09.04.2020 | 17:43 Uhr Sächsischer Landtag stimmt für Neuverschuldung von bis zu sechs Milliarden Euro

Der sächsische Landtag hat einer Neuverschuldung zugestimmt. Damit sollen die finanziellen Probleme der Corona-Krise bewältigt werden. Die Landesregierung plant, maximal bis zu sechs Milliarden Euro neue Schulden aufzunehmen. Fraktionsübergreifend haben die Landtagsabgeordneten die dafür notwendige „außergewöhnliche Notsituation“ aufgrund der weltweiten Covid-19-Pandemie festgestellt.

Ein ungewöhnliches Bild: Zwecks Abstandsregeln haben die Abgeordneten heute nicht im Landtag, sondern im benachbarten Internationalen Kongresszentrum getagt - mit Mundschutz. Und dort haben sie einen durchaus historischen Beschluss gefasst. Sachsens Neuverschuldungsverbot wird erstmals seit Inkrafttreten 2014 aufgehoben. Von den 119 Abgeordneten haben insgesamt 107 eine sogenannte „außergewöhnliche Notsituation“ festgestellt. Ein formal einstimmiges Votum ohne Gegenstimmen oder Enthaltungen. Allerdings hat ein kleiner Teil der Parlamentarier an der Abstimmung im Plenum laut Landtagspräsident Matthias Rößler nicht teilgenommen. Trotzdem ist mit der breiten Unterstützung der Regierungs- und Oppositionsparteien die verfassungsrechtlich notwendige Zweidrittelmehrheit mehr als erreicht und der Weg damit frei für neue Schulden.

Abstimmung nach dreistündiger Aussprache

In der vorangegangenen dreistündigen Aussprache hat Sachsens Finanzminister Hartmut Vorjohann die pandemiebedingten Extrakosten für den Landeshaushalt auf sechs bis sieben Milliarden Euro beziffert. Der CDU-Politiker geht von einem drastischen Wirtschaftseinbruch aus, der allein auf Landesebene in den nächsten beiden Jahren zu Steuerausfällen von bis zu 4,5 Milliarden Euro führen könne. Hinzu kämen pandemiebedingte Mehrausgaben wie Wirtschaftshilfen in Höhe von bis 2,5 Milliarden Euro. Diese Lasten sollen mithilfe von Rücklagen, Verzicht auf Tilgung von Altschulden und einem Kreditrahmen von maximal sechs Milliarden Euro bewältigt werden.

Kritik von Opposition

Trotz Zustimmung für die Neuverschuldung übte die Opposition deutliche Kritik am Maßnahmenpaket der Landesregierung. So bemängelte AfD-Fraktionschef Jörg Urban, die Koalition von CDU, Grünen und SPD verzichte auf direkte, nicht rückzahlungspflichtige Zuschüsse an die Wirtschaft. Zudem habe die Koalition, insbesondere die CDU in ihrer langen Regierungszeit, ungenügende Maßnahmen für den Schutz vor Pandemien getroffen – zum Beispiel durch zu dürftige Finanzausstattung für die Krankenhäuser im Freistaat. Ein Vorwurf, den die CDU-Fraktion zurückwies.

Die AfD-Fraktion wird […] dem Antrag auf Feststellung einer außergewöhnlichen Notsituation ihre Zustimmung erteilen, doch das bedeutet nicht, dass wir alle Ausgaben kritiklos hinnehmen werden.

Jörg Urban AfD-Fraktionsvorsitzender Sachsen

Linke fordert Verfassungsänderung

Linken-Fraktionschef Rico Gebhardt spricht sich indes für eine Verfassungsänderung aus. Er fordert, die gesetzlich verankerte Tilgungsfrist der Neuschulden von acht Jahren schnellstmöglich zu verlängern. Sonst drohe in wenigen Jahren eine „gewaltige Kürzungsorgie“ im Sozial- und Bildungsbereich, so der Politiker von der Linkspartei. Eine Verlängerung der Tilgungsfrist fordern ebenfalls die Fraktionen Bündnis90/ Die Grünen und SPD. CDU-Fraktionschef Christian Hartmann lehnt eine solche Verfassungsänderung zwar derzeit ab. Allerdings wollen die Christdemokraten im nächsten Jahr überprüfen, wie viele Neuschulden tatsächlich aufgenommen werden und wie sich die Steuereinnahmen entwickeln. Im Ergebnis sei es dann vorstellbar, fraktionsübergreifend über längere Tilgungsfristen zu verhandeln und die Verfassung anzupassen.

Bei uns in Sachsen dürfen sich jetzt die Fehler nach der Bankenkrise 2010 nicht wiederholen, als die damalige Regierung den Sozialstaat massiv gekürzt hat. Das war Krisenbewältigung auf dem Rücken der kleinen Leute.

Dirk Panter SPD-Franktionsvorsitzender Sachsen

Kritik vom Rechnungshof an Sondervermögen

Weiterer Streitpunkt im Plenum: Die Staatsregierung legt für die Folgen der Covid-19-Pandemie außerhalb des Landeshaushalts ein Sondervermögen an, in dem die Kredite sowie Rücklagen gebündelt sind. Beide Oppositionsparteien wie auch der Sächsische Rechnungshof kritisieren hier mangelnde Transparenz, weil über das Sondervermögen lediglich der Haushalts- und Finanzausschuss im Landtag entscheidet, aber nicht das gesamte Plenum. Grünen-Fraktionschefin Franziska Schubert entgegnet, dem großen Sondervermögen einen Beirat zur Seite zu stellen, der Transparenz und Beteiligung besser als bei früheren Sondervermögen gewährleiste.

Diejenigen, die über die letzten 30 Jahre Arbeitsplätze, eine eigene Existenz aufgebaut und dafür gesorgt haben, dass hier Steuern gezahlt werden, dass Sportvereine, Kulturvereine mit Sponsoring unterstützt werden, die werden jetzt unsere entschiedene Unterstützung haben.

Michael Kretschmer Ministerpräsident Sachsen

Quelle: MDR/ds

Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSEN MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 09.04.2020 | 17:00 Uhr in den Nachrichten

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