Junge Frau vor einem Feld
Stephanie Rikl (28) will Bürgermeisterin in Ostritz werden. Bildrechte: Stephanie Rikl

Bürgermeisterwahl Mit Lust ins Amt: Ostritz hat eine besonders junge Kandidatin am Start

29. Mai 2022, 06:00 Uhr

In der ostsächsischen Kleinstadt Ostritz ist am 12. Juni Bürgermeisterwahl. Zwei Bewerber gibt es und Stephanie Rikl ist mit 28 Jahren die wahrscheinlich jüngste Kandidatin in Sachsen für den Chefposten in einem Rathaus. Die Projektleiterin will Verantwortung in einem Ort übernehmen, in dem immer wieder Rechtsextreme aufmaschieren und Bürger mit einem Friedensfest dagegenhalten.

Ostritz ist eine Kleinstadt an der Neiße im Landkreis Görlitz mit rund 2.000 Einwohnern. Trotzdem landet die Stadt immer wieder in den bundesdeutschen Schlagzeilen. Jüngst sorgten aber nicht rechtsextreme Konzerte für Aufsehen, sondern das benachbarte Kloster St. Marienthal, welches wertvolle Schriftstücke verkaufen möchte. In allen Fällen ist dann auch die Bürgermeisterin, derzeit noch Marion Prange, gefragt. Doch die bisherige Bürgermeisterin möchte und kann nicht mehr antreten, weil sie gleichzeitig Geschäftsführerin einer kommunalen Gesellschaft ist.


Als erster warf Stadtrat Thomas Göttsberger seinen Hut in den Ring. Der 55 Jahre alte Finanzbeamte ist in der Region nicht unumstritten. Manche Oberlausitzer bezeichnen den Eigentümer der Zittauer Mandaukaserne als "militanten" Denkmalschützer.

Auch im Ostritzer Stadtrat sorgte sein Auftreten nicht immer für ungeteilte Zustimmung. Deshalb suchten einige Ostritzer nach Alternativen. So kam Stephanie Rikl ins Spiel.

Auf der Straße angesprochen

"Zunächst wurde ich von Ostritzern mehr oder weniger auf der Straße angesprochen, ob ich mir das vorstellen könnte", erzählt die junge Frau. Später fragten Stadträte ganz gezielt nach. Die 28-Jährige wurden davon völlig überrascht, denn bislang hatte sie mit Politik nur wenig am Hut. In der 11. und 12. Klasse wurde Stephanie Rikl zur Schulsprecherin gewählt. Ansonsten hatte die heutige Projektleiterin keine Wahlfunktionen inne.

Dann hat sozusagen der Familienrat getagt, und wir haben gemeinsam überlegt, ob ich mir das vorstellen kann, ob ich dieses Amt ausfüllen kann und wie meine Familie dazu steht. Und das hat mich gefreut. Alle stehen zu 100 Prozent hinter mir.

Stephanie Rikl Bürgermeisterkandidatin Ostritz

Die Mutter von einem Sohn ist parteilos und war deshalb auf eine Unterstützerliste angewiesen. Innerhalb von nur wenigen Stunden kamen mehr als 70 Unterschriften zusammen. Jetzt unterstützen die Kandidatur der jungen Frau die Stadträte der unabhängigen Bürger Ostritz und Leuba sowie die CDU. Und ihre Familie. "Dann hat sozusagen der Familienrat getagt, und wir haben gemeinsam überlegt, ob ich mir das vorstellen kann, ob dieses Amt passt und wie meine Familie dazu steht. Und das hat mich gefreut. Alle stehen zu 100 Prozent hinter mir. Gemeinsam fassten wir den Entschluss, dass ich mich für Ostritz und die Bürgermeisterwahl aufstellen lasse."

Kloster Marienthal in Ostritz in der Oberlausitz
Das Internationale Begegnungszentrum im Kloster St. Marienthal lockte die junge Frau von Grimma an die Neiße. Bildrechte: IMAGO / NBL Bildarchiv

Eigentlich ist Stephanie Rikl keine Ostritzerin, sondern stammt aus der Umgebung von Grimma. Ein freiwilliges soziales Jahr lockte sie in das Internationale Begegnungszentrum St. Marienthal, dann folgte ein Studium für Kultur- und Management in Görlitz. Durch die Liebe strandete sie am westlichen Ufer der Neiße.

Gemeinsame Leidenschaft an der Neiße

Ihr Ehemann ist als Garten- und Landschaftspfleger selbstständig und hat in der Region einen guten Ruf. Stephanie und ihr Ehemann teilen eine süße Leidenschaft, an der sie auch die Oberlausitzer teilhaben lassen: Erdbeeren! Ihr Feld samt Kasse des Vertrauens liegt an der B99 am Ortseingang aus Richtung Leuba. Später blühen dort Sonnenblumen. Aber die Eheleute engagieren sich nicht nur auf ihrem Feld am Ortseingang, sondern auch beim Friedensfest. Es bietet Rechstextremen Paroli, die auf dem Gelände des einstigen Hotels Neißeblick unter anderem Kampfsportfestivals feiern.

