Ermittlungen eingeleitetLinken-Abgeordnete Nagel vorübergehend in Polizeigewahrsam
Die sächsische Linken-Abgeordnete Juliane Nagel ist am Donnerstagabend bei einer Demonstration in Leipzig vorübergehend festgehalten worden. Nagel spricht von einem "relativ brutalen" Vorgehen der Sicherheitskräfte. Sie sei in Handschellen abgeführt worden. Nach Angaben der sächsischen Polizei steht der Vorwurf eines "tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte" im Raum. Die Umstände würden geprüft. Die Bilder des Einsatzes lösen Empörung aus. Der kritische "Tag X" steht Leipzig erst noch bevor.
Ein Polizeieinsatz bei einer Demonstration in Leipzig, bei der die Versammlungsleiterin und Linken-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel kurzzeitig festgesetzt wurde, hat Kritik ausgelöst. Es sei ein "unglaublicher Vorgang", dass die Anmelderin einer Demonstration, die noch dazu parlamentarische Immunität besitze, "wie eine Straftäterin im Polizeigriff abgeführt und dann die Identität festgestellt wird", erklärten die Bundesvorsitzenden der Linken, Janine Wissler und Martin Schirdewan. Der Leipziger Polizeipräsident René Demmler traf sich am Freitag mit Nagel zu einem Gespräch. Beide riefen hinterher zur Deeskalation auf.
Abgeordnete auf Demo festgehalten
Bei einer Jugend-Demonstration in Leipzig hat die Polizei am Donnerstagabend die sächsische Linken-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel vorübergehend festgehalten. Die Polizei Sachsen teilte dazu auf Twitter mit, es stehe die Störung einer Amtshandlung im Raum. Die genauen Umstände würden geprüft.
Die Polizei hatte Nagel am Donnerstagabend nach eigenen Angaben festgehalten, weil "die Störung einer Amtshandlung" konkret der tätliche Angriff auf Polizeibeamte im Raum im Raum stehe. Den handelnden Einsatzkräften sei die Politikerin unbekannt gewesen. Nachdem ihre Identität festgestellt worden sei, habe man Nagel wieder entlassen.
Nagel: "Relativ brutal" zum Polizeiauto geschleppt
Nagel selbst hatte sich bereits am späteren Donnerstagabend in einem per Twitter verbreiteten Video zu den Vorfällen geäußert. Darin schildert sie den Vorgang aus ihrer Perspektive. Demnach beobachtete sie im Anschluss an die Demonstration eine polizeiliche Maßnahme, in der Beamte die Identitäten zweier Menschen feststellten.
Dabei geriet Nagel offenbar selbst ins Visier der Sicherheitskräfte. Nagel sagte, ein Polizeibeamter habe sie beschimpft, beleidigt und "aus dem Weg geschubst". Dann sei ihm "eingefallen, dass ich ihn angeblich tätlich angegriffen haben soll."
Nagel sagte weiter, sie sei "in Handschellen gelegt und relativ brutal" zu einem Polizeiauto geschleppt worden. Den Beamten sei dabei egal gewesen, dass sie eine Abgeordnete sei. Dann habe ihre Anwältin Telefonate geführt und die Polizei darauf hingewiesen, "dass sie so nicht vorgehen kann". Nach einer Identitätsfeststellung sei sie schließlich wieder freigelassen worden.
Jugendkampftag-Demo am Kindertag
Die Linken-Politikerin hatte die Demonstration am Kindertag am 1. Juni angemeldet. Für den Aufzug war als "Tag der Jugend" oder "Jugendkampftag" mobilisiert worden. Laut Polizei wurden von Teilnehmerinnen und Teilnehmern polizeifeindliche Sprüche gerufen. Auf Nachfrage des MDR teilte eine Polizeisprecherin aus Leipzig am Freitag mit, dass in alle Richtungen kritisch geguckt werde. Die Ermittlungen habe man ans Landeskriminalamt (LKA) abgegeben, weil die PD Leipzig als leitende Behörde dafür nicht die richtige Stelle sei.
Gespräch zwischen Nagel, Polizeipräsident und Innenminister
Der Polizei zufolge trafen sich Nagel, der Leipziger Polizeipräsidenten René Demmler sowie Sachsens Innenminister Armin Schuster am Freitagmittag. Es habe eine "sachliche und zugleich kritische Auseinandersetzung mit dem Polizeieinsatz und dem Versammlungsgeschehen" gegeben. Demmler bat den Angaben zufolge um Entschuldigung für Äußerungen von Polizeibeamten. Sollte tatsächlich ein Beamter erklärt haben, Nagels Abgeordnetenstatus sei ihm egal, dann sei die Kommunikation "weder professionell noch in der Sache angemessen". Gleichwohl müsse die Polizei bei Verstößen gegen Normen einschreiten.
Angemeldete Demonstration zum Kindertag
Nagel, die auch Stadträtin in Leipzig ist, hatte die Demonstration selbst angemeldet. Sie führte vom Grassi-Museum quer durch die Innenstadt in Richtung Clara-Zetkin-Park. Laut Polizei waren knapp 200 Teilnehmer und Teilnehmerinnen auf der Demonstration, einige von ihnen waren demnach vermummt. Vereinzelt sei auch Pyrotechnik gezündet worden.
Kritik an Polizeieinsatz
Das Vorgehen der Polizei gegen die Landtagsabgeordnete Nagel zieht heftige Kritik nach sich. Neben der Verurteilung durch die Linken-Bundesvorsitzenden bezeichnete auch der SPD-Innenpolitiker Albrecht Pallas die Videobilder auf Twitter als "sehr irritierend". Er kündigte eine "Nachbetrachtung im Innenausschuss" an.
Der Grünen-Innenexperte Valentin Lippmann erklärte auf Twitter, ein solches Vorgehen gegen eine Versammlungsleiterin, die zugleich Landtagsabgeordnete ist, sei "indiskutabel". Die Linken-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz sprach von einer womöglich gewollten Eskalation der Polizei und Polizeiführung bei der Demo am Donnerstag und einer vorherigen am Mittwoch.
Lage seit dem Lina E. Urteil am Mittwoch angespannt
In Leipzig ist die Lage seit Mittwoch angespannt. An dem Tag war das Urteil gegen die Studentin Lina E. und drei Mitangeklagte wegen Überfällen auf vermeintliche oder tatsächliche Neonazis gefallen. Am Mittwochabend war eine Soli-Demo für Lina E. in Leipzig gleich zu Beginn gestoppt worden. Danach eskalierte die Lage kurzzeitig, es flogen Böller und Steine auf die Polizeibeamten.
Linke Szene mobilisiert für den Tag "X" am Sonnabend
Die linke Szene mobilisiert seit langem überregional für den Samstag nach dem Urteil zu einem "Tag X" nach Leipzig. Die Stadt hat diese geplante Demo inzwischen verboten, weil ein unfriedlicher Verlauf zu befürchten sei. Der Anmelder hat dagegen geklagt. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Leipzig steht noch aus.
MDR (dkn/ama/pri/tomi)/dpa
Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 01. Juni 2023 | 21:45 Uhr