"Fakt ist!" aus Dresden diskutiert über den CFC "Es war eine rechtsextremistische Machtdemonstration"

19. März 2019, 10:21 Uhr

Im Stadion des Chemnitzer FC wird öffentlich um einen Fan getrauert, der als Gründer der Hooligan-Gruppierung "Hooligans Nazis Rassisten" (HooNaRa) bekannt ist. Wie viel Macht haben rechte Hooligans - in Chemnitz und in anderen Vereinen? Das fragte Moderator Andreas F. Rook bei "Fakt ist!" aus Dresden den Fanprojekte-Koordinator Michael Gabriel, den Chemnitzer Stadtrat Lars Faßmann, den Journalisten Olaf Sundermeyer und die SPD-Landtagsabgeordnete Hanka Kliese, die selbst einmal beim CFC gespielt hat.

Was tun, wenn der geliebte Verein von Neonazis vereinnahmt wird? Wenn rechte Hooligans das Erlebnis Fußball kaputtmachen? Wenn nazistische Parolen lauter werden als der Sport? Wenn im Stadion offiziell um einen stadtbekannten rechten Hooligan getrauert und damit alle Fans freiwillig und unfreiwillig - mit ins Boot geholt werden? Das darf nicht sein, das kann nicht sein, das sei ein verheerendes Signal - lautetet einmütig die Botschaft aller "Fakt ist!"-Gäste am Montagabend. Ob das Urteil mit der Meinung des CFC-Insolvenzverwalters ähnlich einmütig ausgesehen hätte, bleibt an diesem Abend im Ungewissen. Klaus Siemon hatte seine Teilnahme an der Sendung kurzfristig abgesagt.

Kliese: Auftreten des CFC "dilettantisch und peinlich"

Für den Journalisten Olaf Sundermeyer war jedoch klar: "Das Wichtigste ist, sich zum Problem Rechtsextremismus zu bekennen", erklärte der Reporter, der seit vielen Jahren deutschlandweit in der rechten Hooligan-Szene recherchiert. "Der Verein muss sich seiner sozialen Verantwortung bewusst sein und entsprechend reagieren." Die SPD-Landtagsabgeordnete Hanka Kliese formulierte es ähnlich: "Bei mir wurde jetzt eine Schmerzgrenze überschritten. Mir fehlen das Verständnis und das Bewusstseins des Vereins für das Problem", sagte die ehemalige Spielerin des Chemnitzer FC. Das "Akzeptieren" der Ereignisse und Strukturen sei deutlich zu weit gegangen. Kliese bezeichnete das Auftreten des Chemnitzer FC nach der Trauerbekundung  im Stadion als "dilettantisch und peinlich". Die Politikerin aus Chemnitz kritisierte, dass sich der Verein nach den Ereignissen in Widersprüchen verstricke und nicht erkennen lasse, Probleme mit rechtsextremen Fans verstehen zu wollen.

Versagen der Verantwortlichen

"In Chemnitz gibt es ein eindeutiges Versagen der Verantwortlichen im Verein und auch der Verantwortlichen in der Stadt", erklärte Fanprojekte-Koordinator Michael  Gabriel. Der militante Rechtsextremismus habe sich in den vergangenen Jahren immer weiter entwickelt. Gabriel zitierte den Verfassungsschutz, der das Konglomerat aus Neonazis, Hooligans, Sicherheitspersonal und Kampfsportschulen als "toxisches Gebilde" bezeichnete. Die Strukturen würden aus dem Stadion hinausreichen. Längst hätten rechtsextreme Kreise eigene Wirtschaftskreisläufe aufgebaut. Gabriel erklärte: Hier liege die Verantwortung auch bei den Gewerbetreibenden, sie und auch die Fußballvereine selbst "dürften keine Geschäfte mit Neonazis machen."

Nicht nur Chemnitzer Problem

Dann die Antwort auf die allgemeine Frage: Nein, rechte Hooligans sind nicht nur in Chemnitz ein Problem. Journalist Sundermeyer erklärte: "Der Chemnitzer FC ist nicht der einzige Verein mit seinem handfesten veritablen Rechtsextremismus-Problem. Das gibt es im Westen, das gibt es im Osten. Doch in Sachsen ist das Phänomen besonders stark." Er selbst sei Dortmund-Fan. Auch dort habe es viele Jahre große Schwierigkeiten gegeben, würden immer noch viele Neonazis ins Stadion gehen. "Doch, dass das Stadion dort offiziell eine Schweigeminute für einen Neonazi einlegt, ist in Dortmund unvorstellbar", sagte Sundermeyer.

Gabriel: Intensive Fan-Arbeit in Dortmund

Dass Borussia Dortmund das Problem eingrenzen konnte, sei kein Selbstläufer, erklärte Fanprojekte-Koordinator Gabriel. "In Dortmund wurde der Rechtsextremismus jahrelang ignoriert, die Szene wurde immer bedrohlicher. Doch der Verein hat das Problem erkannt und eine Strategie erstellt." Der Ordnungsdienst sei deutlich verbessert und die Opferberatung mit ins Boot geholt worden, die Presseabteilung reagiere schnell und die Fanszene werde allein durch vier hauptamtliche Mitarbeiter gestützt. In der gekündigten Chemnitzer Fan-Beauftragten Peggy Schellenberger sieht Gabriel ein Bauernopfer. Ähnlich sieht es der Chemnitzer Stadtrat Lars Faßmann: "Die Fan-Beauftragte wurde nur auf Basis eines Minijobs beschäftigt." Trotzdem habe sie weit über 40 Stunden gearbeitet. Das sei schon fast eine ehrenamtliche Tätigkeit gewesen.

Sundermeyer: Oberbürgermeisterin darf nicht abtauchen

Olaf Sundermeyer kritisierte auch das Krisenmanagement der Stadtspitze. Die Oberbürgermeisterin dürfe nicht einfach so abtauchen. "Es ist ganz entscheidend, dass - genau in einer Zeit, in der wir in ganz Deutschland einen Rechtsruck erfahren, insbesondere in Sachsen -  Kommunalpolitiker Gesicht zeigen und sich aktiv mit Problemen auseinandersetzen.

Der Vorfall war eine rechtsextremistische Machtdemonstration, die Trauer nur vorgeschoben. Wir brauchen ein Klima in den Stadien, das das nicht zulässt. Das kann ein Verein jedoch niemals allein schaffen, hier sind auch die Stadt und das Bundesland gefragt. Das Stadion ist kein Ufo, sondern das Problem betrifft die ganze Stadt.

Olaf Sundermeyer Journalist und Extremismusexperte

Kliese: Mehr Fanarbeit

Doch wie geht es weiter ? Fanarbeit, lautete auch hier einstimmig das Urteil. "Die Halbherzigkeit kann nicht so weitergehen", sagte Fanprojekte-Koordinator Gabriel mit Blick auf die Minijob-Stelle, die es bislang gab. "Der Chemnitzer FC muss mehr in Fanarbeit investieren und rechtsextremen Fans Grenzen setzen", sagte Abgeordnete Kliese. Konsequenzen müssten auch über die Vereinsgrenzen reichen. Bislang habe man sich nur unzureichend mit den Strukturen beschäftigt. "Wir tun der Stadt keinen Gefallen, wenn wir zu einem Scheinfrieden zurückkehren. Wenn wir das tun, verschlimmern wir das Problem. Wir haben für die Menschen eine Vorbildwirkung."

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Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSEN MDR "Fakt ist!" aus Dresden | 18.03.2019 | 22:05 Uhr

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