Vor der Landtagswahl Habeck schwört Grüne in Sachsen auf Landtagswahl ein
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29. August 2024, 20:41 Uhr
Wenige Tage vor der Landtagswahl hat Wirtschaftsminister Robert Habeck in Leipzig die Grünen auf die Wahl eingeschworen. Der Wiedereinzug seiner Partei in den Landtag sei notwendig, um eine Regierungsbeteiligung von Populisten zu verhindern. Justizministerin Katja Meier mahnte vor "Baseballschlägerjahren 2.0", Energieminister Wolfram Günther betonte die Bedeutung der Grünen für die Wirtschaft.
- Die Grünen erhalten beim Wahlkampfendspurt in Leipzig Unterstützung von Bundeswirtschaftsminister Habeck.
- Auch die sächsische Justizministerin Meier und Sachsens Energieminister Günther waren vor Ort.
- Habeck warnt davor, dass ohne den Wiedereinzug der Grünen in den Landtag Populisten an der Regierung beteiligt werden müssten.
Es ist heiß und stickig im Kupfersaal in Leipzig, wo die Grünen ihren Wahlkampfabschluss einläuten. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat sich angekündigt - das Interesse ist groß. Nur wer sich angemeldet hat, wird eingelassen. Einige müssen umkehren. Wer reinkommt, muss einen aufwändigen Sicherheitscheck über sich ergehen lassen, sogar ein Sprengstoffspürhund ist im Einsatz.
Grüne hoffen auf Direktmandate
Nur noch wenige Tage, dann ist Landtagswahl: Es könnte knapp werden für die Grünen. Aktuelle Umfragen sehen sie nur bei fünf Prozent. Helfen könnte den Grünen auch die Grundmandatsklausel. Ab zwei gesicherten Direktmandaten zöge die Partei in den Landtag ein, auch wenn sie weniger als fünf Prozent der Wählerstimmen holt.
Es drohe Ähnliches wie vor fünf Jahren, beginnt die grüne Direktkandidatin aus Leipzig, Christin Melcher: "Wieder eine sehr dunkle, schwarzblaue Sachsenkarte". Doch schon damals sei es den Grünen gelungen, mit drei gewonnenen Direktmandaten in Leipzig und Dresden "grüne Hoffnungsschimmer" zu setzen. Diese Direktmandate hätten den Unterschied in der Wahrnehmung Sachsens gemacht, so Melcher.
Justizministerin will "Baseball-Schläger-Jahre 2.0" verhindern
Bei der Landtagswahl gehe es auch darum, "Baseballschläger-Jahre 2.0" im Freistaat zu verhindern, sagte Justizministerin Katja Meier. Damit spielt sie auf die frühen 1990er Jahre in Ostdeutschland an, die besonders von rechtsextremer Gewalt geprägt waren. Stattdessen müsse mit der ganzen Härte des Gesetzes gegen rechte Gewalt vorgegangen und diese eingedämmt werden. Gleiches gelte aber auch für den islamistischen Terror und die organisierte Kriminalität, so Meier.
In den vergangenen fünf Jahren habe man den Schutz von Frauen vor sexualisierter Gewalt, die Rechte von queeren Menschen und die demokratische Zivilgesellschaft gestärkt. All das stünde auf dem Spiel: "Es geht um eine Zukunft mit Perspektiven für alle Menschen." Viele Mitglieder von Bündnis 90 seien schon 1989 auf die Straße gegangen, um für die Freiheit zu kämpfen: "Und heute sind wir diejenigen, die an der Seite der Freiheit stehen, um gegen Putin und die Despoten auf dieser Welt zu kämpfen", so Meier.
Und heute sind wir diejenigen, die an der Seite der Freiheit stehen, um gegen Putin und die Despoten auf dieser Welt zu kämpfen.
Günther: Kretschmers Energiepolitik verunsichert Unternehmer
Energieminister Wolfram Günther betont die Bedeutung der Grünen für den Wirtschaftsstandort Sachsen. Man habe eine Industrie, die extrem energieintensiv sei. Deshalb, so Günther, forderten viele Unternehmer: "Entweder kommt hier in absehbarer Zeit grüner Strom zu uns oder unser Standort hat hier keine Zukunft mehr." Diese Unternehmer setzten auf den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien.
Stattdessen habe Sachsen mit Michael Kretschmer einen Ministerpräsidenten, der "mal abwechselnd von einer Reparatur von Nord-Stream redet, von Braunkohle [...] und dann sind es plötzlich Atomkraftwerke - alles Quatsch!". Die Unternehmer seien verunsichert, Investitionen blieben aus. "Damit es hier vorangeht, kommt es auf Bündnis 90/Die Grünen an", so Günther.
Damit es hier vorangeht, kommt es auf Bündnis90/die Grünen an.
