Landtagswahl 2024Franziska Schubert: Grüne Hoffnungsträgerin aus der Lausitz
21. August 2024,
10:00 Uhr
Seit fünf Jahren regieren die Grünen in Sachsen mit und wollen dies auch in der kommenden Legislaturperiode tun. Doch das könnte schwierig werden. Nicht nur, weil Ministerpräsident Michael Kretschmer lieber ohne die Bündnisgrünen regieren würde, sondern auch, weil die Grünen in Umfragen immer gefährlich nahe der Fünf-Prozent-Grenze sind. Im Dreier-Spitzenteam kommt Franziska Schubert wohl die Rolle zu, vor allem im ländlichen Raum um Wähler zu werben. Sie setzt dabei auf Themen wie Strukturwandel und Wasserwirtschaft.
Franziska Schubert soll als eine von drei Spitzenkandidaten vor allem Wähler im ländlichen Raum überzeugen.
Auf dem Wochenmarkt in Weißwasser ist nicht viel los. Nur ein paar Rentner schlendern von Stand zu Stand und erledigen ihre Wocheneinkäufe. Etwas abseits haben die Grünen einen Wahlkampfstand aufgebaut. Für Interessierte gibt es Kuchen, Obst oder alkoholfreies Bier. Mittendrin: die grüne Spitzenkandidatin Franziska Schubert. Mit ihren hell-roten Haaren sticht die 42-Jährige heraus.
Nur wenige Marktbesucher nähern sich dem Wahlkampfstand. Also geht die Spitzenkandidatin aktiv auf die Menschen zu. Sie stellt sich vor, erzählt von sich, hört sich Sorgen und Probleme an. Eine Rentnerin erzählt mit Bedauern von ihren Kindern, die in den Westen gegangen sind, eine Frau davon, wie schwer es ist, in Weißwasser einen geeigneten Ehemann zu finden.
Dass Franziska Schubert in Weißwasser Wahlkampf macht, ist kein Zufall. Die gebürtige Löbauerin ist selbst in Neugersdorf in der Lausitz aufgewachsen. Sie stammt aus einer Handwerkerfamilie: "Meine Eltern haben eine Fleischerei und führen sie in […] vierter Generation. Wir mussten immer achtsam mit dem Geld umgehen. Vor allem in den 1990er-Jahren. Das hat mich geprägt", erzählt die Politikerin.
Wie damals steht die Lausitz auch heute vor großen Veränderungen: Ab 2038 wird die für die Region wirtschaftlich wichtige Kohle nicht mehr gefördert. Das Ziel von Franziska Schubert: "Die Menschen müssen in ihrem privaten Leben merken, dass der Strukturwandel etwas Gutes für sie bringt." Dazu brauche es Erfolgsgeschichten, wie die geplante Ansiedlung des Deutschen Zentrums für Astrophysik.
Nur so könne Akzeptanz für die aus ihrer Sicht notwendigen Veränderungen hin zur Klimawende geschaffen werden. Denn eines stehe für sie fest: "Wenn sich etwas ändert, muss ich es gestalten. Wenn ich das nicht tue, dann gestaltet die Veränderung mich."
Auch das Thema Wasserwirtschaft ist in der Region ein Politikum. Die Spree, aber auch die Seen in der Region seien auch durch den jahrelangen Braunkohleabbau belastet. Besonders in der Tagebauregion um Weißwasser sei das "eines der drängendsten Themen in den nächsten Jahrzehnten", so Schubert. Sie befürchtet, dass die Kohleunternehmen die Gewinne einstreichen, die Folgekosten aber am Steuerzahler hängen bleiben.
Wenn sich Dinge verändern, muss ich sie gestalten. Wenn ich das nicht tue, dann gestaltet die Veränderung mich.
Schon seit ihrer Kindheit sei sie ein naturverbundener Mensch gewesen, habe oft im Wald gespielt. Nach dem Abitur absolvierte sie ein Freiwilliges Ökologisches Jahr in Weißwasser, machte dort Umweltbildung mit Kindern und kümmerte sich um Reptilien und Amphibien. Anschließend studierte sie "Wirtschafts- und Sozialgeographie" an der Universität Osnabrück und schloss 2007 nach einem Studienaufenthalt in Budapest ihren Master ab.
