Folgen des Ukraine-Krieges Dulig sieht Sachsen vor wirtschaftspolitischer Zeitenwende

04. Mai 2022, 11:50 Uhr

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) hat vor erheblichen wirtschaftlichen Folgen des Angriffs-Krieges Russlands auf die Ukraine gewarnt. Zugleich rief er zur zügigen Modernisierung der sächsischen Wirtschaft auf. Dafür kündigte er einen Expertenbeirat zur Transformation an.

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig hat im Sächsischen Landtag einmal mehr den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verurteilt. Die Folgen würden immer mehr auch für die sächsische Wirtschaft und die Verbraucherinnen und Verbraucher spürbar. Dulig versprach Hilfen für Unternehmen, die unter den Sanktionen gegen Russland leiden. Hohe Energiepreise verteuerten die Produktion, Liefer- und Wertschöpfungsketten würden unterbrochen, Rohstoffe und Vorprodukte seien nicht verfügbar, sagte Dulig am Mittwoch bei einer Regierungserklärung.

Einige Unternehmen treffen diese ökonomischen Folgen besonders hart. Wir lassen sie nicht im Regen stehen.

Martin Dulig sächsischer Wirtschaftsminister (SPD)

Neben Hilfen des Bundes stelle Sachsen vor allem Rettungs- und Umstrukturierungsdarlehn zur Verfügung.

Expertenbeirat soll grundlegenden Wandel begleiten

Der russische Angriffskrieg verschärfe den Trend zur De-Globalisierung, betonte Wirtschaftsminister Dulig. "Darauf müssen wir reagieren, wollen wir nicht einen guten Teil unseres Wohlstandes verlieren." Um Unternehmen und Arbeitsplätze zu sichern, müsse Sachsens Wirtschaft modernisiert und unabhängiger werden. Es sei der größte Modernisierungsprozess des Industriestandortes Sachsen seit 1990, um das Land klimaneutral umzubauen.

Bauarbeiter errichten bei Sonnenaufgang ein Gebäude am Kronberg
Einige Wirtschaftszweige sind von den steigenden Energie- und Rohstoffpreisen besonders betroffen, darunter auch das Baugewerbe. Bildrechte: picture alliance/dpa | Julian Stratenschulte

Dulig kündigte in diesem Zusammenhang an, einen Expertenbeirat aus Wirtschaft, Wissenschaft, Gewerkschaften und Verbänden zu berufen, um den Transformationsprozess zu begleiten. Er nannte drei zentrale Herausforderungen: Dekarbonisierung (Reduzierung von Kohlendioxidemissionen durch den Einsatz kohlenstoffarmer Energiequellen, Anmerk. d. Red.), Digitalisierung und Demografie.

Dulig: Wer Ausbau erneuerbarer Energien bremst, gefährdet Arbeitsplätze

Der SPD-Minister forderte, dass Sachsen die Voraussetzungen für Investitionen in die Mikroelektronik und Wasserstoffwirtschaft schaffen müsse. Gleichzeitig bräuchten diese aber auch Platz in Form von geeigneten und großen Flächen, die "in einem ausreichenden Entwicklungszustand schnell zur Verfügung stehen - wie dies zum Beispiel bei den großen Ansiedlungen von Tesla und Intel der Fall war." Die Staatsregierung habe das Thema erkannt und arbeite an einer Lösung. Dulig betonte die Bedeutung des Breitbandausbaus und erneuerbarer Energien für Firmenansiedlungen - und kritisierte den Koalitionspartner CDU, ohne sie namentlich zu nennen.

Ohne erneuerbare Energien gefährden wir unseren Wirtschaftsstandort! Wer immer noch den Ausbau bremst, gefährdet unsere Arbeitsplätze.

Martin Dulig sächsischer Wirtschaftsminister (SPD)

Energieminister Wolfram Günther (Grüne) bot er die Unterstützung seines Ministeriums beim beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien an.