Schubert: Kretschmer sei "Apokalyptischer Reiter"
Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidatin Franziska Schubert umriss die Rolle, die die Bündnisgrünen aus ihrer Sicht an der Seite der CDU in der Regierung gespielt haben: "Wir haben es sehr genau verstanden, zu wissen, wann wir Öl und wann wir Sand im Getriebe sein müssen."
Dass man Sand im Getriebe gewesen sei, zeige sich daran, dass der Ministerpräsident wie ein "apokalyptischer Reiter" durchs Land gezogen sei und sich über die Grünen empört habe. Etwas später schob sie nach, es würde dem Ministerpräsidenten besser stehen, die gemeinsamen Erfolge hervorzuheben, anstatt sich nur auf das Negative zu benennen.
Wir haben es sehr genau verstanden, zu wissen, wann wir Öl und wann wir Sand im Getriebe sein müssen.
Drei Dinge würden den Grünen oft vorgeworfen, so Schubert: Sie seien realitätsfern, sie hätten keinen Ehrgeiz und keine Werte. Das stimme nicht. Themen wie die Wasserversorgung in der Lausitz, der Rechtsruck oder die Bildung seien im Alltag vieler Menschen im Freistaat wichtig, die Grünen ihre Lobby.
Zum Thema Ehrgeiz: "Wir sind in der Regierung diejenigen, die wirklich etwas wollen". Thema Werte: In Bezug auf den Krieg in der Ukraine kenne sie keine andere Partei, die so "felsenfest" zu ihren Werten stehe, wohl wissend, dass sie damit in Sachsen Stimmen verliere. Wer ein Interesse daran habe, eine Kraft in der Regierung zu haben, die ehrgeizig, realitätsnah und werteorientiert sei, solle die Grünen wählen, so Schubert.
Habeck warnt vor Populisten
Nach einer Dreiviertelstunde betritt Robert Habeck im gewohnt weißen Hemd die Bühne und wird frenetisch gefeiert: "Es wird den Unterschied für Sachsen [...], für Deutschland machen, ob Bündnis 90/Die Grünen in den Landtag [...] und in die Regierung kommen." Sollte dies nicht gelingen, so Habeck, würden auch Populisten in der nächsten Regierung sitzen. Es hänge von den Bündnisgrünen ab, ob die Aufbruchs-, Fortschritts- und Erfolgsgeschichte des Landes von Populisten verfälscht werde.
Es wird den Unterschied für Sachsen machen […], für Deutschland machen, ob Bündnis 90/Die Grünen in den Landtag […] und in die Regierung kommen.
Historische Bedeutung der ostdeutschen Bürgerbewegung
Bei Besuchen in Sachsen habe er sich mit der historischen Bedeutung der ostdeutschen Bürgerbewegung auseinandergesetzt, die zum Sturz des diktatorischen Systems geführt habe und in die Gründung des "Bündnis 90" mündete. Beeindruckt zeigte er sich von den Menschen, die bei den Demonstrationen in Leipzig ihr Leben für die Freiheit riskierten: "Ein paar hundert Meter von hier, [...] da waren die großen Demonstrationen. Da waren vielleicht einige von euch [...] oder eure Eltern waren da und haben Leib und Leben riskiert".
Erst durch den direkten Kontakt mit den Menschen und der Geschichte vor Ort habe er das ganze Ausmaß dieser Bewegung begriffen. Diese Erfahrungen hätten ihn auch als Politiker nachhaltig verändert, so der 54-Jährige.
Habeck wirft Merz fehlende Regierungserfahrung vor
Er ging auch auf den Anschlag von Solingen ein: Das Asylrecht gehöre zur DNA der Republik. Wer es jedoch durch Gewalt missbrauche, habe sein Asylrecht verwirkt und müsse das Land verlassen. Den Vorschlag von Friedrich Merz, eine "Notlage" auszurufen und als einziges Land in der EU keine Flüchtlinge mehr aufzunehmen, bezeichnete Habeck als "falsch" und europarechtlich nicht umsetzbar.
"Nun weiß ich nicht, ob es […] Unwissen oder vielleicht auch fehlende europäische oder Regierungserfahrung ist", stichelte er. Merz habe mit seinem Vorstoß Erwartungen in der Bevölkerung geweckt, die nicht eingehalten werden könnten. "Das ist nicht Problemlösung, das ist unverantwortlich", so Habeck.
Habeck: Ostdeutsche Wirtschaft stärker gewachsen als Westdeutsche
Als Wirtschaftsminister klopfte er den Ostdeutschen verbal auf die Schulter: Insgesamt könne man mit den Wachstumszahlen nicht zufrieden sein, aber die ostdeutsche Wirtschaft sei zuletzt stärker gewachsen als die westdeutsche. "Es ist der Osten Deutschlands, der aktuell die Wirtschaft zieht", so Habeck.
MDR (sme)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | SACHSENSPIEGEL | 29. August 2024 | 19:00 Uhr