Krieg und Flucht Prämie für private Unterbringung von Geflüchteten erntet Lob und Kritik

18. Februar 2023, 05:00 Uhr

Die SPD-Innenpolitikerin Elisabeth Kaiser hat eine Prämie für Privathaushalte gefordert, die ukrainische Flüchtlinge aufnehmen. Das wird gleichermaßen gelobt und kritisiert. Kritisiert wird unter anderem, dass die Politik so Verantwortung abwälzen könne.

Der Chemnitzer Franz Thomas Pfeifer hat im letzten Jahr kurz nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine zusammen mit seiner Frau viele Flüchtlinge in seinem Haus aufgenommen. Eine Prämie dafür hätte ihm sehr geholfen: "Wir selbst haben elf Flüchtlinge aufgenommen, darunter sieben Kinder. Die Kosten sind absolut nicht zu unterschätzen. Vor allem die Gaspreise verursachen immense Kosten."

Hohe Mehrkosten für Privathaushalte

Man habe allein im März 400 Kilowattstunden Gasmehrverbrauch durch die Flüchtlinge gehabt. Bei den jetzigen Gaspreisen seien das über 500 Euro, die alleine dafür entstanden seien. Dann sei ein immenser Aufwand bei der Unterstützung zu betreiben, bei allen Flüchtlingen sei Bekleidung erforderlich. Von daher wäre die Prämie eine große Hilfe, sagt Pfeifer.

Allein in den ersten vier Monaten nach Ausbruch des Krieges sind laut Bundesinnenministerium 74 Prozent der befragten Flüchtlinge privat untergekommen, davon gut ein Viertel bei Angehörigen oder Freunden. Lediglich neun Prozent wurden in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht.

Deutscher Gemeindebund: Prämie löst Probleme nicht

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hält trotzdem nichts von dem Prämienvorschlag. Zu den Gründen sagt Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg: "Durch Prämien werden wir das Problem der Unterkunft nicht lösen. Dagegen spricht schon die große Zahl – im letzten Jahr über eine Million – Vertriebener aus der Ukraine." Es würden auch jetzt wieder Menschen kommen, insbesondere wenn Russland eine weitere Offensive plante, sagt Landsberg weiter.

Gerd Landsberg
Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte-und Gemeindebundes. Bildrechte: IMAGO / Jürgen Heinrich

In Einzelfällen könne die Prämie etwas bringen, sagt Landsberg. Aber man höre aus den Kommunen, dass viele der Menschen, die Personen untergebracht hätten, nach einem halben oder nach einem Jahr sagen würden, dass es ihnen reiche. Daran würde eine Prämie aus Landsbergs Sicht nichts ändern. Er verweist auch auf mietrechtliche Probleme, wenn Flüchtlinge längere Zeit in Privatunterkünften lebten.

Das Hilfsnetzwerk linxxnet aus Leipzig vermutet, dass Bund, Länder und Kommunen mit einer Privatprämie Probleme loszuwerden versuchten, die sie mit eigenen Unterkünften nicht mehr lösen könnten.

Netzwerksprecher Jens Frohburg sagt: "Grundsätzlich haben wir vor einem Jahr gefordert, dass Leute, die das tun, finanziell unterstützt werden. Dass dieser Vorschlag jetzt ein Jahr später kommt, das finden wir absurd. Wir finden es auch eigenartig, weil die Unterbringung eigentlich staatliche Aufgabe ist. Es gibt ja derzeit die Debatte um knappe Kapazitäten."

Sächsischer Flüchtlingsrat fordert mehr Sozialwohnungen

Mit solch einer Unterstützung würde so etwas "quasi privatisiert", also die Verantwortung vom Staat wegverlagert werden, sagt der Netzwerksprecher. Frohburg sieht vielmehr die Notwendigkeit, dass Bund, Länder und Kommunen mehr in sozialen Wohnungsbau investieren. Das helfe auch Flüchtlingen.

Ähnlich beurteilt das der Sächsische Flüchtlingsrat, der sich ebenfalls seit fast einem Jahr um Menschen aus der Ukraine kümmert. Sprecher Dave Schmidtke erklärt, dass es nur eine kurzfristige Lösung sein könne – für den Zeitraum, in dem man dann auch von öffentlicher Hand Kapazitäten schaffe, die dauerhaft genutzt werden könnten. Angesichts der aktuellen Situation sei das möglicherweise eine gute Idee.

Langfristig jedoch nicht. Langfristig sei die öffentliche Hand hier in der Verantwortung, entsprechende Unterbringung zu organisieren, sagt Schmidtke. Problematisch sei eine pauschale Prämie für Privatunterkünfte auch deshalb, weil jeder Flüchtling einen anderen Versorgungsgrad mitbringe.

Alte, kranke Menschen etwa bräuchten mehr Hilfe als junge und gesunde Menschen. Fünf Euro pro Tag und Flüchtling, wie es etwa die Stadt Dresden angesetzt habe, reichten da nicht aus.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 18. Februar 2023 | 06:00 Uhr

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