Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben
Bislang zeigt sich der Arbeitsmarkt robust, doch Sachsens Arge-Chef Hansen rechnet auch mit Arbeitslosen und Insolvenzen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Julian Stratenschulte

Soziale AbfederungArge-Chef: "Die Leistungen des Staates sind sicher"

04. Oktober 2022, 23:22 Uhr

Um die Krise abzufedern, reicht das bewährte Kurzarbeitergeld in diesem Winter nicht, Insolvenzgelder werden nötig. Doch die Leistungen des Staates sind sicher, erklärt Klaus-Peter Hansen, Leiter der Agentur für Arbeit in Sachsen.

Um durch die aktuelle Energiekrise zu kommen, wird das Kurzarbeitergeld nicht ausreichen. Es müsste auch Arbeitslosengeld sowie Insolvenzgeld einkalkuliert werden. Das erklärte Klaus-Peter Hansen Leiter der Agentur für Arbeit in Sachsen im Gespräch mit MDR SACHSEN. "Wir haben mit unserem Allheilmittel Kurzarbeitergeld die letzten schweren Krisen, wie die Finanzkrise und die Corona-Krise überwunden. Das Instrument wird auch in dieser Krise helfen", sagte Hansen. "Zur Ehrlichkeit gehört aber auch, dass dies nicht ausreichen wird, um durch die Krise kommen. Auch Arbeitslosen- und Insolvenzgeld sowie ab dem 1. Januar das Bürgergeld werden nötig sein, um die Krise abzufedern."

Klaus-Peter Hansen, Leiter der Agentur für Arbeit in Sachsen hat in 30 Jahren Amtszeit schon viele Krisen erlebt. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Robert Michael

Arbeitsmarkt bislang robust

Laut Hansen zeigt sich der Arbeitsmarkt bis jetzt sehr robust. Auch wenn die Auswirkungen der Energiekrise schlecht absehbar sein, plädiert Hansen für Optimismus. "Die Menschen können sich auf uns verlassen. Die Leistungen des Staates sind sicher", erklärte der Arge-Chef. "Ich bin grau geworden über die Krisen der vergangenen Jahre. Doch wenn eines immer sicher war, dann waren es die Leistungen der Agenturen und Jobcenter. Wir werden die Unternehmen und die Menschen nicht im Stich lassen.

Die Menschen können sich auf uns verlassen. Die Leistungen des Staates sind sicher. Wir werden die Unternehmen und die Menschen nicht im Stich lassen.

Klaus-Peter Hansen | Leiter der Agentur für Arbeit in Sachsen

Gefährdet sind vor allem Stahl- und Glasindustrie

Laut Hansen sind vor allem die Berufsgruppen gefährdet, die mit hohem Energieeinsatz ihre Produkte herstellen sowie von diesen Produkten abhängig sind, wie die Stahl- und Glasindustrie, die chemische Industrie und auch die Automobilindustrie. Außerdem könne die Krise besonders in den Branchen zuschlagen, die von der Kaufkraft der Menschen abhängen wie Tourismus, Gastronomie, Konzert und Reisebranche. "Das sind dann leider wieder die, die in Corona-Zeiten schon viele Federn gelassen und am meisten gelitten haben.“

Was, wenn die Energiekosten das niedrige Gehalt auffressen?

Lohnt es sich überhaupt noch zu arbeiten, wenn die Energiekosten das niedrige Gehalt auffressen? "Jede Arbeit lohnt sich", erklärt Hansen. "Es geht ja nicht nur um Broterwerb, sondern um soziale Teilhabe und das Gefühl gebraucht zu werden." Das sei viel mehr, als nur Lohn. "Wir erleben ja, mit welchen Langzeitwirkungen wir es zu tun haben, bei den Menschen, die aus dem Arbeitsprozess herausfallen. Es dauert teilweise Jahre, in die Strukturen zurückzufinden", sagte Hansen. Der Arge-Chef plädierte: "Schmeißen Sie nicht hin, werfen Sie nicht die Flinte ins Korn." Das, was am Existenzminimum fehle, könne aufgestockt werden. Zudem würde das Bürgergeld ab dem 1. Januar "hoffentlich eine Verbesserung bringen".

Jeder siebente erwerbstätige Sachse auf Transferleistungen angewiesen

Etwa ein Siebentel der erwerbstätigen Sachsen sind laut Hansen bereits auf Transferleistungen des Staates angewiesen. Das entspreche summiert etwa 290.000 Menschen, die auf Arbeitslosengeld 1 und 2 sowie Sozialhilfe angewiesen sind. Auch Aufstocker und Kurzarbeiter seien in dieser Zahl erhalten. Insgesamt sind in Sachsen etwa 1,6 Millionen Menschen erwerbstätig.

Politik muss auch Ursachen in den Blick nehmen

Hansen sieht die Politik in der Pflicht. "Ich glaube, es ist wichtig, dass Politik handelt und die Menschen nicht allein lässt, in dieser Situation", erklärte er. "Sie muss nicht nur die Auswirkungen in den Blick nehmen, sondern auch die Ursachen." Das Angebot an Energie müsse wieder erhöht werden, um wieder in ein vernünftiges Verhältnis zu kommen. "Alles, was sich an Energie einspeisen lässt, muss eingespeist werden. Ich glaube, nur das wird ein gewisses Maß an Beruhigung bringen."

Arge-Chef: "Wir können Krise!"

Hansen wirbt für Optimismus und Zuversicht. "Wir können Krise", erklärt Sachsens Arge-Chef. "Wir haben mehrere Strukturwandel hinter uns. Es geht immer wieder aufwärts, nach jedem Schritt durchs Tal. Man darf den Kopf nicht in den Sand stecken." Vor 20 Jahren habe man für jede offene Stelle bis zu 50 Arbeitslose gehabt, jetzt kämen drei Arbeitslose auf eine Stelle.

Wir haben mehrere Strukturwandel hinter. Es geht immer wieder aufwärts, nach jedem Schritt durchs Tal. Man darf den Kopf nicht in den Sand stecken.

Klaus-Peter Hansen | Leiter der Agentur für Arbeit in Sachsen

Viel Nähe zwischen Mitarbeitern und Chefs

"Vor etwa zwei Monaten hatten wir das erste Mal in Sachsen, mehr Arbeitgeber als Arbeitslose.“ Das zeige, dass die Menschen eine Menge leisten. "Ich bin stolz auf die letzten 30 Jahre, ich war Teil der Entwicklung", sagte Hansen. Auch diese Krise werden man bewältigen. "Wir müssen uns anpassen, doch die Menschen können das. Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden zusammenhalten." In Sachsen haben man mit etwa vier bis fünf Beschäftigten eine Struktur von eher kleinen Unternehmen mit viel Nähe zwischen Mitarbeitern und Geschäftsführung. "Sie werden zusammenhalten und lassen sich nicht so einfach hängen. Insofern ist es ein Vorteil, dass wir nicht die ganz großen Unternehmen haben", sagte Hansen.

MDR (kt)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Dienstags direkt | 04. Oktober 2022 | 20:00 Uhr