Kohle vor einer Mine
Polen gilt als das Kohleland in Europa. Wie groß dabei die Abhängigkeit von russischer Kohle ist, zeigte sich jedoch erst in den letzten Monaten. Bildrechte: MDR // IMAGO/NurPhoto

Energiekrise Polens Suche nach Lösungen

31. Dezember 2022, 16:30 Uhr

Polen kämpft mit dem plötzlichen Ausbleiben von Kohle und anderen Rohstoffen aus Russland sowie einer Rekordinflation von fast 18 Prozent. Den Auswirkungen des Krieges auf den Energiesektor versucht die Regierung mit teils drastischen Maßnahmen zu begegnen. Problematisch bleibt das Thema Smog im Nachbarland. Doch auch die Energiewende nimmt in Polen Fahrt auf.

Dem Kohleland ging die Kohle aus

Womit Polen in der Energiekrise am meisten kämpft, ist der enorm gestiegene Kohlepreis. Im Nachbarland wird für Strom und Wärme vorrangig noch immer Kohle verheizt. Und obwohl Polen der größte Kohleförderer der EU ist, wird jedoch die heimische Kohle vor allem für Industrie und Fernwärme verwendet. Private Haushalte nutzten bis dieses Jahr vorrangig Kohle aus Russland, die günstiger war und etwas bessere Qualität hatte.

Mit dem Ausbleiben der russischen Kohle wurde für viele Polen das Heizen plötzlich zum Armutsrisiko. Die polnische Regierung erlaubte daher im Juni das Sammeln kleinerer Holzmengen aus staatlichen Wäldern für den Eigenbedarf. Zudem erhielten Haushalte mit Kohleöfen einen Zuschuss von umgerechnet 640 Euro.

Dicke Luft bleibt ein Problem

Der PiS-Vorsitzende Jarosław Kaczyński riet der Bevölkerung "man müsse im Moment alles verbrennen, außer Autoreifen." Auch hat die Regierung das Verbot zum Verheizen minderwertiger Kohle ausgesetzt. Doch schon jetzt leiden polnische Städte in den Herbst- und Wintermonaten unter ungesundem Smog.

Die Luftverschmutzung mit Feinstaub erreicht besonders in Schlesien regelmäßig Höchstwerte, wie sie sonst in indischen Großstädten gemessen werden. Auch melden Recyclinghöfe wie in Lubań nahe Görlitz bereits, dass weniger Sperrmüll als üblich abgegeben werde und auch weniger Unrat in Wäldern landet. Es werde damit gerechnet, dass mehr Müll als Brennstoff in Öfen verfeuert wird, der dafür nicht vorgesehen ist und weitere Probleme für Umwelt und Gesundheit verursacht.

Smog in Warschau
Dicke Luft. Im Winter leiden polnische Städte, wie hier Warschau, regelmäßig unter Smog. Bildrechte: imago images/Eastnews

Einstieg in Atomenergie

Seit Jahrzehnten wird in Polen über den Bau von Kernreaktoren diskutiert. Einen ersten Versuch gab es bereits vor 50 Jahren in der Nähe von Danzig. Nach Protesten aufgrund der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl wurde das Werk aber nie fertiggestellt, die Bauruine in Żarnowiec ist bis heute geblieben. Nur wenige Kilometer davon entfernt soll nun tatsächlich das erste Kernkraftwerk Polens gebaut werden und 2033 den Betrieb aufnehmen. Und bereits 2029 könnten modulare Mini-Reaktoren Strom erzeugen. Der polnische Bergbaukonzern KGHM hatte im Februar 2022 mit einem US-Hersteller einen Bauvertrag abgeschlossen. Als möglicher Standort sei das niederschlesische Kupferbecken bei Lubin und Legnica im Gespräch. Atomkraft führe Polen weg von der Kohle, ist aber keine Antwort auf die aktuelle Krise und bringt auch neue Probleme für künftige Generationen.

Kaum Mangel an Erdgas

Das Thema Gasknappheit ist für Polen nicht so akut wie in Deutschland. Wegen dem schwierigen Verhältnis zu Russland hatte Polen bereits vorgesorgt und sich um unterschiedliche Quellen bemüht. So verfügt das Land seit 2015 über einen LNG-Terminal in Swinemünde, wo Flüssiggas aus Katar und den USA ankommt. Zudem ging im Oktober 2022 eine neue Ostsee-Pipeline in Betrieb, die Erdgas von Norwegen über Dänemark nach Polen bringt. Fehlendes russisches Gas konnte schnell ersetzt werden. Der Anteil von Erdgas am Energiemix in Polen soll weiter steigen.

Schub für erneuerbare Energien

Auch wenn Polen in Sachen Umweltziele in der EU noch oft als Problemkind gilt, wächst im Land die Unterstützung für regenerative Energien. Bislang macht der Anteil von grünem Strom etwa 17 Prozent aus, in Deutschland liegt er bei über 40 Prozent.

In den kommenden Jahren plant Polens Regierung den Anteil an regenerativen Energiequellen massiv auszubauen - ein Fakt, der für das oft kritisierte Kohleland überrascht. Große Rolle spielt schon jetzt die Förderung von Solarkraft, Windturbinen an der Ostsee und auch Wärmepumpen. Hingegen verhindern strenge Regeln den Ausbau von Windkrafträdern.

Polen will bis 2040 mehr als die Hälfte der Energie im Land emissionsfrei erzeugen. Neben Atomkraft soll das durch regenerative Energien geschehen, die schneller umsetzbar, günstiger und nachhaltiger wären als Kernreaktoren. Der Krieg in Europa hat Polen nochmal bestätigt, wie wichtig Energiesicherheit und Unabhängigkeit ist. Das könnte der Energiewende in Polen einen kräftigen Schub geben.

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