Kampfsportveranstaltung Neonazis im Kampfsport: Gericht bestätigt Verbot von "Kampf der Nibelungen"

07. September 2022, 17:54 Uhr

Seit 2013 gibt es den sogenannten "Kampf der Nibelungen" - laut Sächsischem Verfassungsschutz das "jährlich stattfindende Highlight der bundesweiten rechtsextremistischen Kampfsportszene". 2019 ist die Veranstaltung in Ostritz im sächsischen Landkreis Görlitz verboten worden. Am Mittwoch ist vor dem Verwaltungsgericht Dresden die Rechtmäßigkeit dieses Verbots verhandelt worden. Die Entscheidung hat laut Experten auch Einfluss auf andere rechtsextreme Kampfsportveranstaltungen in Sachsen.

Das Verwaltungsgericht Dresden hat die Klage gegen das Verbot der rechtsextremistischen Kampfsportveranstaltung "Kampf der Nibelungen" abgewiesen. Das Gericht teilt die Ansicht der Stadt Ostritz, dass bei der beabsichtigt gewesenen Veranstaltung eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bestand.

Im Vordergrund habe keine Sportveranstaltung gestanden, sondern die Vorführung von Kampftechniken sowie die Kampfertüchtigung als Einstieg in den physischen politischen Kampf, um auf diese Weise politische Ziele gewaltsam durchsetzen zu können.

Claudia Kucklick Präsidentin des Verwaltungsgerichts

Gericht: Kampfsportveranstaltung mit Ziel des gewaltsamen Umsturzes

"Die politische Ausrichtung der Veranstaltung mit dem Ziel, sich auf einen gewaltsamen Umsturz [des Staates, Anm. der Redaktion] vorzubereiten" und europäische Kampfsportler dafür zu vernetzen, hätten der Stadt Ostritz das Recht gegeben, die Veranstaltung zu verbieten, begründete das Verwaltungsgericht. Die Kläger haben die Möglichkeit, vor dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht in Bautzen in Berufung zu gehen.

Die Organisatoren der Neonazi-Veranstaltung "Kampf der Nibelungen" hatten 2019 gegen das Verbot der Stadt Ostritz geklagt. Sie befürchteten, dass auch weitere geplante Kampfsportveranstaltungen wegen ihrer politischen Gesinnung verboten werden könnten. Dies sei ein tiefgreifender Grundrechtseingriff, so die Organisatoren. Das Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht bestätigten damals das Verbot.

Prozessbeobachter und Experte sieht wegweisendes Urteil

Nach Ansicht des Prozessbeobachters und Experten für extreme Rechte und Kampfsport, Robert Claus, ist diese sogenannte "Fortsetzungsfeststellungsklage" richtungsweisend für mögliche Verbote von Veranstaltungen ähnlicher Art. Kommunen, Behörden und Gerichte könnten sich am aktuellen Fall orientieren und ähnliche Veranstaltungen ebenfalls verbieten. Denkbar sei seiner Auffassung nach, dass die Veranstalter in Zukunft versuchen könnten, solche Events im europäischen Ausland abzuhalten.

Rein neonazistische Kampfsportveranstaltungen haben heute einen herben Rückschlag erlitten. Durch die mittlerweile gute europaweite Vernetzung könnten die Veranstalter versuchen, solche Events fortan außerhalb Deutschlands stattfinden zu lassen.

Robert Claus Experte für extreme Rechte und Kampfsport

Die Möglichkeit, dass die Veranstaltungen fortan wieder im Verborgenen abgehalten werden, schätzt der Experte als eher gering ein. Konspirative Events dieser Art hätten dann nicht mehr die gewünschten Effekte wie zum Beispiel die Rekrutierung gewaltbereiter Neonazis. Weiterhin problematisch sieht Robert Claus Kampfsporttrainingsgruppen in der Szene - besonders solche für Kinder, sowie der Vertrieb von Kampfsportkleidung im Internet.

Zukunft für ähnliche Veranstaltungen "eher schlecht"

Ein weiteres Neonazi-Kampfsportevent, das von dem Urteil betroffen sein könnte, ist zum Beispiel das sogenannte "TIWAZ - Kampf der freien Männer". Die Veranstaltung fand nach Angaben des Sächsischen Verfassungsschutzes bislang zweimal statt: einmal 2018 mit etwa 450 Teilnehmenden in Grünhain-Beierfeld im Erzgebirgskreis und erneut 2019 in Zwickau mit etwa 400 Teilnehmenden.

Zur Geschichte der Neonazi-Kampfsportveranstaltung "Kampf der Nibelungen" (KdN)

Der "Kampf der Nibelungen" (KdN), ehemals auch Ring der Nibelungen, ist nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz die größte Kampfsportveranstaltung der neonazistischen Szene Deutschlands, beziehungsweise Europas. Die Veranstaltung soll von 2013 bis 2018 jährlich stattgefunden haben.

