Grundschule Viele Wege führen zum Lesen und Schreiben in Sachsen

13. November 2022, 10:00 Uhr

Dass Sachsens Grundschüler besonders gut lesen können, hat zuletzt ein Ländervergleich gezeigt. Doch Lesen und Schreiben lernen gelingt nicht allen Kindern gleich gut. Fast jeder dritte Viertklässler beherrscht die Rechtschreibung nicht. Auch die Methoden zum Erlernen der grundlegenden Fähigkeiten sind vielfältig.

Lesen und schreiben sind zwei Handwerke, die Kinder in der Schule erlernen. Doch mit der "Schulausgangsschrift" haben die heutigen Methoden an Sachsens Grundschulen nicht mehr viel zu tun, sagt die Dresdner Lehrerin Ines Hölzel, die auch Fachberaterin für Deutsch ist. Da jedes Kind anders sei, gebe es an sächsischen Schulen eine breit gefächerte Palette von Methoden und Mischformen. "Die Entwicklungsunterschiede bei den Kinder sind heute groß, bis zu drei Jahre." Dies erfordere unterschiedliche Herangehensweisen.

Das geht soweit, dass an ein und derselben Grundschule in drei Klassen mit drei verschiedenen Modellen unterrichtet wird, weiß die Vorsitzende des Landeselternrats Sachsen, Nicolle Möller. "Und alle können am Schluss schreiben." Die sogenannte Schulausgangsschrift trat in der DDR 1968 in Kraft und war Standard für mehrere Schülergenerationen.

Lehrerverband: Schreibschrift in Sachsen meist ab Klasse 2

Die bekannteste Methode ist noch immer die analytisch-synthetische Leselernmethode mit der Fibel, erklärt Katlen Worotnik vom Sächsischen Lehrerverband. Die Schreibschrift werde in den meisten Schulen erst ab Klasse 2 eingeführt, sagte Worotnik MDR SACHSEN. "In der Klasse 1 wird vor allem mit der Druckschrift gearbeitet." Die Schülerinnen und Schüler lernen dabei über die einzelnen Laute die dazugehörigen Buchstaben kennen. "Wenn ich das Wort Oma nehme, dann habe ich das O und setze das M und das A als Laut dazu und dann setzen die Kinder das Wort zusammen." 

In der Klasse 1 wird vor allem mit der Druckschrift gearbeitet.

Katlen Worotnik Sächsischer Lehrerverband

"Lesen durch Schreiben" in Sachsen seltener

Eine weitere Methode, mit der Lehrerinnen und Lehrer in Sachsen arbeiten, ist "Lesen durch Schreiben" des Schweizer Reformpädagogen Jürgen Reichen. Statt per Fibel Buchstabe für Buchstabe zu lernen und diese dann zusammenzusetzen, nutzen Schüler dafür eine Anlauttabelle. Ein Wort wird in Laute zerlegt; die Kinder suchen auf der Tabelle anhand von Bildern die ihnen passend erscheinenden Buchstaben und setzen das Wort selbst zusammen. Laut Kultusministerium wird "Lesen durch Schreiben" in Sachsen aber nur in sehr wenigen öffentlichen Grundschulen als einzige Methode praktiziert.

Doch viel Lehrende nutzen einzelne Elemente des "Schweizer Modells". "Inzwischen haben alle Lehrwerke eine Anlauttabelle", sagt die Dresdner Grundschullehrerin Ines Hölzel. Sie selbst arbeitet im Unterricht mit einer Mischung aus dem "Schweizer Modell" und der Silbenmethode. Bei der lernen die Schüler nach Silben, die später zu Wörtern und Sätzen zusammengefügt werden. Begleitet würden die Schreibübungen bei ihr in der ersten Klasse auch von Wahrnehmungsübungen. "Schönschreiben" sei dagegen heute nicht mehr so wichtig.

Ein Junge schreibt auf ein Whiteboard 5 min
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Für den Lernerfolg sei ohnehin mehr die Lehrerpersönlichkeit entscheidend und nicht allein die Methode, erklärt Idie Fachberaterin für Deutsch in Dresden, nes Hölzel. Sie hat auch an einer neuen Handreichung des Kultusministeriums für Lehrende mitgearbeitet, die im Dezember 2022 erscheinen soll.

Eltern sehen das "Schweizer Modell" oft kritisch

Laut sächsischem Lehrplan ist das Schreiben mit allen Buchstaben von Anfang an gewollt, teilte eine Sprecherin des Kultusministeriums auf Anfrage mit. Anders als beim "Schweizer Modell" müssen Lehrerinnen und Lehrer in Sachsen aber Fehler der Schüler beim Schreiben korrigieren.

Doch funktioniert das auch mit der Fehlerkorrektur? Die Vorsitzende des Landeselternrates Sachsen, Nicolle Möller, sieht das "Schweizer Modell" kritisch. "Viele Eltern berichten von Schwierigkeiten ihrer Kinder, wenn sie weiterführende Schulen besuchen", auch, weil dort die Rechtschreibung oftmals nicht mehr korrigiert werde. Selbst mit dem richtigen Schreiben von Wörtern in Englisch gebe es dann Probleme. "Das zu korrigieren, fällt schwer", so Möller. Die Anwendung verschiedener Methoden in den Schulen findet sie aber grundsätzlich gut.

MDR (kbe)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 04. November 2022 | 19:00 Uhr

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