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Mit 1,5 Milliarden sollen in Sachsen 134 regionale Projekte unterstützt werden. Bildrechte: IMAGO / photothek

KohleausstiegKritik an Fördermittelverteilung in sächsischen Kohlerevieren

23. Juni 2022, 05:00 Uhr

Kohlereviere in Sachsen können im Hinblick auf den Kohleausstieg Fördermittel für einen Strukturwandel beantragen. Doch bürokratische Prozesse seien langwierig und auch die Verteilung der Gelder wird stark kritisiert. Fachleute wünschen sich einen stärkeren Bezug zu Wirtschaft und Forschung.

Thomas Schmidt nimmt heute mal den Bus. Sachsens Regionalminister will am Mittag in ein fahrerloses Shuttle steigen. Das soll künftig Badegäste zur Schladitzer Bucht bei Leipzig bringen. Das Pilotprojekt zum autonomen Fahren lässt sich der Minister zeigen, weil es aus Kohle-Milliarden gefördert wird. Bislang seien in Sachsen 134 regionale Projekte für dieses Geld ausgewählt worden. Antragsvolumen: 1,5 Milliarden Euro.

CDU-Politiker Schmidt erklärt: "In beiden Revieren ist jetzt in den ersten Auswahlentscheidungen die Forschung ein Schwerpunkt. Also ein Drittel der Mittel geht in diesen Bereich. Aber auch Themen wie Städtebau spielen eine große Rolle. Es sind im Mitteldeutschen Revier auch touristische Infrastrukturen ein Schwerpunkt gewesen, im Lausitzer Revier durchaus auch."

Kohleausstiegsförderung mit viel Bürokratie verbunden

Das klingt nach einem guten Start für die Kohleausstiegsförderung. Und doch gibt es viel Kritik. Die beginnt bei der Bürokratie mit dem Förderantrag. Denn bevor dieser bei der Sächsischen Aufbaubank eingereicht werden kann, muss das Projekt einen der eigens eingerichteten regionalen Begleitausschüsse überzeugen. Dort entscheiden Bürgermeister und Landräte.

Das heißt, anderthalb Jahre nach der ersten Idee kommt überhaupt erstmal der Fördermittelbescheid. Wie sich dann Baupreise entwickelt haben, wie sich dann entsprechende Planungen entwickelt haben, das kann natürlich anderthalb, zwei Jahre vorher keiner abschätzen.

Daniel Knorr | DGB Sachsen

Anschließend müsse der Antrag nach Berlin, um dort abgesegnet zu werden, sagt Daniel Knorr vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Sachsen: "Und da sind wir in der Regel schon mal zwischen acht und zwölf Monaten. Und das ist natürlich, bevor der Antrag gestellt wird, viel zu lang. Dann brauche ich wahrscheinlich nochmal zwei bis vier Monate bei der Sächsischen Aufbaubank. Das heißt, anderthalb Jahre nach der ersten Idee kommt überhaupt erstmal der Fördermittelbescheid. Wie sich dann Baupreise entwickelt haben, wie sich dann entsprechende Planungen entwickelt haben, das kann natürlich anderthalb, zwei Jahre vorher keiner abschätzen."

Weiterer Kritikpunkt: zu große Fördergebiete

Auch die Größe der Förderregionen sorgt für Unzufriedenheit. Gedacht waren die Kohlemilliarden mal für den Aufbau einer zukunftsfähigen Wirtschaft in den Revieren. Doch die Fördergebiete seien viel größer gezogen worden, sagt der Wirtschaftsforscher Joachim Ragnitz vom Institut für Wirtschaftsforschung (ifo): "Die Kohlereviere, die tatsächlich stark betroffen sind, da fließen die Gelder primär nicht hin. Man hat beispielsweise im Mitteldeutschen Revier die Stadt Leipzig dabei, Nordsachsen dabei. Und das hat ja mit dem Kohleausstieg überhaupt nichts zu tun. Die sind überhaupt nicht betroffen. Regional gesehen hätte man das aus meiner Sicht stärker lenken müssen."

Zudem fließt das Geld nicht nur in Projekte, die Forschung oder Wirtschaft dienen. So wurde bereits der Ausbau diverser Kindergärten gefördert oder Umbauten in einem Rathaus. Leipzigs IHK-Präsidenten Kristian Kirpal ärgert das: "Also das wäre berechtigt, wenn es in Gebieten ist, wo wir einen weiteren Ausbau der Wirtschaftsansiedlungen haben, wo wir diese Strukturen brauchen. Aber das jetzt generell pauschal an allen Standorten zu fördern, bis hin zu barrierefreien Rathäusern, halte ich nicht für zielführend. Wir müssen die Projekte angreifen, bei denen es wirklich um die Arbeitsplätze geht, wo wir den Menschen insgesamt eine Zukunft geben können."

Direkte Unternehmensförderungen widersprechen Bundesvorgaben

Minister Schmidt kann die Kritik teilweise verstehen. Doch er sagt, Unternehmen direkt zu fördern, gestatteten die Bundesvorgaben nicht. Die Bürokratie beim Antrag werde sich noch einspielen. Und wenn auch mal ein Kindergarten gefördert werde, mache das doch einen Wirtschaftsraum attraktiver: "Es geht auch um Arbeitskräfte, die sich in der Region zu Hause fühlen müssen. Und da geht es um Daseinsvorsorge. Vom Kindergarten bis hin zu Freizeitangeboten. Das muss stimmen."

Ändern wird sich an den Fördergegebenheiten vermutlich nichts. Wirtschaftsprofessor Ragnitz sagt, viele Fehler seien in Sachsen schon beim Schreiben des Gesetzes gemacht worden. Aber das fasse heute vermutlich keiner mehr an.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 23. Juni 2022 | 06:00 Uhr