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24.04.2020 | 18:07 Uhr | UpdateAktion "Leere Stühle" - prekäre Lage in Sachsens Hotels und Gaststätten

24. April 2020, 18:07 Uhr

In zahlreichen Städten in Sachsen haben Gastronomen und Hoteliers am Freitag mit leeren Stühlen auf ihre finanzielle Lage aufmerksam gemacht. Aktionen gab es unter anderem in Dresden, Leipzig, Zittau, Bautzen, Zwickau, Plauen, Wurzen, Borna und Crottendorf.

Forderungen an Wirtschaftsminister Dulig übergeben

Gastwirte, Hoteliers und Veranstalter haben Wirtschaftsminister Martin Dulig einen Forderungskatalog übergeben. Sie werben darin unter anderem für eine schrittweise Öffnung ihrer Betriebe.

Der Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga, Axel Klein, sagte, das Gastgewerbe sei in der Lage, die notwendigen Hygieneregeln und Kontaktvorgaben strikt umzusetzen. Die vom Koalitionsausschuss beschlossene Erhöhung des Kurzarbeitergeldes sowie die befristete Senkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent für Gastronomen wertete die Dehoga unterdessen als "Hoffnungsschimmer".

Der Minister erklärte auf der Pressekonferenz der Landesregierung am Nachmittag, er wolle sich noch nicht auf einen Fahrplan festlegen, ab wann Restaurants und Kneipen wieder öffnen dürfen. Vermutlich würden zuerst die Außenbereiche wieder öffnen dürfen. Wann das sein wird, könne aktuell noch nicht seriös gesagt werden.

Branche fordert sofortige Anhebung des Kurzarbeitergeldes

Für Dehoga-Geschäftsführer Axel Klein ist vor allem die lang geforderte Senkung der Mehrwertsteuer ein "wichtiges Signal". Dennoch reiche das aus Verbandssicht nicht aus. Die Branche fordert einen Rettungsfonds sowie eine sofortige Anhebung des Kurzarbeitergelds. "Ohne direkte Finanzhilfen werden es die meisten unserer Betriebe nicht schaffen", so Klein.

Neue Regelung für Kurzarbeitergeld und MehrwertsteuerAm Mittwochabend haben sich Union und SPD auf eine Erhöhung des Kurzarbeitergeld während der Corona-Krise geeinigt. Kurzarbeitergeld wird demnach ab dem 4. Bezugsmonat auf 70 Prozent aufgestockt. Ab dem 7. Monat würden 80 Prozent des Nettolohns gezahlt. Für Haushalte mit Kindern sind 77 bzw. 87 Prozent vorgesehen. Die Mehrwertsteuer für Speisen in der Gastronomie soll zudem vorübergehend von 19 Prozent auf sieben Prozent gesenkt werden.

300 leere Stühle in Crottendorf

An dem bundesweiten Protest haben sich auch Unternehmer aus dem Erzgebirge beteiligt. Sie stellten 300 leere Stühle auf dem Parkplatz des Räucherkerzenladens auf. Ins Rollen gebracht hatten die Aktion der Chef der Crottendorfer Räucherkerzen GmbH, Mirko Paul und Dominik Naumann von der Brauerei Zwönitz. Paul sagte im Gespräch mit MDR SACHSEN, es seien nicht nur Gastronomen und Hotelbetreiber dabei.

Es sind auch Lieferanten, die die Gastronomie beliefern, dabei. Wir haben also hier auf unserem Parkplatz leere Stühle aufgestellt, um einfach darauf hinzuweisen, dass die Gastronomie gerade leer ist, also auf Null heruntergefahren ist und wir auch keine Perspektive haben.

Mirko Paul | Organisator "Leere Stühle" Crottendorf

Paul begrüßte den Vorschlag der Dehoga, ab Mitte Mai phasenweise mit der Öffnung der Betriebe zu beginen, "bis wir irgendwann den Normalzustand erreicht haben".

