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Sächsischer LandtagsabgeordneterAustritt aus AfD wegen Nähe der Partei zu "Freien Sachsen"

21. Dezember 2022, 11:43 Uhr

Austritt aus der sächsischen Landtagsfraktion der Alternative für Deutschland (AfD): Ivo Teichmann verlässt Fraktion und Partei. Das begründet der Abgeordnete unter anderem mit der Nähe der Partei zu den "Freien Sachsen". Er befürchtet die Einstufung der AfD als erwiesen rechtsextremistisch.

In der sächsischen AfD gibt es einen weiteren Parteiaustritt. Begründet wird der mit der Nähe der Partei zum Extremismus, wie zum Beispiel zur rechtsextremistischen Kleinstpartei "Freie Sachsen". Der AfD-Landtagsabgeordnete Ivo Teichmann kündigte an diesem Mittwoch in einem Schreiben an den Fraktionsvorsitzenden Jörg Urban seinen Austritt aus der AfD und der Landtagsfraktion an. Er wolle dennoch weiter Landtagsabgeordneter bleiben.

In seinem Austrittsschreiben verwies Teichmann unter anderem darauf, dass sich die AfD öffentlich zu wenig von "extremistischen Personen, Vereinigungen oder Parteien wie zum Beispiel den 'Freien Sachsen'" abgrenze. "Die Einstufung der AfD als erwiesen rechtsextremistisch ist nur noch eine Frage der Zeit", schrieb Teichmann weiter.

Teichmann: AfD hat nur Perspektive, wenn sie sich abgrenzt

Teichmann hatte dem MDR schon zuvor gesagt, dass er die "Freien Sachsen" nach eigenen Angaben für eine "NPD 2.0" hält. Die AfD habe politisch daher nur eine Perspektive, wenn sie sich vom rechtsextremen Rand abgrenze, so Teichmann. "Meines Wissens nach wird die Partei beobachtet und es wird Konsequenzen haben, dass sie sich nicht deutlich vom rechtsextremen Rand abgrenzt. Ich weiß auch, dass ich mir mit solchen Aussagen keine Freunde mache."

Unklar ist bisher, welche Auswirkungen der am Mittwoch von Ivo Teichmann angekündigte Austritt aus der AfD hat. Nach MDR-Informationen soll es am Dienstag im AfD-Kreisverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge in dem Zusammenhang einen weiteren Parteiaustritt gegeben haben.

"Freie Sachsen" auf AfD-Unvereinbarkeitsliste

Die Kleinstpartei "Freie Sachsen" wird vom sächsischen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft. Die Partei mobilisiert vor allem in den sozialen Netzwerken für Proteste - zuletzt vor allem beim sogenannten "Heißen Herbst". "Die 'Freien Sachsen' sind für die AfD eine Konkurrenz von ganz rechtsaußen - auf der Straße und bei regionalen Wahlen“, sagt dazu Hans Vorländer. Er ist Professor an der TU Dresden und Leiter des Zentrums für Verfassungs- und Demokratieforschung. Vorländer sagte dem MDR: "Die AfD hat derzeit extrem zu kämpfen. Einerseits wollen Teile der Partei in Sachfragen die CDU zu sich hinziehen, die Brandmauer bröckeln lassen. Andererseits üben die 'Freien Sachsen' Druck von außen aus. Und Leute wie Björn Höcke möchten die Partei noch weiter nach rechts rücken. Schließlich werden sie vom Verfassungsschutz beobachtet."

Formal stehen die "Freien Sachsen" auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD. Eine gleichzeitige Mitgliedschaft in beiden Parteien ist demnach ausgeschlossen. Der Beschluss der Unvereinbarkeit, den der AfD-Bundesvorstand im Februar fasste, erntete bereits damals Kritik innerhalb der Partei. Etwa aus dem Thüringer Landesverband. Die Liste sei "in ihrem Fokus zu sehr verengt", erklärten die beiden damaligen Sprecher des Thüringer AfD-Landesverbands Björn Höcke und Stefan Möller in einem Post bei Telegram. Dennoch ist der Umgang weiter Thema

"Rote Linie überschritten"

Zu den wenigen AfD-Mitgliedern, die sich öffentlich kritisch zum Umgang der Partei mit den rechtsextremen "Freien Sachsen" äußern, gehört neben dem sächsischen Landtagsabgeordneten Teichmann auch Nicolaus Fest. Er sitzt für die AfD im Europaparlament. Fest sagte dem MDR, dass es in der Frage der Unvereinbarkeit keine Flexibilität in der Auslegung gebe.