Schneller Aufstieg bei den Grünen
Ihren Weg zu den Grünen habe sie ganz pragmatisch gefunden: Mit dieser Partei gäbe es die größte Schnittmenge. Als Katholikin seien ihr die Bewahrung der Schöpfung und das Thema Frieden wichtig gewesen. Aber auch das Thema Gleichberechtigung habe sie 2013 zum Parteieintritt bewegt. Rückblickend sagt sie: "Ich konnte gar nicht woanders landen".
Schnell übernimmt sie Verantwortung in der Partei: Bereits ein Jahr nach ihrem Eintritt wird sie für die Grünen Stadträtin in Ebersbach-Neugersdorf, Kreistagsmitglied in Görlitz und zieht als Nachrückerin in den Sächsischen Landtag ein, profiliert sich vor allem mit Finanzthemen. Allerdings zunächst in der ersten Legislaturperiode in der Opposition: "Da hatte man deutlich mehr Freiheiten. Man konnte auch viel klarer Holzen, gegen das, was einem nicht gefallen hat."
Als Juniorpartner in der Regierung
Das ändert sich mit der Landtagswahl 2019: Als einer von zwei Juniorpartnern koalieren die Grünen mit SPD und CDU. Für Franziska Schubert, ab 2020 Fraktionsvorsitzende, eine herausfordernde Situation, wie sie sagt: "Da musste es auch darum gehen, zu gucken, dass ich immer wieder auch Brücken finde, weil wir ja auch sehr unterschiedliche Partner waren." Belastet worden sei die Koalition durch den Ausbruch der Corona-Pandemie und den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine.
"Dennoch ist es uns gelungen, Gutes auf den Weg zu bringen und auch an Stellschrauben zu drehen, die gedreht werden mussten", sagt sie. So habe man beispielsweise erreicht, dass Kinder länger gemeinsam lernen können und die Rahmenbedingungen für den Ausbau erneuerbarer Energien grundlegend verändert.
Was muss Sachsen für den Klimaschutz tun? Setzen CDU, AfD, Linke, Grüne, SPD, FDP und BSW auf Versorgungssicherheit durch erneuerbare Energien? Was die Parteien dazu in ihren Programmen schreiben, lesen Sie hier.
Die CDU hält am Kohleausstieg bis 2038 fest. Für Versorgungssicherheit sollen Konzepte und Rahmenbedingungen für Speicher und Ersatzkraftwerke geschaffen werden. Die Partei setzt sich für Technologien zur Abscheidung, Speicherung und Nutzung von CO2 ein.
Forschungs- und Ausbildungskapazitäten für Energietechnologien sollen weiter gefördert werden. Genehmigungsverfahren sollen beschleunigt und konkrete Handlungsleitfäden genutzt werden, um den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzubringen.
Für die Erzeugung von grünem Wasserstoff direkt in Sachsen will die CDU bessere Rahmenbedingungen. Außerdem soll ganz Sachsen ohne Nachteile gegenüber anderen Regionen ans nationale Wasserstoffnetz angeschlossen werden. Die Partei will eine ostdeutsche Wasserstoffmagistrale vorantreiben.
Es soll attraktiver werden, Strom selbst zu erzeugen und zu verbrauchen. Dazu sollen Heimsolaranlagen mit Speichern gefördert werden. Auch über Tiefengeothermie will die CDU Energie gewinnen. Bei der kommunalen Wärmeplanung soll Bezahlbarkeit für Bevölkerung der Maßstab sein. Regionale Wirtschaft, Bevölkerung und Gemeinden sollen beim Ausbau erneuerbarer Energien beteiligt werden.
Die CDU setzt sich für Hochwasservorsorge und technischen Hochwasserschutz ein. Sie befürwortet eine bundesweite Versicherungspflicht gegen Naturgefahren.
AfD
Einen durch Menschen verursachten Klimawandel zweifelt die AfD an. Daher gibt es aus ihrer Sicht keine Notwendigkeit für erneuerbare Energien. Starke Einsparpotenziale sieht die AfD daher bei "fragwürdigen Subventionen" im Bereich der Klimapolitik.