2013-2017 - Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Bayern

Die ersten beiden Veranstaltungen fanden in Vettelschoß in Rheinland-Pfalz statt. 2015 wurde der KdN in Hamm in Nordrhein-Westfalen ausgetragen und 2016 in Gemünden in Bayern. 2017 in Kirchhundem besuchten 500 Zuschauerinnen, Zuschauer, Kämpferinnen und Kämpfer die Veranstaltung. Bis dato sind die Veranstaltungen laut Verfassungsschutz konspirativ, also ohne offizielle Anmeldung veranstaltet worden.

2018 - Ostritz

2018 fand die Veranstaltung zweimal statt: zum einen auf dem Schild-und-Schwert-Festival in Ostritz in Sachsen, zum anderen wurde die Veranstaltung erstmals auch offiziell angemeldet. Sie fand am 13. Oktober 2018 statt. Veranstaltungsort war beide Male das Hotel "Neisseblick" des ehemaligen NPD-Mitglieds Hans-Peter Fischer. Nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz sollen insgesamt 850 Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet sowie aus Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Österreich, Polen, Russland, der Schweiz, Tschechien, der Ukraine und den USA bereits an den Kämpfen teilgenommen haben.

2019 - Verbot der Ostritzer Verwaltung

Im Juni 2019 sollte die Kampfsportveranstaltung ein weiteres Mal im Rahmen des Schild-und-Schwert-Festivals stattfinden, wurde jedoch auf Grund unzureichender Teilnehmerzahlen abgesagt. Ein führender Dortmunder Neonazi soll laut Verfassungsschutz noch im selben Jahr die Veranstaltung für den Zeitraum vom 11. bis 13. Oktober 2019 in Ostritz angemeldet haben. Der Ansicht vieler Szene-Experten zufolge soll es sich hierbei um Alexander Deptolla handeln, ehemaliger Führungskader des mittlerweile verbotenen Nationalen Widerstandes Dortmund und hochrangiger Funktionär von der Partei "Die Rechte". Er soll zudem maßgeblich am Aufbau der Kampfsportveranstaltung beteiligt sein. Sein Gesicht ist regelmäßig auf dem dazugehörigen Youtube-Kanal zu sehen.

Die Stadt Ostritz verbot 2019 die Austragung mit der Begründung, dass von ihr eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe. Außerdem habe die Veranstaltung keinen Sportcharakter, sondern diene "der rechtsextremen Kampfertüchtigung und damit der Vorbereitung eines politischen Kampfes". Ein daraufhin eingereichter Eilantrag des Veranstalters wurde vom Verwaltungsgericht Dresden zurückgewiesen. Das Urteil wurde vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht in Bautzen bestätigt. Nach Angaben des Verfassungsschutzes setzte die Polizei mit etwa 300 Einsatzkräften das Verbot vor Ort durch.

Friedensfest auf dem Marktplatz Ostritz
In Ostritz hatte sich 2018 ein Bündnis aus Bürgern, Vereinen und Organisationen zusammengetan, um mit einem Friedensfest ein sichtbares Zeichen gegen Rechtsextremismus und das dort ansässige Schild-und-Schwert-Festival zu setzen. Bildrechte: MDR/xcitePRESS

2020 - Polizei löst Veranstaltung in Magdeburg auf

Am 26. September 2020 wurde die Veranstaltung, die auf dem Gelände eines Motorrad-Clubs im Magdeburger Stadtteil Rothensee stattfinden sollte, von der Polizei vorzeitig aufgelöst. Unter den Personen vor Ort waren laut Verfassungsschutz auch "Akteure aus Sachsen". Aufgrund der Corona-Pandemie sollte der KdN 2020 als Online-Livestream übertragen werden. Dazu kam es jedoch nicht, da die Polizei am 26. September 2020 eine Kampfsportveranstaltung auf dem Gelände eines Motorradclubs im Magdeburger Stadtteil Rothensee auflöste. Hier sollten die Kämpfe für den Stream aufgezeichnet werden, was durch den Polizeieinsatz nur teilweise gelang. So sollen bei dem Stream lediglich sechs aktuelle Kämpfe gezeigt worden sein. Als Konsequenz gaben die Organisatoren bekannt, dass sie sich bis zur Klärung des juristischen Urteils auf den Ausbau ihrer Kleidungsmarke konzentrieren.

2021 - "National Fight Night" soll KdN ersetzen

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums organisierten kampfsporterfahrene Führungspersonen der deutschen neonazistischen Szene gemeinsam mit einer rechtsextremistischen Gruppierung im benachbarten europäischen Ausland für den 25. September 2021 unter der Bezeichnung "National Fight Night" ein Kampfsportturnier, das als Ersatzveranstaltung für den KdN dienen sollte. Dieses konnte von den staatlichen Behörden nach eigenen Angaben im Vorfeld verhindert werden.

MDR (koh)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | SACHSENSPIEGEL | 07. September 2022 | 19:00 Uhr

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