Programm zur Fachkräftegewinnung bis zum Sommer

Schließlich unterstrich Wirtschaftminister Martin Dulig die "zentrale Bedeutung" der Zuwanderung ausländischer Fachkräfte. Es reiche nicht aus, das verbleibende Potential an Fachkräften zu heben. Sein Ministerium arbeite derzeit mit den zuständigen Akteuren an einem Programm, um Nachwuchs und Fachkräfte für Sachsen zu gewinnen. Bis zum Sommer soll dass vorliegen. Dulig gab sich optimistisch, dass es angesichts der Transformationsprozesse die Chance auf einen "Vorsprung Ost" gebe.

Erste Reaktionen: Opposition sieht wenig Substanzielles

Als inhaltsleer kritisierte der AfD-Abgeordnete Frank Peschel die Regierungserklärung in der darauffolgenden Aussprache. Es fehlten seiner Ansicht nach konkrete Aussagen, etwa wie viele neue Arbeitsplätze in Sachsen entstehen sollten. Er warf der Staatsregierung vor, die Soziale Marktwirtschaft zur "Klima-Planwirtschaft" umzubauen.

Herr Dulig, eine Regierungserklärung mit vielen großen Worten, wenig Substanzielles.

Frank Peschel wirtschaftspolitischer Sprecher AfD

Auch der wirtschaftspolitische Sprecher der Linken, Nico Brünler, bemängelte Duligs Rede:

Der Staatsminister liebt es: Erklärungen mit pathetischen Titeln, in denen er Dinge beschreibt, die bei näherem Hinschauen bekannt oder nicht beschlussreif sind.

Nico Brünler wirtschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion

Bei der Fachkräftesicherung, Digitalisierung und beim Strukturwandel gebe es viele Defizite. Dulig habe etwa am Montag das Zentrum für Fachkräftesicherung und Gute Arbeit (ZEFAS) in Chemnitz eröffnet. "Was sein Mehrwert ist, muss sich aber noch erweisen", so Brünler. Er kritisierte zudem die "industriepolitische Plan- und Visionslosigkeit des Wirtschaftsministeriums" im Zusammenhang mit dem Strukturwandel in der Lausitz. "Ihre Spezialität war das Vertrösten auf die wichtige Brückenfunktion der Kohle. Und das rächt sich nun gleich mehrfach." kritisierte Brünler in Anspielung auf Duligs frühere Verantwortung für den Bereich der Energie.

CDU warnt vor Kostenspirale durch höhere Löhne

Nach Ansicht des wirtschaftspolitischen Sprechers der CDU Jan Hippold haben die wirtschaftlichen Auswirkungen das Potential für eine ernsthafte Wirtschaftskrise und seien nur mit größter Anstrengung zu verkraften. Ein erster wichtiger Schritt sei, dass Sachsen bei öffentlichen Bauaufträgen zu fairen Regelungen komme. Er mahnte zudem an, den Bürokratieabbau voranzutreiben. Den Appell des SPD-Wirtschaftsministers nach höheren Löhnen im Kampf gegen den Fachkräftemangel teilt der CDU-Politiker nicht. "Nicht nur mehr Lohn löst nach unserer Einschätzung dieses Problem, sondern es gehören gute Rahmenbedingungen dazu. Immer höhere Löhne treiben nur die Kostenspirale."

Grüne fordern Solardachpflicht

Der Grünen-Politiker Gerhard Liebscher mahnte noch einmal den raschen Ausbau erneuerbarer Energien an.

Der Geschäftsführer der Philips Technologie GmbH Plauen, Gerhard Liebscher.
Der wirtschaftspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Gerhard Liebscher, verlangte u.a. mehr Energiesparen und eine Solardachpflicht für bestimmte Neubauten (Archivbild). Bildrechte: picture-alliance/ ZB

Eine naive Blauäugigkeit mit der man sich hierzulande in eine zunehmende Abhängigkeit von Russland begeben hat, tritt nun zutage.

Gerhard Liebscher Wirtschaftspolitischer Sprecher B'90/Die Grünen

Der schnellste Weg zur Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen sei die Reduktion des Energieverbrauchs. Gleichzeitig müsse der Freistaat Flächen zum Ausbau erneuerbarer Energien bereitstellen. Liebscher forderte zudem eine Solardachpflicht für öffentliche und gewerbliche Neubauten sowie ein Tempolimit.

MDR (js)/dpa)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 04. Mai 2022 | 12:00 Uhr

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