"Wenn AfD-Leute auf der gleichen Veranstaltung Reden halten wie Vertreter der 'Freien Sachsen', dann ist eine rote Linie überschritten, denn dann haben wir ein öffentliches Zusammenwirken", so Fest. "Eine gegenläufige Interpretation des Beschlusses ist schlicht Schwachsinn. Unvereinbarkeit heißt Unvereinbarkeit - Punkt."

Für Fest gibt es den Unvereinbarkeitsbeschluss aus guten Gründen. "Schon diese Disziplinlosigkeit, sich entgegen eines Parteibeschlusses zu verhalten, verstehe ich nicht", so Fest. In der Verantwortung sieht der EU-Parlamentarier nun den Bundesvorstand. Dieser könne etwa das Parteischiedsgericht in dieser Sache anrufen. "Dass aber nichts passiert, das ist ein Versagen des Bundesvorstandes", so Fest weiter.

Höcke und Kohlmann beide in Gera und Erfurt auf der Bühne

Prominente Mitglieder der AfD waren wiederholt bei Veranstaltungen aufgetreten, bei denen auch die "Freien Sachsen" aufgetreten waren. Etwa am 3. Oktober - damals hielt neben dem Thüringer AfD-Chef Höcke auch der Vorsitzende der rechtsextremen "Freien Sachsen", Martin Kohlmann, eine Rede. An der Demo in Gera nahmen am Tag der Deutschen Einheit nach Angaben der Behörden bis zu 8.000 Menschen teil. Es war der zahlenmäßige Höhepunkt der Herbstproteste in Mitteldeutschland.

Beide waren dann Mitte November wieder auf derselben Protestveranstaltung: am 12. November in Erfurt. Sowohl Höcke als auch Kohlmann hielten erneut eine Rede. Auf der Veranstaltung traten an dem Tag auch Pegida-Mitbegründer Lutz Bachmann und der Chef des vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Compact-Magazins, Jürgen Elsässer, auf.

Kritik an Höcke

Fest sagte dem MDR in Bezug auf diese Auftritte von Höcke, dass man selbst in den Höcke-nahen Westverbänden mittlerweile auf Distanz gehe, um keine potentiellen Wählerinnen zu verschrecken. "Seine Politik mag in Thüringen aufgehen, aber seine Überpräsenz schadet anderen Landesverbänden, in denen die Wählerschaft anders sozialisiert ist. Im Osten sind ganz andere Dinge sagbar. Dinge, die im Westen nicht sagbar wären."

Die Bundestagsabgeordnete und stellevertretende Fraktionsvorsitzende Beatrix von Storch verwies in der Unvereinbarkeitsfrage auf den Bundesvorstand. Aus dem Bundesvorstand heißt es auf MDR-Anfrage knapp: "Eine Zusammenarbeit mit der Partei 'Freie Sachsen' schließt sich aus. Diese Partei ist einer unserer politischen Gegner."

Mitte Dezember trat "Freie Sachsen"-Chef Martin Kohlmann beim Montagsprotest in Bautzen auf. Auf der selben Veranstaltung hielt wenige Minuten später auch der AfD-Bundestagsabgeordnete Karsten Hilse eine Rede. Am Mikrofon sagte Hilse, man stimme in politischen Zielen nicht immer einhundert Prozent überein. Doch habe man gelernt, das außen vor zu lassen und den kleinsten gemeinsamer Nenner zu finden.

Dieses Thema im Programm:MDR exakt | 09. November 2022 | 20:15 Uhr