Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben

Asyl-DebatteSachsens Grüne und Linke warnen vor Ungleichbehandlung Geflüchteter

09. November 2022, 19:45 Uhr

In einer Landtagsdebatte zu Geflüchteten haben Grüne und Linke vor einer Ungleichbehandlung von Migranten gewarnt. Angesichts jüngster Anschläge fordern die Grünen zudem eine Anpassung von Schutzkonzepten für Asylunterkünfte. Innenminister Armin Schuster von der CDU wies den Vorwurf einer Zwei-Klassen-Gesellschaft bei Geflüchteten zurück.

In einer Landtagsdebatte zu Geflüchteten haben Grüne und Linke vor einer Ungleichbehandlung von Migranten gewarnt. Auch Menschen aus Afghanistan und Syrien würden vor Krieg und Lebensbedrohung fliehen, sagte Petra Cagalj Sejdi (Grüne) am Mittwoch im Sächsischen Landtag.

Grüne: Stimmung gegen Flüchtlinge in Sachsen "erschreckend"

Im Frühjahr seien tausende Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen und mit Kita- und Schulplätzen, Kleidung und Möbel versorgt worden. Doch nun sei die Solidarität in Bezug auf andere Flüchtlinge verschwunden: "Wieso helfen wir den Menschen aus der Ukraine ohne Wenn und Aber und schauen größtenteils weg, wenn die Menschen aus Syrien und Afghanistan kommen?" Es sei erschreckend, wie sich die Stimmung in Sachsen gewandelt habe. Inzwischen würden wieder Brandsätze auf Unterkünfte fliegen. Zuletzt hatte ein Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft im Spreehotel Bautzen bundesweit Schlagzeilen provoziert.

Sejdi forderte die Staatsregierung auf, zu prüfen, welche Liegenschaften für die Unterbringung entbehrlich seien und mehr dezentrale Unterkünfte zur Verfügung zu stellen. Zudem bräuchten die Kommunen auch ausreichend Geld, um Kapazitäten auch in Kitas und Schulen zu schaffen.

Linke kritisiert "Lametieren" des Innenministers

Juliane Nagel (Linke) warf Innenminister Armin Schuster (CDU) vor, sein "Lamentieren" über eine hohe Belastung der Kommunen durch die Unterbringung von Flüchtlingen sei kontraproduktiv und trage zur Stimmung bei. Man könne aus der Aufnahme von Ukrainern lernen und auf Bürokratie bei Flüchtlingen aus anderen Ländern verzichten.

In der Debatte um die sichere Unterbringung Geflüchteter verwies die Linken-Abgeordnete Kerstin Köditz auf aktuelle Zahlen, wonach bundesweit täglich zwei Asylsuchende angegriffen würden. "Wir brauchen für den Schutz auch einen stärkeren Ermittlungsdruck und auch einen Verfolgungsdruck." Viel zu viele dieser Taten seien ungeklärt.

SPD: Falsche Sparsamkeit muss enden

Albrecht Pallas (SPD) stellte die Frage, ob Sachsen aus der Vergangenheit nichts gelernt habe. Das Innenministerium habe dem Druck des Rechnungshofes leider nachgegeben und nach 2015 Kapazitäten zur Unterbringung abgebaut. "Diese falsche Sparsamkeit muss enden. Sie ist kurzfristig und nicht weitsichtig." Es brauche mittelfristig eine Grundversorgung an Unterbringungskapazitäten, da weltweit Krisen und Kriege nicht abnehmen, sondern zunehmen würden.

Wir wollen auch sichere Unterbringung. Bei uns in Sachsen ist jedoch ein Klima entstanden, in welchem sich Nazis und andere rechtsradikale Menschenfeinde dazu berufen fühlen, Geflüchtete und vermeintliche andere Gegnerinnen und Gegner verbal und körperlich zu attackieren.

Albrecht Pallas (SPD), Innenpolitischer Sprecher

Der Bund habe zuletzt mehr Unterstützung bei der Unterbringung Geflüchteter in Aussicht gestellt. Für die sichere Unterbringung müsse der Innenminister nun auf die kommunale Ebene zugehen.

AfD fordert Unterbringung in Containern und Abschiebung

Der AfD-Abgeordnete Carsten Hütter verwies auf die hohe Belastung der Kommunen. "Hier ist Fahnenstangen-Ende. Wir haben die finanziellen Möglichkeiten nicht mehr," so Hütter. Er warf den Grünen vor, immer nur zu fordern. Sachsens Regierung sollte sich um Grenzkontrollen und Abschiebungen kümmern. Nur so könne man jenen helfen, die Hilfe brauchten. Der AfD-Abgeordnete Frank Peschel betonte, dass seine Partei jede Form von Gewalt ablehne und forderte stattdessen den Schutz der deutschen Bevölkerung vor "kriminellen Zuwanderern". Die Unterbringung von Flüchtlingen in einem Naherholungsgebiet wie im Spreehotel Bautzen findet Peschel falsch.

Wir fordern vollkommen zurecht, dass es möglich sein muss, Container für Flüchtlinge in Gewerbegebieten zu errichten.

Frank Peschel (AfD)

Innenminister: Priorität für Unterbringung von Ukrainern

Innenminister Schuster (CDU) verwies hingegen auf die Leistung von Gesellschaft, Behörden und Kommunen im vergangenen halben Jahr. "Wir haben 56.000 Ukrainer zu 80 Prozent jetzt schon in Wohnungen."

Des Weiteren kamen laut Innenministerium bis Ende Oktober 2022 weitere 14.679 Asylsuchende auch aus anderen Herkunftsländern nach Sachsen. Damit liegt der Freistaat insgesamt schon jetzt über der Zahl von 69.900 Asylsuchenden im Jahr 2015.

Limits bei der Unterbringung und Integrationsarbeit

Schuster wiederholte frühere Äußerungen, wonach gerade in den Metropolen das Limit für die Aufnahme von Flüchtlingen erreicht ist. Derzeit seien die rund 8.500 Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen zu 60 Prozent ausgelastet, alle Kapazitäten hochgefahren. "Wenn das voll ist, muss ich über Zeltstädte reden." Auch bei der Integrationsarbeit sieht Schuster Limits und wies den Vorwurf der Zwei-Klassen-Gesellschaft bei Geflüchteten zurück.

Wenn eine gute Autofahrt, ein Tag von hier entfernt vor unserer Haustür Krieg in schlimmster Form stattfindet, ganz nah, dann erlaube ich es mir zu sagen, dass ich keinen Millimeter davon zurückweiche, jedem ukrainischen Flüchtling in diesem Land zu helfen.

Armin Schuster | Innenminister Sachsen (CDU)

Angesichts der Limits habe die Hilfe für ukrainische Geflüchtete Priorität. Wenn es im kommenden Winter zu einer zweiten "Welle" aus der Ukraine komme, "wäre es Gold wert, wenn die Bundesregierung in dieser Zeit uns nicht noch zusätzlich belastet mit freiwilligen Aufnahmeprogrammen" und ihre im Koalitionsvertrag vereinbarte Rückführungsoffensive umsetzt."

Abschließend verurteilte Schuster erneut den Anschlag auf die geplante Flüchtlingsunterkunft im Spreehotel Bautzen als "menschenverachtenden Akt." Derzeit werde das Sicherheitskonzept für Erstaufnahmeeinrichtungen evaluiert und geprüft, ob es künftig verpflichtend zur Anwendung kommt. Bisher gilt eine Empfehlung für Kommunen.

Mehr zum Thema:

MDR (js)/dpa

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN | SACHSENSPIEGEL | 09. November 2022 | 19:00 Uhr