Homophobie im Sport Safe Space in Dresden: Der schwul-lesbische Sportverein "Der Bogenschütze"

04. Dezember 2022, 10:30 Uhr

Die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar ist zurzeit das Gesprächsthema Nummer Eins - doch nicht das Sportliche steht im Blickpunkt. Die Menschenrechtsverletzungen im Golfstaat werden heiß diskutiert, besonders die Diskriminierung von Homosexuellen. Doch Homophobie im Sport ist auch in Deutschland ein Problem. Der schwul-lesbische Sportverein "Der Bogenschütze" in Dresden kämpft dagegen an. Tobias Zuttmann war für MDR SACHSEN bei einem Training dabei.

Energisch schlägt Stefan Grunwald gegen den Badmintonball. Doch der landet mit ordentlich Schwung im Netz. Kurz ärgert er sich, hebt den Ball aber direkt wieder auf und wirft ihn zurück in die andere Hälfte. Grunwald spielt Badminton beim Dresdner schwul-lesbischen Sportverein "Der Bogenschütze". Hier treffen sich Menschen aus ganz Dresden und machen gemeinsam Sport. Ob schwul, lesbisch, bi, trans oder auch keins davon, spielt dabei keine Rolle: "Hier ist es egal, wie man aussieht, wie groß, wie alt man ist", sagt Grunwald.

Einer der ersten homosexuellen Sportvereine Ostdeutschlands

Seit 1994 gibt es den Verein und bietet einen sicheren Ort für queere Menschen, die gerne Sport machen. Ralph Schlögl ist seit Anfang an mit dabei. Gemeinsam mit einem befreundeten Paar hat er den Klub als Volleyball-Verein gegründet, "obwohl ich mit Volleyball eigentlich nicht viel am Hut hatte." Heute bietet der Verein Volleyball, Badminton und Tischtennis an. In den Gründungsjahren war "Der Bogenschütze" einer der ersten homosexuellen Sportvereine in Ostdeutschland. "Man hat das nach der Wende aus den alten Bundesländern so kennengelernt", erklärt Schlögl.

Der Verein ist nach einer Bronze-Statue an den Elbufern benannt, wo die ersten Trainingseinheiten stattfanden. "Am Anfang haben wir immer wieder Einladungen von Bogenschützen-Vereinen bekommen", erinnert sich Schlögl und lacht.

Noch immer wichtig, dass es einen schwul-lesbischen Verein gibt

Auch 28 Jahren nach der Gründung des Klubs findet Schlögl es immer noch wichtig, dass es einen queeren Sportverein gibt: "Es ist nicht mehr so notwendig wie damals, es ist schon vieles besser geworden." Allerdings: "Wer am Stadtrand oder auf dem Dorf wohnt, macht vielleicht auch jetzt noch negative Erfahrungen. Dass man Sachen hinterher gerufen bekommt und man sich denkt, da möchte ich mich lieber nicht outen."

Ich will das Wort Schwuchtel nicht während des Trainings hören müssen.

Stefan Grunwald Sportler beim "Bogenschützen"

Stefan Grunwald ist ebenfalls überzeugt, dass es notwendig ist, dass es einen Verein speziell für Schwule und Lesben gibt. "Als schwuler Mann in Dresden ist es nicht ganz einfach in einem in Anführungszeichen normalen Sportverein Sport zu machen, weil Homophobie auch im Sport noch eine ganz große Rolle spielt", sagt Grunwald. "Das geht los mit Umziehen in der Umkleide und gemeinsamem Duschen. Und ich will das Wort Schwuchtel nicht während des Trainings hören müssen."

Mehr als 60 Mitglieder hat der Verein inzwischen. Immer wieder nimmt das Team an queeren Turnieren auf der ganzen Welt teil. Zuletzt war die Mannschaft in Barcelona und Sydney, bald geht es vielleicht nach Hongkong - wenn Zeit und Geld dafür da sind. Doch nicht nur Trainings, Spiele und Turniere sind Teil des Vereins. "Das gemeinsame Feiern spielt auch eine große Rolle. Wir gehen auch zusammen Wandern und zum Christopher Street Day", sagt Grunwald.

WM in Katar wird kritisch gesehen

Für Fußball interessieren sich in der Mannschaft die wenigsten, doch die Weltmeisterschaft in Katar ist natürlich auch hier ein Thema. "Diktatorenstaaten, die Minderheiten diskriminieren und unterdrücken, sollten solche Veranstaltungen nicht bekommen", findet Grunwald.

In Katar steht Homosexualität unter Strafe. Die Fußball-WM darf das kleine Land am Persischen Golf dennoch ausrichten. Dabei sind Vielfalt und Toleranz eigentlich Grundprinzipien der FIFA, wie der Verband in seinen Werbekampagnen immer wieder behauptet. Doch in Katar erlaubt der Fußball-Weltverband nicht einmal Solidaritätsbekundungen der Mannschaften, wie die One-Love-Kapitänsbinde.

Wie häufig haben wir Hass und Gewalt im Stadion hier?

Ronny Richter Sportler beim "Bogenschützen"

Sebastian Storz ist seit ein paar Monaten bei den Bogenschützen aktiv. Er appelliert an die Verantwortlichen, in Zukunft bei der Vergabe von Turnieren auf Minderheiten zu achten: "Bei der Austragung von sportlichen Großereignissen muss darauf geachtet werden, dass es dort einen gewissen Schutzraum gibt, für queere Personen oder Menschen, die eine andere Religion haben. Dass die da genauso sicher spielen können."

Hingegen blickt Ronny Richter lieber nach Deutschland: "Ich glaube, Fußball hat ganz andere Probleme, da müssen wir gar nicht nach Katar schauen, sondern können in Dresden anfangen", sagt Richter. "Wie häufig haben wir Hass und Gewalt im Stadion hier? Zum Beispiel gegen Menschen, die ausländische Wurzeln haben."

In einer perfekten Welt bräuchte es keinen schwul-lesbischen Sportverein

In einer perfekten Welt bräuchte man einen Verein wie den "Bogenschützen" vermutlich nicht mehr, meint Storz. "Aber selbst in den aufgeklärtesten Teilen der Erde ist der Schritt, sich zu outen, ein Schritt, den man bewusst gehen muss. Und das wird in 20 Jahren nicht anders sein. Deshalb ist es gut, dass es solche Vereine gibt, weil es immer introvertierte Menschen geben wird, die sich wohler fühlen, wenn sie erstmal bei gleichgesinnten sind", sagt Storz, schnappt sich wieder seinen Schläger und geht zurück aufs Feld.

MDR (toz)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 20. November 2022 | 19:30 Uhr

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