der Verkehr ist anstrengend, das war auch schon vor den Fahrradspuren so," erzählen Paul und Sophia. "Heute fühlt man sich wohl auf der Straße und so eine komplett autofreie Innenstadt wäre cool. In Erfurt klappt das ja auch und dort ist es entspannter durch die Stadt zu laufen." Paul fährt selbst mit dem Auto durch die Leipziger Innenstadt, gegen eine autofreie Zone hätte er aber nix einzuwenden.
Es braucht den goldenen Mittelweg
"So wie heute ist ja leider eine Utopie. Ganz ohne Autos geht nicht, so wie es im Alltag ist aber auch nicht. Es braucht wie immer die goldene Mitte," sagt Philipp. Er ist mit seinen Kindern auf dem Ring unterwegs und sie würden die Fahrt auf dem Ring genießen. Von dem goldenen Mittelweg sprach auch Oberbürgermeister Burkhard Jung. Ihm sei es wichtig, dass sich alle sicher fühlen können, man aber auch die Autofahrer bei den Entwicklungen an die Hand nehme. Laut Jung bringt eine Mobilitätswende gar nichts, wenn sie die Leipziger Stadtgesellschaft spalten würde.
Bisher haben die Mobilitätswende 2030 und die Fahrradspuren auf dem Ring bereits für viel Aufregung gesorgt: Die einen träumen vom gleichberechtigten Radverkehr und die anderen wollen Fahrradwege wieder zurückbauen. Bisher stehen die Pläne für mehr Fahrradwege erst einmal fest. Wie sich die Gemengelage aber weiterentwickelt, hängt von den Entscheidungen des noch neuen Leipziger Stadtrates ab.
MDR (lev)
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Leipzig | 20. September 2024 | 18:30 Uhr
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