Friedensfest auf dem Marktplatz Ostritz
Das Friedensfest in Ostritz will die Kandidatin weiter unterstützen, um ein Zeichen für Toleranz zu setzen. Bildrechte: MDR/xcitePRESS

Auf dem Friedensfest hat die junge Frau sogar einen eigenen Stand und gewissermaßen spiegelt das Ehepaar das Leben in der Kleinstadt wieder. Es gibt eine starke katholische und eine aktive evangelische Gemeinde. Der Mann ist katholisch, die Bürgermeisterkandidatin ist evangelisch.

Also, wir sind sozusagen ökumenisch und wechseln deswegen immer mal die Gottesdienste. Wir kennen deshalb auch die Leute in beiden Gemeinden.

Stephanie Rikl Bürgermeisterkandidatin Ostritz

Dass das Zusammenwirken verschiedener gesellschaftlicher Kräfte funktionieren kann, wird in Ostritz nicht nur beim Friedensfest sichtbar, sondern auch beim traditionellen Saatreiten am Ostersonntag. Ursprünglich eine heidnische, später katholische Tradition, reiten heute auch evangelische Pfarrer und Männer in der Prozession mit. Sie tragen nicht nur die Frohe Botschaft ins Umland, sondern es werden Wald und Flur gesegnet.

Ostritz ist seit Jahren energieökologische Modellstadt. An diese Tradition will nicht nur Stephanie Rikl, sondern auch ihr Mitwettbewerber um den Chefposten angeknüpfen. Während Thomas Göttsberger auf seine Erfahrung als Finanzbeamter in Sachen Geld verweisen kann, stellt die junge Frau ihr Wissen um Förderanträge in den Mittelpunkt. Bislang arbeitet sie als Projektleiterin bei der Görlitzer Kulturservice GmbH. Dort war sie unter anderem für die Eisbahn beim Schlesischen Christkindesmarkt verantwortlich.

Kulturmanagerin in Görlitz

Derzeit ist Stephanie Rikl mit dem Görlitzer Altstadtfest beschäftigt, welches wie der bevorstehende Tippelmarkt, nach der Corona-Zwangspause in alter Größe neu aufgelegt werden soll.

Licht und Schatten

Natürlich ist in Ostritz nicht alles eitel Sonnenschein. Seit der politischen Wende hat die Zahl der Einwohner halbiert und sinkt weiter. Häuser, Wohnungen und Geschäfte stehen leer. Auch eine Leere zwischen den Menschen ist deutlich spürbar, meinen Leute auf dem Marktplatz.

Zudem klafft nach Aussagen von Ostritzern ein Riss zwischen Jung und Alt. Auch die Corona-Pandemie hat dafür gesorgt, dass sich manche Oberlausitzer ins Private zurück ziehen. Dazu sorgt das benachbarte Kloster St. Marienthal immer wieder für Unverständnis. Als der Klosterwald vor einigen Jahren verkauft wurde, gingen damit auch Arbeitsplätze, beispielsweise in einem Sägewerk und im Forst verloren. Nun verliert Ostritz möglicherweise wertvolle Kunstschätze.

Optimistisch in der Grundstimmung

Trotz aller Probleme bleibt Stephanie Rikl optimistisch: "Ich finde, Ostritz hat sehr viel Potenzial und eine sehr schöne Infrastruktur, also wirklich viel zu bieten. Wenn man das mal aufschreibt, dann wird die Liste sehr lang."

Ich habe die Ostritzer, als ich hierher gekommen bin, als sehr offen wahrgenommen, als sehr herzlich. Ich bin sehr schnell hier angenommen worden. Und das macht es auch eigentlich aus. Der soziale Zusammenhalt, dass es viele Vereine gibt und dazu noch die Infrastruktur an Schulen, zwei Kindergärten, Ärzte und Apotheke. Diverse Einkaufsmöglichkeiten und gemeinsam wurde das Freibad gerettet und gemeinsam werden wir es erhalten.

Stephanie Rikl Bürgermeisterkandidatin

Ihr Mitbewerber Göttsberger hat dagegen die seiner Meinung nach negative Grundstimmung im Blick, die es - wie den Leerstand auch - zu überwinden gilt. Bei vielen Ideen zur weiteren Entwicklung von Ostritz unterscheiden sich die beiden Bewerber um den ehrenamtlichen Chefposten im Rathaus nur um Nuancen. "Ich habe wirklich Lust, mich für die Stadt zu engagieren, in der ich lebe", lächelt die junge Frau. Anschließend nimmt sie ihren Mitbewerber ins Visier: "Ich finde es mutig für jeden, der sich aufstellen lässt. Sehen wir mal, wie es ausgeht am 12. Juni."

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