Ökonomisierung der MedizinKassenärzte für Verbot von Praxisübernahmen durch Finanzinvestoren
Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen ist dafür, Finanzinvestoren den Kauf von Medizinischen Versorgungszentren zu verbieten. Bundesgesundheitsminister Lauterbach hatte ein entsprechendes Gesetz angekündigt. Kassenärzte-Chef Heckemann sagte MDR AKTUELL, es könne nicht sein, dass sich Finanzinvestoren nicht für die Versorgung interessierten, sondern nach einer Übernahme möglichst viel Geld aus einem Versorgungszentrum ziehen wollten.
- Bundesgesundheitsministerium kann auf Anfrage von MDR AKTUELL nicht genau sagen, wann mit einem Gesetz zu rechnen ist.
- Auch die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen sieht solche Investitionen kritisch.
- Genaue Zahlen, wie viele Medizinische Versorgungszentren sich in Sachsen in Investorenhand befinden, fehlen.
In einem Zeitungsinterview zu Weihnachten sprach Karl Lauterbach von einem "fatalen Trend, dass Investoren Medizinische Versorgungszentren aufkaufen, um sie anschließend mit maximalem Gewinn zu betreiben". Im ersten Quartal wolle er einen Gesetzentwurf vorlegen, der den Einstieg dieser, so wörtlich, "Heuschrecken“ in Arztpraxen unterbinde.
Auf Anfrage von MDR AKTUELL konnte das Gesundheitsministerium nicht sagen, wann mit dem Gesetz zu rechnen sei, stellte aber schriftlich noch mal die Motivation für das Vorhaben klar: "Die zunehmende Ökonomisierung der Medizin in sämtlichen Bereichen der Gesundheitsversorgung setzt falsche Anreize, da sie zu den ihr übergeordneten gesundheitlichen Versorgungszielen und damit einer am medizinischen Bedarf orientierten und wirtschaftlichen gesundheitlichen Versorgung in einem deutlichen Spannungsverhältnis steht."
"Für mich keine Berechtigung"
Ein Problem, findet nicht nur der Bundesgesundheitsminister, sondern auch Klaus Heckemann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen. Patienten müssten vor Kapitalinteressen stehen.
Heckemann sagt: "Was für mich keine Berechtigung hat, ist, dass ein Finanzinvestor, der ist dann vielleicht noch nicht einmal in Deutschland oder Europa, einfach sagt: Wo kann ich denn mal mein Geld investieren? Dann versuche ich vielleicht noch Fördermittel abzustauben und da ordentlich Geld rauszuziehen. Und wenn das dann heruntergewirtschaftet ist, verkaufe ich es wieder. Und die eigentliche Versorgung interessiert mich gar nicht."
Diese Private-Equity-Unternehmen oder "Heuschrecken" wie Lauterbach sie nennt, sind darauf ausgerichtet, Kapital für ihre Anleger zu erwirtschaften. Sie sind vor allem am Erwerb und Wiederverkauf kompletter Unternehmen interessiert.
Genaue Zahlen, wie viele Medizinische Versorgungszentren (MVZ) in Sachsen in Investorenhand sind, kann Heckenmann nicht nennen. Auch das sächsische Gesundheitsministerium hat keine Zahlen zu Medizinischen Versorgungszentren in der Hand von Private-Equity-Unternehmen.
Köpping: Stellenweise auch in Sachsen
Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping räumt im Gespräch mit MDR AKTUELL jedoch ein: "Also, wir haben das auch stellenweise in Sachsen. Vielleicht noch nicht so stark wie in anderen Bundesländern. Wir haben aber die Möglichkeit, dass es eine Verordnung geben soll, die das eindämmt, durchaus unterstützt und begrüßt. Wenn man nur aus privatwirtschaftlicher Sicht solche Medizinischen Versorgungszentren betreibt, dann kann es eben auch passieren, dass dort nach Profit gearbeitet wird."
Auch Bundesverband fehlt Überblick
Selbst der Bundesverband der Medizinischen Versorgungszentren (BMVZ) hat keinen Überblick darüber, hinter welchen MVZ Private Equities stehen. Ein Umstand, den man schon lange kritisiere, sagt BMVZ-Vorstand Peter Velling. Die pauschale Kritik von Lauterbach und Ärztevertretern will er allerdings nicht gelten lassen. Es komme darauf an, wie langfristig private Investitionen seien und wie die Mittel eingesetzt würden.
Velling sagt: "Für die Patientenversorgung brauchen wir unbedingt Investoren in verschiedenste Richtungen. Es soll der Patientenversorgung dienen und eben auch der notwendigen Investitionen in die weitere Versorgung und nicht, um für nicht in der Medizin Arbeitende einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen."
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums gibt es im Freistaat 221 Medizinische Versorgungszentren, die meisten davon in Leipzig, Dresden, Chemnitz und Zwickau. In den sächsischen MVZ arbeiten mehr als 1.700 Ärztinnen und Ärzte.
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 19. Januar 2023 | 06:00 Uhr