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Bildungspolitik SachsenVom Fitnessstudio in die Sporthalle - aus dem Alltag eines Seiteneinsteigers

04. März 2019, 12:38 Uhr

Seiteneinsteiger Torsten Wallußek ist zufrieden: Seit Sommer vergangenen Jahres gibt er Sportunterricht. Der 38-Jährige hat Sportwissenschaften studiert, anschließend in der Fitnessbranche gearbeitet und nun zum Sportlehrer umgesattelt. Wallußek weiß, was er an seinem neuen Job hat: "Ich kann mich noch gut an dieses Gefühl der Unsicherheit erinnern, das man als Selbstständiger hat. Da lernt man, ein festes Gehalt zu schätzen."

von Katrin Richter

Torsten Wallußek ist ein sogenannter Seiteneinsteiger. An seinem neuen Arbeitsort, dem Beruflichen Schulzentrum (BSZ) für Bau und Technik Dresden, fühlt er sich so wohl, dass er bleiben will. Um seine methodischen und didaktischen Fähigkeiten so schnell wie möglich zu vervollkommnen, hat er im Februar ein einjähriges Referendariat begonnen. Langweilig wird dem Neuen mit Sicherheit nicht: Er arbeitet seit Beginn Vollzeit, gibt also 26 Stunden Unterricht pro Woche. Das bedeutet für ihn jetzt, die vielen Stunden auf vier Wochentage zu verteilen. Denn immer mittwochs findet der theoretische Vorbereitungsdienst des Referendariats statt. An manchen Tagen gibt Wallußek deshalb acht Stunden Sport hintereinander - in zwei maroden Hallen mit hohem Lärm- und Stresspegel, die noch aus dem Ende der DDR-Zeit stammen und im Sommer zugunsten einer neuen Zweifeldhalle abgerissen werden sollen. Für den Referendariatstag bekommt er wöchentlich nur zwei Abminderungsstunden, unterrichtet also zwei Stunden weniger. "Trotzdem kann ich mich nicht beklagen", beteuert Torsten Wallußek. Er weiß, was es bedeutet, fast rund um die Uhr verfügbar und von der Wirtschaftslage eines Unternehmens abhängig zu sein. Seine Partnerin hat ihn darin bestärkt und unterstützt, noch einmal umzusatteln. Sie ist ebenfalls Lehrerin - an einer Dresdner Oberschule.

Seiteneinsteiger Wallußek unterrichtet in 29 verschiedenen Klassen Sport

Für ein Berufsschulzentrum hat sich Wallußek mit Bedacht beworben: "Ich habe früher junge Erwachsene trainiert, das macht mir Spaß, das passt", erklärt er. Jetzt also gibt er Berufsschülern in 29 verschiedenen Klassen Sportunterricht - künftigen Mediengestaltern, Vermessern, Trockenbauern, Malern und Lackierern. "Die Jüngsten sind 15 Jahre, andere fast so alt wie ich selbst", berichtet der Seiteneinsteiger. Da müsse der Sport auch ein bisschen freudbetont sein und nicht wie in der Rückenschule ablaufen, meint der junge Mann, der im Unterricht auf eine Begegnung auf Augenhöhe, aber mit klaren Regeln setzt. Er gibt auch Sport in einer DaZ-Klasse (Deutsch als Zweitsprache). "Das klappt gut – wir verständigen uns zwar mit Händen und Füßen, doch Sport verbindet", sagt er.

Eigentlich sollte Torsten Wallußek bei seinem Mentor, Sportlehrer Steffen Thiele, im Unterricht hospitieren und umgekehrt dieser auch bei ihm. Das zu organisieren, ist allerdings eine echte Herausforderung. Denn: "Mein Mentor steht ja selber 26 Stunden pro Woche vor seinen Klassen", erklärt der 38-Jährige. Man setze sich aber in Fachkonferenzen zusammen und tausche sich in den Pausen aus. Mentor Thiele hält viel von seinem Schützling: "Torsten Wallußek hat das notwendige Feeling für die jungen Leute", sagt er. Das sei das Wichtigste im Lehrerberuf. Sich im Referendariat nach und nach Fachwissen, Methodik und Didaktik anzueignen, sei dann nicht mehr das große Problem.

Schulleiter Schmidt: Bei uns gibt es keine Animositäten gegenüber Seiteneinsteigern

Jörg Schmidt, seit 2016 Schulleiter, ist froh, dass die Neulinge jetzt besser auf ihren Job vorbereitet werden - "mit Einlaufkurve", wie er die dreimonatige Einstiegsfortbildung ganz zu Beginn nennt, und verpflichtendem Referendariat. Das sei anfangs ganz anders gelaufen. "Die Seiteneinsteiger wurden ohne jede Vorbereitung vor die Klassen gestellt - das war für niemanden gut."

Schmidt zufolge gehören Seiteneinsteiger an den BSZ seit eh und je zum Lehrerkollegium. "Wir brauchen spezialisierte Leute - in der Augenoptik, im Druckmedienbereich, im Baubereich." Einige Lehrer seien beispielsweise früher Meister an der Betriebsberufsschule gewesen und hätten später ihren Hochschulabschluss in Pädagogik nachgeholt. Gleich 15 Seiteneinsteiger unterrichten am Bau-BSZ – sieben "alte Hasen" und acht neue Seiteneinsteiger. Reichlich 50 Pädagogen sind es insgesamt. "Bei uns gibt es nicht die Animositäten wie an den Grund- und Oberschulen", resümiert Schmidt.

Torsten Wallußek findet jedenfalls, dass Seiteneinsteiger und grundständig ausgebildete Lehrer durchaus voneinander lernen können: "Die Lehrer verfügen über einen Erfahrungsschatz  im Klassenzimmer, der unbezahlbar ist. Wir Seiteneinsteiger profitieren davon unheimlich und bringen unsererseits aktuelle, praktische Aspekte aus der freien Wirtschaft für den Unterricht mit."

Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSENMDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 04.03.2019 | ab 10:00 Uhr in den Nachrichten
MDR SACHSENSPIEGEL | 04.03.2019 | 19:00 Uhr

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