Sachsen soll in Zukunft vor einer "zerstörerischen Klima- und Energiepolitik" geschützt werden, insbesondere seitens der EU, die die Partei als übergriffig und undemokratisch bezeichnet. Den Klimaschutzplan 2050 will die AfD beenden und zu einer Energiepolitik zurückkehren, die aus ihrer Sicht eine stabile, preiswerte und sichere Energieversorgung gewährleistet.
Das vorgezogene sächsische Ausbauziel von zwei Prozent der Fläche des Landes für die Nutzung von Windkraftanlagen bis 2027 will sie daher kippen. Voraussetzung für neue Windkraft- und Solaranlagen soll sein, dass gleichzeitig Speicheranlagen gebaut werden. Solaranlagen auf landwirtschaftlichen Flächen sowie Windräder in Naturschutzgebieten in Wäldern will die Partei verhindern.
Sachsen soll nach Plänen der AfD eigene Gasspeicher für Versorgungssicherheit bauen.
Die Linke
Die Partei möchte ein Klimaschutzgesetz auf den Weg bringen, in dem sozial gerechte Klimaschutzmaßnahmen und CO2-Reduktionsziele in allen Sektoren verpflichtend festgeschrieben und das Ziel des Pariser Klimaabkommens verfolgt wird. Dafür hält die Linke Bemühungen überall für nötig: im Energie- oder Verkehrsbereich, im Gebäudesektor, der Industrie und der Landwirtschaft. Die Linke will regelmäßig überprüfen, ob die Ziele eingehalten werden. Bei Verfehlungen müssen die Sektoren zu Sofortmaßnahmen verpflichtet werden. Für Überprüfungen und Empfehlungen soll ein Klimabeirat gebildet werden.
Ein sächsisches Klimawandelanpassungsgesetz soll Strategien für alle Sektoren verpflichtend festschreiben und zugleich soziale Folgen der Klimaveränderungen abmildern.
Energiebedarf soll möglichst vollständig aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden. Für Wind- und Solarenergie will die Linke Speicherkapazitäten schaffen. Außerdem soll ein schnellerer Ausbau ermöglicht werden.
Die Versorgung mit Trinkwasser soll durch ressourcenschonende und stabile Wasserbewirtschaftung sichergestellt werden. Insbesondere neuartige Wassersysteme sollen die Nutzung von Betriebswasser und die Rückführung von getrennten Abwasserströmen zur weiteren Nutzung ermöglichen.
Grüne
Die Grünen wollen ein sächsisches Klimaschutzgesetz. Es soll sicherstellen, dass Freistaat und Kommunen zur Einhaltung der Klimaziele beitragen. Für jeden Sektor sollen demnach Zwischenziele verankert werden.
Die Grünen gehen davon aus, dass die Energiewende und der Ausbau erneuerbarer Energien auch für günstige Preise sorgen. Die sehen die Grünen heute schon als den entscheidenden Standortfaktor für Unternehmen.
Mittels Förderung will die Partei energetische Modernisierung und den Heizungstausch fossiler Anlagen vor allem für Genossenschafts- und Sozialwohnungen unterstützen.
Gegen Wasserknappheit sollen nach dem Willen der Grünen Versickerungsflächen und Speicher geschaffen werden, die große Regenwassermengen aufnehmen.
Begrünte Gebäude und Infrastruktur, etwa an Fassaden und Gleisbetten, sollen gefördert werden. Hitzebelastete Flächen wie Schulhöfe und Parkplätze sollen entsiegelt und durch Pflanzen verschattet werden.
Zunehmende Versiegelung ist den Grünen zufolge wegen der Umweltauswirkungen nicht mehr akzeptabel. Die Umwandlung von Äckern und Wiesen in gewerbliche oder andere Flächen soll nicht ohne Weiteres möglich sein, stattdessen fordern sie eine Null-Flächenversiegelungsstrategie.
SPD
Der CO2-Neutralität will die SPD einen zentralen Platz bei der Förderung von Wirtschaft und Infrastruktur einräumen. Das Investitionsprogramm "Regionales Wachstum" soll ausgebaut werden, um den Ausstieg aus der Braunkohle und den nachhaltigen Umbau der sächsischen Unternehmen zu unterstützen.
Wärmewende und Heizungstausch müssen für alle planbar und bezahlbar sein, verspricht die Partei. Bundesprogramme will die SPD kofinanzieren und wenn nötig eigene Landesprogramme auflegen.
