Kommunalwahlen 2022 Parteien setzen auf biederen und bodenständigen Wahlkampf

04. Juni 2022, 12:00 Uhr

In 184 Städten und Gemeinden in Sachsen werden am 12. Juni Bürgermeister und Oberbürgermeister gewählt, dazu neue Landräte in neun Landkreisen. Auch im digitalen Zeitalter setzen die Kandidaten und Kandidatinnen in Sachsen auf klassische Wahlhilfen wie Plakate und Gespräche. Dabei fällt auf: Häufig fehlen witzige oder provokante Aussagen. Doch warum ist das so?

Sie sind "engagiert", "anständig" oder "verlässlich": Tugenden, die in der Schule für gute Kopfnoten sorgen, scheinen 2022 den Parteien im Kampf um Landräte- und Bürgermeister-Posten ein Allheilmittel zu sein.

Drag-Queen provozierte zur Wahl 2015

Zur Oberbürgermeisterwahl 2015 sorgte in Dresden noch Drag-Queen Lara Liqueur, die für die Satire-Partei Die PARTEI kandidierte (Wahlergebnis 1,8 Prozent der Stimmen), für Aufsehen samt provokanter Sprüche und Plakate.

Beliebige Aussagen, keine Provokationen

Und 2022? Die Dresdner Grünen setzen auf (Plakat)-Tugenden wie "Verlässlichkeit", "Anstand" und "Miteinander". Auch Wahlplakate von Linken ("Die Frau für Bautzen!"), CDU ("Weil wir hier leben wollen") oder SPD ("Für mehr Erzgebirge") hielten sich an Sprüche, die keinem weh tun.

AfD streitet um "Langen Max" und ähnelt CDU-Kampagne von 2015

Der AfD-Kandidat für die Oberbürgermeisterwahl in Dresden, Maximilian Krah, fiel statt durch Inhalte durch regelwidrige XXL-Plakate auf (interner Name: "Langer Max"). Die Stadt ließ die Riesenplakate abhängen, wogegen die AfD Klage eingereicht hat. Da fiel kaum auf, dass die AfD-Losung von 2022 "Dresden gewinnt" stark der ähnelt, mit der Sachsens Ex-Innenminister Markus Ulbig (CDU, "Damit Dresden gewinnt") 2015 als Oberbürgermeister kandidierte.

Wahlkampfkassen trotz Krise gut gefüllt

Am Geld für neue oder originelle Ideen fehlt es den meisten Parteien nicht. Das Wahl-Budget von Dirk Hilbert liegt bei "etwas über 125.000 Euro". Und damit höher als 2015. Auch "um die inflationsbedingten Preissteigerungen stemmen zu können", erklärte Hilberts Sprecher Henry Buschmann MDR SACHSEN. "Das Spendenaufkommen kann als sehr gut bezeichnet werden. Auch und gerade in der aktuellen wirtschaftlichen Situation im Land", bestätigte auch Marcus Fritsch vom CDU-Kreisverband Vogtland.

Das Spendenaufkommen kann als sehr gut bezeichnet werden. Auch und gerade in der aktuellen wirtschaftlichen Situation im Land.

Marcus Fritsch Geschäftsführer CDU-Kreisverband Vogtland

Traditionelle Wahlplakate mit Blick auf alternde Wählerschaft

Zunehmend schauen die Parteien bei der Wahlwerbung auf die Altersstruktur ihrer Wähler. So wirbt der Landrats-Kandidat der FDP im Erzgebirgskreis mit "Licht an im Schacht" und spielt mit der Tradition. Die Altersgruppe 50+ habe der Partei wesentliche Stimmenanteile zur Bundestagswahl 2021 verschafft, dagegen hätten 18- bis 25-jährige das FDP-Ergebnis nur eine Stelle nach dem Komma beeinflusst, verlautete es aus Kreisen der Landes-FDP.

Zur letzten Bundestagswahl 2021 stellte in Sachsen die Altersgruppe von 21 bis 25 Jahren die niedrigste Wahlbeteiligung bei Urnenwählern (42,4 Prozent). Dagegen lag die Wahlbeteiligung der 45- bis 60-Jährigen im Schnitt bei 55 Prozent.

Die Wählerschaft hat angesichts der Zeitenumstände eher ein Verlangen nach Sicherheit als nach Visionen.

Werner Patzelt Politikwissenschaftler

Ukraine-Krieg weckt Sicherheitsbedürfnis der Wähler

Die "Bodenständigkeit und Seriosität" der Plakate begründet CDU-Kreisverbandschef Fritsch damit, "dass es sich hier um eine regionale Wahl und insbesondere eine Personenwahl handelt." Parteipolitik spiele eine "weniger zentrale Rolle".

Politikwissenschaftler Werner Patzelt, der bis 2019 an der TU Dresden lehrte, sieht auch den Ukraine-Krieg als Ursache für konservative Wahlaussagen. "Der Krieg führt uns vor Augen, dass die Sicherung des Erreichten eine Leistung sein kann." Die Wählerschaft habe angesichts der "Zeitenumstände eher ein Verlangen nach Sicherheit als nach Visionen", sagte Patzelt MDR SACHSEN.

Hin- und wieder kommt auch mal ein witziger Spruch auf ein Plakat, aber immer mit dem Anspruch, eine vernünftige Botschaft zu transportieren.

Tilman Günther Sprecher SPD-Landesverband Sachsen

Wahlkampfspenden in Zehntausende Plakate gesteckt

Die Parteien haben das Geld nun in Masse investiert. Allein OB-Kandidat Hilbert setzt in Dresden 4.500 Plakate ein. Die CDU im Landkreis Bautzen 3.600 Plakate plus 79 Großwerbetafeln, die Landes-FDP 9.000 Plakate für drei Landkreise und 2.500 Plakate für die Bürgermeisterkandidaten, die sächsische Linke gibt die Anzahl ihrer Wahlplakate mit mehr als 15.000 an 7.500 Standorten an.

Grafiken von Männern und Frauen mit Kronen auf, die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister darstellen. Eine Frau hält eine rote Kugel zwischen den Fingern. 3 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
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https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/politik/kommunalwahlen/buergermeisterwahl/video-beruf-aufgaben-stimmen-voraussetzungen-104.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | SACHSENSPIEGEL | 01. Juni 2022 | 19:00 Uhr

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