"Niemand trinkt im Herbst die doppelte Menge Bier"

Dominik Naumann quält noch eine ganz andere Sorge. Nicht nur wegen der geschlossenen Restaurants, sondern auch den abgesagten kleinen und großen Veranstaltungen ist der Bierabsatz massiv eingebrochen. "Das Bier, was heute nicht vom Gast getrunken wird, werden wir auch im Herbst nicht verkaufen. Denn keiner trinkt dann die doppelte Menge", so Naumann. Die Branche brauche Planungssicherheit.

Zurzeit machen wir eine totale Blindfahrt, können uns auf unsere Erfahrungen nicht mehr verlassen. Normalerweise würden wir jetzt für die ganzen Sommerfeste vorproduzieren. Nun besteht die Gefahr, dass wir uns verkalkulieren und das zu viel gebraute Bier letztendlich im Abfluss landet.

Dominik Naumann | Brauerei Zwönitz

Hotelier aus Zittau: "Wir können das Geld nicht mehr vorschießen"

In Zittau hat Hotelbetreiber und Vorsitzender des Tourismusvereins, Ronny Überschär, die Aktion organisiert. 35 Unternehmen aus Zittau und dem Zittauer Gebirge sind seinem Aufruf gefolgt. Man sende mit diesem stillen Protest einen Hilferuf an die Politik, so Überschär. Besonders problematisch sei die Bezahlung der Mitarbeiter. Die Anträge seien teilweise in Bearbeitung. "Wir können aber das Geld für unsere Mitarbeiter nicht mehr vorschießen", so Überschär.

Er wünscht sich Gespräche, wie mit Hilfe von Förderungen, Zuschüssen statt Krediten und anderen Lösungen ein Weg aus der Misere gefunden werden kann. Die Senkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent müsse eher kommen und dauerhaft bleiben, fordert der Oberlausitzer Hotelier. "Wir waren die ersten, die schließen mussten und sind wohl die letzten, die wieder öffnen dürfen", so Überschär. Dass es noch kein Datum gibt, wann es wieder losgeht, mache die Situation noch schwieriger.

Unsere Mitarbeiter leben von Festgehalt, Nacht- und Feiertagszuschlägen und Trinkgeldern. Mit 60 bzw. 67 Prozent des Festgehaltes können viele ihre Familien nicht ernähren.

Ronny Überschär | Hotelier aus Zittau

An seine Kommune gerichtet wünscht sich Überschär einen Erlass der Sondernutzungsgebühr für die Außenbestuhlung bis Ende des Jahres. So wie es in Bautzen beispielsweise schon geschehen sei.

Bornaer Gewerbevereinschef mit düsteren Prognosen

Die Perspektivlosigkeit macht auch Thomas Lungwitz aus Borna zu schaffen. Je länger diese Situation andauere, desto schlimmer werde die Lage für die Betriebe, warnte der Chef des Gewerbevereins im Gespräch mit MDR SACHSEN.

Wenn jetzt nicht noch einmal Hilfen kommen, gehen wir davon aus, dass es am Ende des Jahres noch 50 Prozent von den Gaststätten geben wird, die jetzt in der Situation sind. Wir sind in einer depressiven Phase.

Thomas Lungwitz | Chef des Gewerbevereins Borna

Der Hotelier, dessen Haus seit Mitte März keine Umsätze mehr hat, musste alle Mitarbeiter zu 100 Prozent in Kurzarbeit schicken. Aktuell seien nur noch die vier Lehrlinge im Haus, die zum Putzen und für Hilfsarbeiten auf Arbeit kommen. Sie müssten jeden Tag zwei Urlaubstage nehmen. Lungwitz hofft wie alle in der Branche, dass es bald wieder losgeht und vor allem, dass es planbar wird.

Quelle: MDR/dk/dpa

Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSENMDR SACHSENSPIEGEL | 24.04.2020 | 19:00 Uhr
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