Sachsen braucht aus Sicht der SPD eine Klimaanpassungsstrategie für alle Bereiche: Gesundheitlicher Hitzeschutz und klimatisierende Baustoffe, Dachflächenbegrünung, hitzeresistente Fahrbahnmaterialien und Extremwettervorkehrungen müssen demnach zum Standard in allen Kommunen werden. Dafür braucht es auch Fördermittel.
Die Neuversiegelung von Böden soll bis 2030 auf unter drei Hektar pro Tag reduziert werden. Langfristig will die SPD eine Netto-Null-Versiegelung erreichen und dafür eine Strategie auflegen.
FDP
Die FDP will die Kraftwerksstandorte in Sachsen sichern und gleichzeitig den Umbau zu klimafreundlicher Energieproduktion unterstützen. Bei der Wärmeversorgung muss die Umstellung auf erneuerbare Energien für die FDP wirtschaftlich und sozialverträglich sein.
Bis 2030 will sie die Gesamtleistung der sächsischen Windkraftanlagen verdoppeln. Zudem sollen Anwohner finanziell stärker beteiligt werden. In den Strukturwandelregionen sollen Solar- und Windparks in ausreichender Entfernung zu Wohngebieten entstehen. Die Netzentgelte will die FDP neu regeln, damit Länder mit einem hohen Anteil an erneuerbaren Energien nicht stärker belastet werden.
Weitere Punkte sind: Förderung von Energiespeichertechnik, Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft und die Installation von Photovoltaik auf Landesgebäuden. Darüber hinaus will die FDP den Freistaat zur Pilotregion für die Erforschung und Nutzung langfristig nachhaltiger Kerntechnik entwickeln.
Den Klimaschutz will die FDP "effizient und ideologiefrei" betreiben. Dazu setzt sie auf marktwirtschaftliche Instrumente wie den Emissionszertifikatehandel. Weiterhin will sie den Waldumbau hin zu einem "klimatoleranten" Wald intensivieren.
BSW
Das BSW meint, Sachsen solle seine Verantwortung für Nachhaltigkeit und Klimaschutz in vernünftiger und sozial gerechter Weise wahrnehmen. Die Partei will Klima- und Umweltschutz insbesondere durch Innovationen, deren Umsetzung schnellstmöglich erfolgen kann und nicht Jahrzehnte in Anspruch nimmt.
Bei der Energiewende soll es öffentliche Förderung und Bürgerbeteiligung geben. Die Gewinne der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien sollen den Bürgern zugutekommen. Deswegen sollen z.B. Bürgerwind- und Bürgersolarparks gefördert werden.
Aus Sicht des BSW muss sich Klimaschutz rechnen und nicht das Leben teurer machen. Überbordende Bürokratie angeblich im Sinne des Klimaschutzes lehnt die Partei ab.
Weitere Ziele sind der Schutz vor Überschwemmungen, die Förderung des Anbaus resilienter Pflanzen gegen Trockenheit und die Förderung von Investitionen in den Hitzeschutz und die Gebäudekühlung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen.
Zuversichtlich trotz schlechter Umfragewerte
Zu danken scheinen es ihrer Partei nur wenige: Laut aktuellen Umfragen schafft die Partei den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde nur knapp. Solange das Wahlergebnis nicht feststeht, gibt sich Franziska Schubert jedoch zuversichtlich: "Wir haben ein [...] positives Zukunftsbild von diesem Freistaat und den wollen wir gestalten und dafür wollen wir uns einsetzen." Helfen könnte den Grünen auch die Grundmandatsklausel. Ab zwei gesicherten Direktmandaten zöge die Partei in den Landtag ein, auch wenn sie weniger als fünf Prozent der Wählerstimmen holt. 2019 errang sie drei Direktmandate.
Doch selbst wenn es für den Wiedereinzug in den Landtag reichen sollte, ist eine Regierungsbeteiligung ungewiss. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) erklärt immer wieder, sein Ziel sei es, eine Regierung ohne die Grünen zu bilden. Franziska Schubert sieht das naturgemäß anders: Aus ihrer Sicht würden die Grünen für eine stabile demokratische Mehrheit in Sachsen gebraucht.